Ende eines Kartells

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Die Linke muss ihre Ecken und Kanten schärfen

Es kommt Bewegung in die europäische Linke. Am Dienstagabend verkündete Griechenlands Starökonom Yanis Varoufakis sein „Democracy in Europe Movement 2025“ (DiEM25), eine neue Bewegung zur Demokratisierung und Rettung Europas, so der eigene Sprachgebrauch. Wenige Tage zuvor hatten sich in Rom erstmals die Fraktionschefs der sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien der EU getroffen.

Die dort formulierten Vorschläge lesen sich großartig. Luxemburgs LSAP-Fraktionschef Alex Bodry mahnte nationale Budgetpolitiken an, die weniger auf eine kurzfristige Haushaltssanierung und mehr auf nachhaltige Investitionen, insbesondere für die Bereiche Bildung und Forschung, ausgerichtet sind. Als ob dieselben Parteien nicht selbst in den letzten Jahren an der Haushaltssanierungsschraube gedreht hätten.

Dennoch, allein die Tatsache, dass sich Parteien aus dem linken Establishment ernsthafte Gedanken über eine politische Neuorientierung in der EU machen, lässt aufhorchen. So langsam dämmert es auch der staatstragenden Linken Europas, dass klarere politische Positionen notwendig sind. Jeder sei sich bewusst, dass es in der EU nicht so weitergehen könne, sagte Alex Bodry nach dem Rom-Treffen.

Getrieben werden die sozialdemokratischen Parteien Europas einerseits von der erstarkenden Konkurrenz der Linken, die mit der Veröffentlichung des DiEM25-Manifestes am Dienstag eine neue Stufe erklommen hat. Nicht minder Druck üben die sich ausbreitenden rechtspopulistischen Bewegungen in quasi allen EU-Staaten aus. Sie polarisieren den politischen Diskurs und zwingen die anderen Parteien zu einer Neupositionierung.

Um als politische Kraft zu überleben, werden die sozialdemokratischen Parteien folglich das Konsenskartell aufbrechen müssen, zu dem sie sich mit Christdemokraten und Christlich-Sozialen, Liberalen und anderen Demokraten sowie weiten Teilen der Grünen zusammengefunden hatten.

Erst diese Kartellbildung hatte den weltweiten Siegeszug des neoliberalen Denkens ermöglicht, der seit den 1980er-Jahren alle bürgerlichen Regierungen ergriffen hatte. Dem Bürger bot sich eine Politik an, die von einer zur anderen Regierung quasi unverändert durchgezogen wurde. Unterscheiden, wer denn nun an den Schalthebeln der politischen Macht saß, konnte er nicht mehr.

Aus diesem politischen Mainstream auszubrechen, gelingt nur dem, der klare Position bezieht, sei es zu Fragen sozialer Gerechtigkeit oder zur Umverteilung des erwirtschafteten Reichtums, und zwar nicht nur im engen nationalen Rahmen.
Links/rechts – die Begriffe mögen verstaubt wirken, doch stehen sie nach wie vor für Werte und Visionen einer gesellschaftlichen Entwicklung. Mit einer linken Politik verbanden die Menschen stets Begriffe wie Fortschritt, auf individueller und gesellschaftlicher Ebene, Solidarität.

Diese mit neuem Inhalt zu füllen, und falls sich die Chance dazu ergibt, diesen auch umzusetzen, sollte die Aufgabe der „progressistischen Parteien“ sein, die sich in Rom trafen oder der neuen DiEM25 nahestehen. Ob diese Parteien nun rot oder rosa angestrichen sind, spielt keine Rolle. Sie müssen sich bloß klar und deutlich von jenen abheben, die Europa im Ist-Zustand belassen wollen oder sogar in Zeiten gefährlicher Kleinstaaterei zurückdrängen möchten.