Ausstieg links?

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Frank Bertemes über die interessante Lektüre des LSAP-Wahlprogramms

Frank Bertemes über die interessante Lektüre des LSAP-Wahlprogramms

„Ein Linker muss nicht arm sein, ein Linker muss gegen Armut sein.“ – Gregor Gysi

Immer maximale Meinung, immer volle Breitseite, das sind die Markenzeichen von Rhetorik-Rambo Gregor Gysi. Auch wenn sich der Mann, der in vielerlei Hinsicht und völlig zurecht als charismatischer Politiker mit besonderem Format gilt, im Jahre 2015 aus der ersten Reihe der bundesdeutschen Politik zurückgezogen hat, so sind seine Aussagen immer noch aktuell und interessant.

Der Rechtsanwalt gehört mit Sicherheit zu den schillerndsten und wohl auch umstrittensten deutschen Politikern. Er war nach der Wende Vorsitzender der SED-Nachfolgepartei PDS, zog im Jahre 1990 über ein Direktmandat in den Bundestag ein, führte die PDS-Fraktion von 1990 bis 2000 und war ab dem Jahr 2005 bis zum Oktober 2015 Chef der Fraktion der Partei „Die Linke“ im Bundestag.

An dieser Stelle soll es aber gezielt um die ideologische Richtung gehen, mit der sich Gregor Gysi, Galionsfigur der Linken in Deutschland, durchaus auch selbstkritisch beschäftigt und mit der sich heutzutage besonders die sozialistische Ideologie europaweit und hierzulande die LSAP so schwertut: nämlich mit ihrer parteipolitischen Identität, die sich in einer deutlichen Identitätskrise ausdrückt, und die die Sozialisten in Frankreich faktisch in einen Selbstauflösungsprozess getrieben hat.

Die Wahlresultate sind in der Tat deutlich, weil man seit dem Jahr 1984, als man noch stolze 32 Prozent Stimmenanteil verbuchen konnte, bis 2013 nur mehr ernüchternde knapp über 20 Prozent erzielte. Eine traurige Entwicklung, die nicht nur dem politischen Betriebspersonal, das teilweise in fast schon peinlicher Selbstdarstellung höchst unglaubwürdig agierte, zu „verdanken“ ist, sondern auch ein Effekt der puren Anpassung an ein neoliberales Wirtschaftsdiktat, das EU-weit besonders eben den Sozialisten geschadet und zu Politverdrossenheit und Rechtsruck geführt hat.

Parteipolitische Standortbestimmung

Angesichts kommender Wahlgänge geht es dem linksorientierten Wahlvolk, das sich ob des Trauerspiels der traditionellen „S“-Parteien immer verwirrter und desorientierter fühlt, durchaus auch darum, sich selbst zu prüfen und sich zu fragen, wo es denn sein Kreuzchen auf dem Wahlzettel positionieren soll. Eine Form von („sozialistischer“) parteipolitischer Standortbestimmung also, die brandaktuell ist. Um es ganz einfach auszudrücken: Klassische Sozialisten sehen sich in den Parteien vertreten, die sich generell „Die Linke“ oder „déi Lénk“ (wie hierzulande) nennen, Sozialdemokraten eben in Parteien wie der SPD oder (hierzuländchen) der LSAP. Noch weiter links stehen dann die Kommunisten, die sich allerdings ob des gescheiterten „real existiert habenden Sozialismus“ stalinistischer Prägung und einer völligen Fehlinterpretation des marxschen Werkes ins politische Abseits manövriert haben.

Der Sozialismus entstand bekanntlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die politische Theorie des Sozialismus geht vor allem auf die Industrialisierung und die damit verbundene Ausbeutung der Arbeiterschaft zurück, die zur Verbreitung der sozialistischen Idee führten. Die bekannteste Theorie des Sozialismus entwickelte Karl Marx, der Trierer Philosoph, der in diesem Jahr seines 200. Geburtstages, den man in Trier völlig zurecht groß feiern wird, natürlich speziell hervorgehoben werden muss. Als er am 14. März 1883 starb, hinterließ er ein gewaltiges, Tausende von Seiten umfassendes Werk, das die historische Entwicklung prägen sollte wie kaum ein anderes zuvor.

Im Jahre 1867 erschien der erste Band des marxschen Lebenswerkes „Das Kapital“, das eines der einflussreichsten Werke der Moderne werden und das Weltgeschehen nachhaltig prägen sollte. Bedauerlich allerdings ist die Tatsache, dass gewisse moderne Sozialisten sozialdemokratischer Ausrichtung heutzutage nicht einmal seinen Namen erwähnen, wenn sie sich auf einmal und ob der Irrungen und Wirrungen der Sozialdemokratie, die sich im Laufe der Zeit durch das Diktat des (EU-)Neoliberalismus ergaben, in eben dem parteipolitisch desolaten Zustand wiederfinden müssen, in den sie sich selbst hineinmanövriert haben und heuer verzweifelt nach einem (nicht nur ideologischen) Ausweg, gar politischen Überlebensweg, suchen.

Müssen sich diese Damen und Herren wundern, wenn sich immer mehr Wählerinnen und Wähler für die Linksparteien – die diesen Namen in der Tat ob ihrer politischen Prioritäten, die zu bedienen diese zumindest theoretisch in ihren Wahlprogrammen vorgeben, dann auch aus ihrer Sicht verdienen – in der Wahlkabine entscheiden? Um konkret zu sein, darf man wahrlich wie nie zuvor auf das Wahlprogramm der LSAP gespannt sein! Und wie man „links“ in der kommenden digitalisierten Arbeitswelt noch zu definieren hat …

Irrweg im Interesse der Banken und Konzerne

Ausstieg links! Es gibt nur diesen Weg als Ausstieg aus dem neoliberalen Irrweg im Interesse der Banken und Konzerne, dem sich auch Sozialdemokraten (weil wirtschaftspolitisch alternativlos?) ergeben haben, ganz klar! Der politische Beobachter fragt sich allerdings aufgrund der verwirrenden Aussagen, die man macht, und den Gefechten, die sich parteiintern und öffentlich, wie beispielsweise in diversen Artikeln in dieser Zeitung, geliefert werden, wie links die LSAP noch steht. Auch wenn man auf einmal wieder von einer „starken linken Volkspartei“ faselt (mit drohendem 15-Prozent-Stimmenanteil im kommenden Oktober?), der gewisse Wirtschaftsliberale in der LSAP längst nicht mehr gerecht werden, die den Stamm traditioneller LSAP-Wahlklientel definitiv enttäuscht haben und die elektoral gesehen abzuwandern drohen …

Die Wachstumsdebatte muss (als Beispiel) durchaus sehr kritisch geführt werden und reine Prestige-Projekte wie das Google-Datenzentrum muss man infrage stellen dürfen, ohne eine fortschrittliche Politik dadurch infrage zu stellen und wissend, dass es durchaus Grenzen des Wachstums gibt! Neuerdings spricht man mittels „Rifkin-Prozess“ immerhin von qualitativem Wachstum – der im Endeffekt doch pur quantitativ ausfallen wird. Eine Debatte, die garantiert einigen liberal angehauchten Sozialisten, die sich in entsprechender Erklärungsnot permanent verirren, nicht gefällt! Genauso wie die soziale Frage das eigentliche Terrain der Sozialisten immer war, ist und auch in Zukunft bleiben muss. Und gerade deswegen wird die Lektüre des LSAP-Wahlprogramms sehr interessant sein…

Denn, so Gregor Gysi abschließend zu den bescheidenen Gedankengängen eines Wählers und kritischen Beobachters der Linken in diesem Kontext zitiert, wird besonders eben die soziale Frage immer der Kern linken Denkens sein, auch wenn die sozial-ökologische Nachhaltigkeit und natürlich die Friedensfrage immer deutlicher hinzukommen.
Und noch etwas: Die Linke muss begreifen, dass Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit nicht Beiwerk sind, sondern diese Werte müssen ihr Anliegen sein. Es gilt in diesem Sinne klar und deutlich das Primat der Politik. Die Vormacht, die wiederhergestellt werden muss.

Und dazu muss das politische Original der Linken endlich wieder bedingungslos klare Kante zeigen, will heißen sich politisch eindeutig positionieren, seinen eigenen Standpunkt klar nennen, sich abgrenzen, streng vorgehen!

Kurz gesagt: eine LSAP, die in der Tat weiterhin gebraucht wird!