Die andere Hälfte der afrikanischen Wirtschaft

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Julius Nyerere, derv Gründungspräsident Tansanias, hat einmal gesagt, dass „Einheit“ Afrika nicht reich machen würde, aber „sie kann es erschweren, dass Afrika und die afrikanischen Völker missachtet und gedemütigt werden“. Doch zwei Jahrzehnte später bleibt Afrika entlang einer zentralen Verwerfungslinie gespalten: dem Geschlecht. Um Nyereres Vision eines starken, Achtung gebietenden Kontinents umzusetzen, braucht Afrika eine neue Ära der Befreiung, die durch die wirtschaftliche Stärkung der Frauen des Kontinents angetrieben wird.

Obwohl Prognosen der Unternehmensberatung McKinsey davon ausgehen, dass Afrika bis 2040 mit mehr als 1,1 Milliarden Menschen im erwerbsfähigen Alter die weltgrößte Erwerbsbevölkerung aufweisen wird, müssen derzeit noch immer mehr als 60 Prozent  der Bevölkerung mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen. Es ist offensichtlich, dass zwar viele Afrikaner von der politischen Emanzipation – der Hinterlassenschaft der Generation Nyereres – profitiert haben, aber die Armut ein wesentliches Hindernis bleibt.

Beschäftigung von Frauen könnte Armut überwinden

Das Beschäftigungspotenzial der afrikanischen Frauen freizusetzen, ist die beste Methode, um die Armut zu überwinden. Afrikas Frauen sind in Schlüsselbranchen und Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert. Die Gründe hierfür sind Diskriminierung am Arbeitsplatz und patriarchalische Erwartungen zu Hause. Wenn die Barrieren für eine Teilnahme an der regulären Wirtschaft nicht beseitigt werden und Frauen nicht die Möglichkeit erhalten, ihr Potenzial voll auszuschöpfen, wird das Afrikas sozioökonomische Entwicklung weiter bremsen.

Doch obwohl Frauen für den Fortschritt des Kontinents unverzichtbar sind, werden sie allzu oft noch immer als zweitrangig angesehen. Frauen müssen daher ihr Recht einfordern, mit an den Entscheidungstischen zu sitzen und die Politiken, Pläne und Strategien mitzugestalten, die ihr Leben und das Leben der Afrikaner für Generationen beeinflussen werden. Studien haben gezeigt, dass wenn in Afrika mehr Frauen Zugang zu männlich dominierten Berufen hätten, die Arbeitsproduktivität um bis zu 25 Prozent steigern würde. Dies wäre gut für die Gesamtwirtschaft, aber auch für die Frauen im Allgemeinen, denn es würde neue Wege zur Stärkung ihrer gesellschaftlichen Stellung eröffnen.

Status verbessert sich mit Arbeit

Wenn Frauen am Arbeitsmarkt teilnehmen und sich aktiv in der Wirtschaft oder im politischen Entscheidungsprozess engagieren, wandelt sich die patriarchalische Machtdynamik und der gesellschaftliche Status der Frauen verbessert sich. Wirtschaftliche Gleichberechtigung stellt zudem althergebrachte Überzeugungen infrage und räumt auf mit schädlichen Mythen, die enge Definitionen von Geschlechtsnormen perpetuieren. Anders ausgedrückt: Mehr Frauen in Arbeit zu bringen, führt zu einer Emanzipation des Denkens, und zwar bei Männern und Frauen gleichermaßen. Was Nyerere so eloquent über Afrika als Ganzes äußerte, ist in Bezug auf die Frauen nicht weniger wahr: Einheit ist der Schlüssel, um unser Potenzial auszuschöpfen.

Wenn wir als Schöpferinnen von Wohlstand zusammenkommen, stellt dies sicher, dass wir für unsere wirtschaftlichen Beiträge Anerkennung erhalten, und verhindert, dass wir bei unseren unternehmerischen Anstrengungen marginalisiert werden. Beim Graça Machel Trust arbeiten wir mit Akteuren aus der Zivilgesellschaft, mit dem privaten Sektor und mit Regierungen aus allen Teilen Afrikas zusammen, um eine neue wirtschaftliche Befreiungsbewegung für Frauen anzuführen. Einzeln sind wir schwach, doch gemeinsam haben Afrikas Frauen die Fähigkeit, die Barrieren, die uns von der vollständigen Teilnahme an unseren jeweiligen Volkswirtschaften ausschließen, in Angriff zu nehmen und zu überwinden. Netze haben Macht.

Gründung und Stärkung von Netzwerken

Der Ansatz meiner Organisation in Bezug auf die wirtschaftliche Förderung besteht in der Gründung und Stärkung informeller und offizieller Netzwerke, durch die Frauen im Laufe der Zeit ihre Partizipation und Sichtbarkeit in zentralen Sektoren steigern können. Aus diesem Grund haben wir die Initiative „Women Advancing Africa“ ins Leben gerufen, die Teil unserer laufenden Bemühungen ist, Afrikas Unterrepräsentierten eine lautere Stimme zu verleihen und eine panafrikanische Frauenbewegung zu schaffen, in der Frauen zusammenkommen können, um den Kontinent zu verwandeln.

Das erste Forum von „Women Advancing Africa“ findet in dieser Woche in Dar es Salaam (Tansania) statt. Dabei werden mehr als 250 Frauen in Führungspositionen aus dem gesamten Kontinent zusammenkommen. Unter dem Motto „Für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel“ wird sich das Forum auf drei strategische Ziele konzentrieren: die Förderung der finanziellen Inklusion, die Steigerung des Marktzugangs und das Eintreten für gesellschaftlichen Wandel. Ziel ist es, aus dem Forum mit einer gemeinsamen Agenda für unsere Teilhabe als vollwertige wirtschaftliche Akteure hervorzugehen.

Die Einheit des Kontinents

Es ist gerade mal 20 Jahre her, dass Nyerere uns ermutigt hat, auf die Einheit Afrikas hinzuarbeiten. Heute tragen Afrikas Frauen dazu bei, die Strategien und Praktiken mitzugestalten, die eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Liberalisierung in ihren jeweiligen Ländern herbeiführen werden. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bevor die afrikanische Einheit vollständig realisiert ist. Doch Frauen in die Lage zu versetzen, vollwertige Partner in Afrikas wirtschaftlicher Zukunft zu sein, ist eine der besten Methoden, sicherzustellen, dass wir Erfolg haben.

  • Aus dem Englischen von Jan Doolan Copyright: Project Syndicate, 2017 www.project-syndicate.or