Künstliche Intelligenz

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Teil unseres Alltags, Treiber unserer Zukunft

Dass Computer selbst Schachweltmeister mattsetzen können, daran haben wir uns gewöhnt. Dass sie auch den Go-Weltmeister schlagen, war ein weiterer großer Schritt. Kurz darauf ging der Pokal des weltbesten Poker-„Spielers“ ebenfalls an einen Computer (besser gesagt: die dahinter liegenden Algorithmen).

Diese Entwicklung kann nur als rasant beschrieben werden: Sind die Spielzüge beim Schach noch vergleichsweise überschaubar – zumindest für ein Computer-Hirn –, so gibt es bei dem chinesischen Brettspiel Go mehr Spielzüge als Atome im Weltall. Interessant dabei: Die Maschine gewann nicht durch die Vorausberechnung dieser Spielzüge, sondern durch eine Finte. Das erinnert an künstliche Intelligenz. Ähnlich groß ist auch die Herausforderung beim Poker-Spielen: Wie erkennen Schaltkreise einen Bluff, also ein Vortäuschen falscher Tatsachen?

KI ist in unserem Alltag bereits angekommen

Die hinter der künstlichen Intelligenz stehenden Programme und Algorithmen sind bereits heute Teil unseres Lebens. Sie heißen „Siri“ (Apple), „Cortana“ (Microsoft), „Echo“ (Amazon) oder „Google Translate“ und wollen uns das Leben erleichtern. Sie basieren auf Schaltkreisen, deren Rechenleistung, anders als beim menschlichen Gehirn, unbegrenzt ausgebaut werden kann. Und sie werden mit Daten gefüttert.

Abgesehen von „Siri“ und ihren Freunden steckt „KI“ (englisch „AI“ für „Artificial Intelligence“) längst in vielen Alltagsanwendungen: Social-Media-Plattformen, die Informationen filtern, Videoanalysen zur Sicherheitsüberwachung, Anwendungen im Gesundheitssektor (so führt eine indische Firma heute schon Tag für Tag bis zu 100.000 Diagnosen mit AI durch), Algorithmen, die Sportberichte oder Unternehmensanalysen verfassen … ja selbst juristische Stellungnahmen werden von AI angefertigt mit Datenbanken im Hintergrund, die kaum noch von Menschen durchforstet werden könnten.

KI ist unser Alltag. AI ist unsere Zukunft. Bis 2020 sollen im „Internet der Dinge“ („Internet of Things“) bis zu 50 Milliarden Objekte vernetzt sein, die alle fortlaufend auswertbare Daten liefern. „Smart Home“ – das vernetzte Zuhause, bei dem der Kühlschrank für Nachschub sorgt, wenn der Vorrat zur Neige geht – oder auch das selbstfahrende Auto sind die Stichworte aus unserer Alltagsanwendung dazu.

Aber nicht nur da. KI steckt auch hinter jener Entwicklung die „Industrie 4.0“ oder auch „4. Industrielle Revolution“ genannt wird. Dabei wird die industrielle Revolution, die mit der Mechanisierung einsetzte, in mehrere Entwicklungsabschnitte entsprechend der technologischen Entwicklung der Produktion unterteilt. Es beginnt mit der Mechanisierung („Webstühle“), erstreckt sich über Massenproduktion mit Fließbändern sowie dem Einzug von Informationstechnologie und mündet in die Welt von AI und vernetzten Maschinen.

Die technologische Infrastruktur

Künstliche Intelligenz ist mehr als nur ein paar kluge Algorithmen, die Probleme selbstständig lösen können. Es geht um einen ganzen Kosmos an Technologien und Maschinen – und damit Investitionsmöglichkeiten –, die zusammenwirken. Es beginnt mit der Schnelligkeit der Prozessoren, die exponentiell anwächst. Aber Schnelligkeit ist nicht alles. Es geht um mehr. Zuallererst um Daten. Je mehr Daten, desto besser. Denn Speicherkapazität kostet kaum noch etwas und sie kann über Rechnernetzwerke in der „Cloud“ nach Belieben zusammengeschaltet werden. Kapazitätsprobleme gibt es nicht, und wenn, dann nur in Form mangelnder Verfügbarkeit der Daten.

Bei den Ergebnissen gilt Korrelation statt Kausalität, womit das Mantra von Statistik und Ökonometrie auf den Kopf gestellt wird. Hieß es bisher doch immer: Was einen statistischen Zusammenhang aufzeigt, sagt nicht notwendigerweise etwas über den tatsächlichen Zusammenhang, die Kausalität, aus. Je mehr Daten, desto mehr lässt sich an – auch noch so speziellen – Verknüpfungen erstellen. Daten und Rechnerleistung machen Strukturen im bisher Unstrukturierbaren erkennbar.

Wenn nur genügend Daten zur Verfügung stehen, dann werden sogar bei sehr individuell verlaufenden Krankheiten Muster sichtbar, die eine zielgerichtete, speziell angepasste Behandlung ermöglichen. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat z.B. der britische National Health Service der AI-Einheit „DeepMind“ von Google Zugang zu den Daten von 1,6 Millionen Patienten gewährt. Nicht nur die Diagnose soll damit besser und schneller werden, Algorithmen sollen auch Vorhersagen über Krankheiten treffen. Dbei geht es auch um mobile Anwendungen, die sowohl die Datenerhebung als auch deren Auswertung direkt vor Ort ermöglichen.

Der große Unterschied von AI zum menschlichen Gehirn ist dabei: Während Letzteres in seinen Kapazitäten begrenzt ist, können Computerkapazitäten schier unbegrenzt ausgebaut werden. Sie können über „Big Data“ Muster erkennen, die menschlichen Gehirnen allein verschlossen bleiben. Aufgrund der Masse der Daten ist dann nicht mehr die Kausalität, der Wirkungszusammenhang, entscheidend, um Entwicklungen erkennen und prognostizieren zu können, sondern die Korrelation – ein statistisch erkannte Zusammenhänge, die neue Lösungen ermöglichen.
Speicherplatz und Rechnergeschwindigkeit sind schon längst nicht mehr die Engpassfaktoren. Im Gegenteil. Die Rechnergeschwindigkeit hat sich exponentiell fortentwickelt, während die Kosten für Speicherkapazitäten geradezu kollabiert sind. Und nicht nur das. Speicher wie Rechnerleistung lassen sich über Cloud-Computing weltverbinden.

Diagnose mittels künstlicher Intelligenz

Vor diesem Hintergrund ist es auch zu verstehen, warum ein Team am Imperial College London eine auf künstlicher Intelligenz beruhende Lösung fand, mit der Lungenhochdruck mit einer 80-prozentigen Genauigkeit diagnostiziert werden kann. Menschliche Kardiologen können dies nur mit einer Genauigkeit von 60%. Ähnlich Google: Der Datenriese erreicht mittlerweile State-of-the-Art-Ergebnisse bei der Diagnose von Brustkrebs. Investitionsbedarf wie Investitionsmöglichkeiten sind riesig. Nach Datenanbieter Tractica liegen die weltweiten Umsätze mit künstlicher Intelligenz zwar noch unter einer Milliarde US-Dollar. Bis 2025 sollen sie jedoch auf knapp 37 Milliarden US-Dollar anwachsen, so die Prognose. Das entspräche einer Wachstumsrate von 57% pro Jahr.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama dürfte Recht haben, wenn er sagt: „My successor will govern a country being transformed by AI.“
KI ist Teil unseres Alltags und wird ein Treiber unserer Zukunft sein.

Hans-Jörg Naumer
* Der Autor ist Global Head of Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors.