Unkontrollierbares Spiel

Unkontrollierbares Spiel
(Isabella Finzi)

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David Cameron und der Brexit...

Während rund um die EU die Welt brennt und das Schicksal Hunderttausender Kriegsflüchtlinge geklärt werden müsste, leisten sich die EU-Staats- und Regierungschefs den Luxus, sich mit den innerparteilichen und innenpolitischen Problemen des britischen Premierministers David Cameron zu befassen.

Guy Kemp
gkemp@tageblatt.lu

Immerhin haben sich die 28 Ende vergangener Woche zusammenraufen und eine Einigung finden können, so dass die leidige Angelegenheit nicht auch noch bis zum nächsten Gipfeltreffen verschleppt wurde. Am Freitag durfte sich der britische Premierminister als Sieger in Szene setzen. Alles andere hätte ohnehin keinen Sinn ergeben, denn das Stück, das dort auf der Brüsseler Bühne aufgeführt wurde, musste ja so enden. Andernfalls würde die Fortsetzung so gar nicht dem weiteren Drehbuch entsprechen. Dieses sieht nämlich vor, dass, nachdem David Cameron jene Reformschritte in der EU eingeleitet hat, die die Briten sich wünschten, er ihnen nun empfehlen kann, bei dem bevorstehenden Referendum für einen Verbleib in der EU zu stimmen.

So weit zur Theorie. Tatsächlich aber weiß niemand so genau, ob nun wirklich dem gemeinen britischen Staatsbürger ein Stein vom Herzen fällt, nachdem jetzt die Aussicht besteht, dass künftig das an den im Königreich arbeitenden und lebenden EU-Ausländer für seinen in der Heimat verbliebenen Nachwuchs ausgezahlte Kindergeld indexiert werden kann. Und wird sich mit der in Brüssel gefundenen Einigung auch effektiv die Einwanderung nach Großbritannien einschränken lassen, so wie es die Populisten der EU-feindlichen UKIP verlangen, wo doch bekannt ist, dass die Mehrheit der Immigranten nach wie vor aus Nicht-EU-Ländern kommt?

David Cameron hat auch sonst nicht das erreicht, was er eigentlich von Beginn an versprochen hatte. Es gibt kein Veto für die Insel, was die weitere Entwicklung des Euroraums anbelangt, die City of London erhält keinen Extra-Status, das britische Parlament keine Rote Karte gegen EU-Gesetzesvorhaben. Großbritannien darf weiterhin, wie jetzt bereits, der Eurozone fernbleiben; wird sich nicht an einer europäischen Armee beteiligen müssen – die bislang nur als Idee existiert, jedoch vermutlich noch lange nicht in der Praxis –, muss sich, was es ebenfalls bereits seit langem tut, nicht an allen Integrationsschritten beteiligen. So what?

Demgegenüber hat der britische Premierminister, der sich eigentlich auch den Bürokratieabbau zum Ziel gesetzt hatte, dafür gesorgt, dass die Regelungen in Sachen Sozialleistungen und Kindergeld für EU-Ausländer noch komplizierter und unübersichtlicher werden.
Die Presse im Vereinigten Königreich hat längst ausgemacht, dass nicht geliefert wurde, was abgemacht war. Die EU-Gegner werden mit der von Cameron angebotenen Steilvorlage und diesem Resultat eine Dynamik für einen Austritt aus der EU entfachen, der nur schwer beizukommen ist. Der britische Premierminister hat sich mit seiner Idee, über ein Referendum entscheiden zu lassen, ob Großbritannien in einer „reformierten EU“ verbleiben soll, auf ein Spiel eingelassen, das er nicht kontrollieren kann. Nun müssen andere Argumente her, um das Referendum zu überstehen.