Wie beim Schach

Wie beim Schach

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Dort in „Europa“ (gemeint ist die EU), wo Wahlen waren, ärgert man sich im Nachhinein über nicht gehaltene Versprechen. Wenn sie die Dossiers mal „richtig“ eingesehen haben, sehen die Politiker aller Schattierungen sich zu solchen Maßnahmen gezwungen, die in erster Linie die Staatsfinanzen ins Lot bringen sollen. Zumeist mittels Kürzung der sozialen Leistungen und Verzicht auf notwendige Infrastrukturen.

Wäre daraus zu schließen, dass die ganze Politik faul ist und alle Politiker eben Lügner und Betrüger sind? Wie von den Rechtspopulisten gebetsmühlenartig behauptet?

Nein. Nur ist es so, dass 1992 ein gewisser Hayek in Maastricht eine komplizierte, schon 1939 begonnene Schachpartie gewann, bei der es um ein Wirtschaftsgefüge ging, das der Politik einen engen Handlungsrahmen steckt.

Friedrich Hayek, der brillante Wirtschaftstheoretiker, hasste den klassischen europäischen Staat seinerzeit dafür, dass er lenkend und umverteilend in die Wirtschaft eingriff. Er, der Liberale (der Neoliberale, würde man heute sagen), wollte Frieden und Freiheit anstatt Krieg; dafür bräuchte man in Europa eine Staatenföderation mit übernationalen Befugnissen in Wirtschaftsdingen. Der freie Markt sollte und würde alles richten, leistungsstark und irgendwie „gerecht“.

In Maastricht verwirklichten Europas Spitzenpolitiker 1992 Hayeks Traum, als sie den freien Verkehr des Kapitals, der Waren, Dienstleistungen und Personen verfügten. Die Umsetzung dieser Schlüsselbestimmungen führte dazu, dass den Einzelstaaten schrittweise, aber zielstrebig das souveräne Recht zu steuernden Eingriffen in das „System“ entzogen wurde.

Wahrscheinlich hatte keiner der politischen Maastricht-Macher Hayek studiert (oder doch, Herr Juncker?), aber ist auch egal. Wir leben jetzt unter dem neoliberalen Regime, auf dessen Wunderwirkung noch all diejenigen warten, die am Straßenrand stehen: An ihnen rast der Wohlstand vorbei. Nicht nur hier, in Europa, sondern in weiten Teilen der Welt, die vom Profitdenken der global Geschäfte treibenden Konzerne regiert werden, und nicht von politischen Leitgedanken. Diese Tatsache ist offensichtlich, seit kein rivalisierendes politisch-wirtschaftliches System das westliche zur Selbstkontrolle zwingt.

Das westliche Demokratiemodell ist aus der Sicht des politischen Westens ein Exportartikel, der dort, wo er ankommt, die Voraussetzungen für den blühenden neoliberalen Markt schafft. Also darf man anderen dieses Modell anraten und sogar aufzwingen, wegen der „Menschenrechte“, die ja beständig in anderen Kulturkreisen verletzt werden …

Luxemburg profitiert im Übermaß vom derzeitigen Erfolg des Hayek-Marktes, weil seine Politik den Spielraum, den es auch in der föderationsähnlichen EU gibt, mit großem Geschick auszunutzen versteht.

Umso unerfreulicher ist die Feststellung, dass es bei uns nicht so sozial zugeht, wie es könnte und sollte, dass trotz vorhandener öffentlicher Mittel bei den Bedürftigen und Schwachen geknausert wird. Stichworte: Mindestlohn, kleine Renten, direkte Beihilfen an einkommensschwache Erzieher zum Beispiel. Das Leben in Luxemburg ist sehr teuer geworden!

2018 wird gewählt. Warum sollte die regierende Koalition bis dahin nicht einfach alle sozial positiven „faits accomplis“ schaffen, die ihre Chance auf ein zweites Mandat steigern würden?

Hayek spielte die ganz große Partie Schach. Für Luxemburger Verhältnisse reicht eine
kleinere – nur sollten die Richtigen dabei gewinnen.

Laurent
17. Juli 2017 - 17.55

A wann se ons an e puer Joër och nach d'Geld an d'Mënzen durch Kaarten ersaat hun, si mer hinnen total ausgeliwwert. D'Demokratie ass mëssbraucht ginn. D'Manipulatioun vum konsumorientéierten Bierger via Medien a Social Media huet et méiglech gemaat!

armand
17. Juli 2017 - 16.28

der schwarze block war nur auf randale aus (1. mai "feier" in berlin lässt grüssen). salopp gesagt das ist die SA der linken.

Garde fou
17. Juli 2017 - 14.21

Merci Herr Sold, fir dësen interessanten Artikel. Jo, den "Ego", an déi déif sëtzent Onzefriddenheet an Gier machen dass een ëmmer méi wëll, an just no sëch kuckt. Dëst ëmmer méi, wat mir méi wait an dës artifiziell, vum Konsum regéiert Gesellschaftsform eranginn. Vunn Generatioun zu Generatioun gëtt dat usech ëmmer schlëmer, well déi artifiziell Ofhängegkeet vunn den Güter ëmmer méi grouss gëtt (well d'emotional Basis vum Kand net stabil genuch ass, wouraus een Erwuessenen entsteet deen ëmmer nees versicht dës Lücken an Wonnen artifiziell ze fëllen/heelen). Hamburg war sëcher net schéin, mais dat geet awer kaum duer fir dass sech eppes ännert. D'Zaitspaan vunn der Mémoire collective ass méi kleng ginn. Dëst féiert dozou dass een an 2 Wochen keen méi vunn Hamburg schwetzt, wann et net an den Medien zervéiert gëtt. Stattdessen gëtt et dann nees eng x-beliebeg Krise op déi dann matt der "politique de l'urgence" nees, ewéi esou oft, reagéiert an d'Féier geloescht gëtt, ouni een Langzeitplang auszeschaffen. -> d'Ausschréitungen an Hamburg woren net gut, well usech vill Onschëlleger Schued dovun gedroen hunn, während déi vum G20 an der Oper sutzen. Mais, ech mengen se weisen eben genau deen Frust an Vertrauensverloscht vis-à-vis vum politëschen Theater, euhm pardon, Aparat, wou et am harmonëschen Dialogue ëmmer an déi sellwëscht Richtung geet. -> d'Ausschréitungen woren krass, mais,..., woren se krass genuch fir eng Aennerung ze provozéieren? Ech woen dat ze bezwéifelen...

H.Horst
17. Juli 2017 - 13.35

"...die sich jemals im konservativen politischen Establishment Luxemburgs mit “déi Greng” eingelassen haben..." Sehr gut, denn das heisst, dass "déi Greng" eben nicht zu diesem spiess- u. kleinbürgerlichen konservativen Establishment gehören. Andererseits erfolgt zwingend, aus Ihrem Post, dass LSAP u. DP dazu gehören.....Die Stammclientel der LSAP ist einfach ausgestorben und der Versuch geeignete Wählerschichten (Arbeiter) für die LSAP erschliessbar zu machen über das Ausländerwahlrecht, ist, auch am Widerstand der verbliebenen ethnisch reinen Proletarier, krachend gescheitert. Die Distanz zwischen der verbliebenen proletarischen Basis der LSAP und ihrer eigenen Parteielite ist aufgrund von Unterschieden in Bildung, Lebenserfahrung und Interessen unüberbrückbar. Schon die Kommunikation zwischen beiden Universen ist quasi inexistent.

Mr.X
17. Juli 2017 - 12.24

Leider sind wir nun fast an diesem Punkt angekommen und leider kommt die erste Welle dieses Rucks von weit rechts und dies in ganz Europa. Zum Glück haben Länder wie die Niederlande und Frankreich nochmal die Notbremse ziehen können, aber wenn die dortigen Regierungen es nun verpassen sozialere Reformen durchzubringen (und in Frankreich sieht es momentan so aus) wird es in einigen Jahren wieder zu einem Ruck kommen nur stärker und ich befürchte, radikaler. Schrecklich waren die Bilder von Hamburg und viele wollten einfach nur krawal verursachen anstelle zu demonstrieren, aber von wo kommt dieser ganze Frust und Hass aufs System? Dieser darf nicht noch weiter zu nehmen. Leider versagen wir auch auf nationalem Plan vollkommen und treiben die liberalisierung blind an ohne auch nur im geringsten ihre Konsequenzen abzuschätzen, denn ja es brodelt auch gewaltig hier im Land.

Alvin Sold
16. Juli 2017 - 20.51

Die Stellungnnahmen von Jacques Zeyen, Friedrich und MartaM drücken die gefühlte Machtlosigkeit gegenüber den Auswüchsen des "Systems" aus, welches die Interessen der grossen Kapitalgesellschaften eher bedient als das allgemeine Interesse (Allgemeinwohl). Maastricht wurde 1992 als ein grosser Fortschritt gefeiert; die Mauer war 1989 gefallen, der Kommunismus bankrott; die digitale Revolution war noch nicht auslotbar, und darum auch nicht die Welt, in der wir jetzt leben. Eines ist sicher: Sie könnte besser sein, diese Welt, für Millionen Menschen, nicht nur in fernen Kontinenten sondern auch im "reichen Europa". Wenn das "System" den politischen Willen behindert der in die gute Richtung zielt (sofern es diesen Willen gibt), wird irgendwann eine Revolution von links oder von rechts Tatsachen schaffen.

MartaM
16. Juli 2017 - 15.53

@Friedrich: Wien stecht hannert Maastricht? Vun wem sin eis Politiker d'Marionetten? Vum Kapital.

Friedrich
16. Juli 2017 - 12.56

Mat deem Artikel misst et och deem allernaivsten Lieser dämmeren, datt d'Sozialpoliiker vun allen EU-Länner, op Chrëscht- oder Sozialdemokraten, mat den 4 Fräiheeten vun Maastricht ausgetrickst gi sinn. Si hunn dèi neoliberal Variant vun den Hayektheorien gehollef durchsetzen, mat als Contrepartie vaag Verspriechen, datt eng Kéier eng fortschrëttlech EU-Sozialpolitik kéim. Waat ass komm? Méi Aarbechtslosegkeet, brutalste Konkurrenz, Drock op de Léin, Ofbau vum Sozialstaat, asw.

Marius
16. Juli 2017 - 12.17

Stimmt, 2018 ist übermorgen. Herr Sold, Parteien die sich jemals im konservativen politischen Establishment Luxemburgs mit "déi Greng" eingelassen haben, bedeuten den Sündenfall schlechthin. Das wird die Mehrzahl der Wähler weder verzeihen, noch schnell vergessen, da bin ich mir gewiss und stimme dem "Realist" vollkommen zu. Vor allem war es ein Armutszeugnis von der LSAP und eine Schande für die DP, eine Koalition mit denen eingegangen zu sein. Das hätten beide Parteien billiger und weniger schadend haben können. Warum das hiesige Stimmvieh den Grünen, laut Statistik 10 % der Stimmen zuerkennt, ist nur schwer nachvollziehbar.

MartaM
16. Juli 2017 - 7.21

Den Nationalstaat ass wuel als Ursach zum Zweck geholl gin ,Kricher ze féieren , mee et woren an der Haaptsaach d'Dommheet vum Mensch déi ons Welt an den Desaster gefuert huet. Wobai ennert Dommheez ze verstoen ass, d'Muecht ze hun, Ressourcen beizegewannen,Kapital doraus ze schloen.Wat d'Sozialpolitik ugeet, déi net an den Verträg opgeholl gin ass, d'EU ,unter Vorspielen falscher Tatsachen, dem Bierger als eppes verkaaft gin ass ,wat se net ass.Esou wéi d'EU haut fonctioneiert ass se den Hampelmann vun der neoliberaler Elite.

De Realist
15. Juli 2017 - 23.39

Déi Koalitioun ass weg vom Fenster. Esouguer wa se all Wieler eng duebel Pai géif ginn, ass se fort.

Jeannot
15. Juli 2017 - 23.29

Den Nationalstaat, die richtegen, den "groussen", sicht de Krich. D'Preisen, d'Fransousen, Briten woren baal ëmmer am Krich. Wann se hir Eonomi'en net méi steiere kënnen, feelen hinnen de Gronn an d'Mëttelen fir de Krich. Et ass endlech Fridden. Am Fridden gi mer all méi räich. Awer déi eng méi séier wi déi aaner. An déi, di hiirt Liewen laang näischt hunn, haaten dach eppes: Pech. - Sinn daat em Hayek seng Spillregelen? Au diable!

jacques zeyen
15. Juli 2017 - 22.15

" Ein Staat der seine Kontrollfunktion aufgibt ist ein gescheiterter Staat." Jean Ziegler " Wir sind im Krieg. Ein Krieg zwischen Reich und Arm. Und wir, die Reichen, werden diesen Krieg gewinnen." Warren Buffet ( von Beruf Milliardär)

Alvin Sold
15. Juli 2017 - 19.43

Vert solitaire, den Hayek huet 1939 virgezeechent, waat deelweis an d'EU-Verträg vun 1992 (Maastricht) eragefloss ass: déi 4 grouss Fräiheeten, déi de facto d'Pouvoiren vum Nationalstaat an wesentlechen Froën sträichen. 1939 huet den Hayek an de Nationalstaaten eng vun den Haaptursaachen vum Krich an domat vum Elend gesinn. An deem Punkt huet e secher recht. Mä d'Fro bleiwt, firwaat 1992 zu de 4 Fräaiheeten net als fënneften Punkt eng gemeinschaftlech Sozialpolitik an de Verträg verankert ginn ass, mat der Verflichtong, d'Upassungen no uewen an net no ënnen ze maachen?

Vert solitaire
15. Juli 2017 - 16.40

"Friedrich Hayek, der brillante Wirtschaftstheoretiker, hasste den klassischen europäischen Staat".. Et gëtt keen "europäeschen Staat"! Op jidder Fall keen legalen! Verschidden national Staaten hun sech an engem politesch/finanziellen/ekonomeschen Konstrukt zesummen gesaat. An hir Spëtzenpolitiker (wi onsen JCJ) hun di eenzel Souveränitéiten mam Fouss gestouss an enger bréisseler Clique ënnergeuerdnet ouni d'Biirger vun denen Länner op ze klären iwwert all Konsequenzen an si duerno kloer ëm hiren Konsens ze froen.

Justin
15. Juli 2017 - 13.37

Mir profitéieren vum Maastricht-System, dee sech beim Hayek inspiréiert. Soot dir Här Sold. Virwaat profitéieren déi aaner EU-Läanner dann net dervun?

armand
15. Juli 2017 - 13.29

Theoretiker aller länder vereinigt euch. Bin kein economist und eher im bistro zuhause aber eins hat mioh das leben gelernt. Jedes ding/sache hat seine eigendynamik. Die christliche lehre (im gegensatz zum islam) ist eigentlich friedlich geprägt nur was haben seine irdischen vertreter daraus gemacht? Das könnte man auch zum teil zu den thesen von karl marx sagen. Gegen asylpolitik ist im prinzip nichts zu sagen nur, aber auch hier, füllen sich vereinzelte leute/staaten die taschen und hundertausende nichtverfolgte „schnorrer“kommen zu uns. Jede partei in europa (auch die LSAP) sitzt auf dem neo-liberalen zug der bis zum crash nicht mehr aufzuhalten ist. Da nüzt der gelegentliche fingerzeig von Alvin auch nichts.

MartaM
15. Juli 2017 - 13.02

Leider ging diese Partie Schach zum Nachteil der Arbeitnehmer aus.Soziale Errungenschaften, soziale Absicherung wurden matt gesetzt.

René M.
15. Juli 2017 - 9.23

Interessant, interessant. Ja, die von grossen Köpfen gesponnenen Gedanken haben Langzeitwirkung. ABer warum funktioniert das Hayek-System nicht so, wie er wollte? Wer hat es pervertiert?