Bock und Gärtner

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Von Experten und anderen Entscheidern

Der Chef der Luxemburger Finanzaufsicht, Claude Marx, steht seit vergangener Woche erneut unter Druck – seitdem die Süddeutsche Zeitung anhand von Dokumenten aus den sogenannten Panama Papers die Implikationen des CSSF-Direktors im Offshore-Geschäft offenlegte. Er selbst soll als früherer Mitarbeiter einer Bank nicht an Offshore-Gesellschaften beteiligt gewesen sein. Als Vermittler solch anrüchiger, aber damals durchaus legaler Geschäfte zur Vermögensverschleierung und damit Steuerhinterziehung steckt er dennoch mittendrin im Skandal.

Dass Marx als HSBC-Mitarbeiter im Offshore-Geschäft aktiv war, war bereits vor fast einem Jahr aus einem Artikel im belgischen Le Soir bekannt geworden. Wie die SZ war Le Soir als Mitglied des Journalistenkonsortiums ICIJ an der Aufarbeitung der Panama Papers beteiligt. Aus dem rezenten SZ-Beitrag geht hervor, dass Marx mit der spezialisierten Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Kontakt stand und über sie Kunden zu Offshore-Firmen verhalf. All das hatte Marx noch vor einem Jahr verneint, unter anderem in einem Interview für das Lëtzebuerger Land.

Vergangene Woche ließ Marx via Kommuniqué dementieren, dass er „je Verwaltungsratsmitglied oder Teilhaber von einer durch Mossack Fonseca gegründeten oder verwalteten Gesellschaft gewesen wäre“. Seine Beziehungen zu Mossack Fonseca seien ausschließlich beruflicher Natur und marktüblich gewesen. Er habe ausschließlich als ein Zeichnungsberechtigter der HSBC gehandelt.

Die Affäre Marx wirft Fragen prinzipieller Natur auf: über den Wechsel von einflussreichen Personen aus der Finanzwelt oder großer Anwaltskanzleien in die Politik und umgekehrt. Denn der Fall Marx mag ein besonders aufschlussreicher sein, ein Einzelfall ist er keineswegs.

In Luxemburg schafft es ein Geschäftsanwalt, dessen Name im Zusammenhang mit den Panama Papers auftaucht, zum Staatssekretär, verweigert dann die Zusammenarbeit mit dem parlamentarischen Ermittlungsausschuss Panama Papers. Businessanwälte werden ins Parlament gewählt und verabschieden Gesetzentwürfe zur Regulierung derselben Finanz- und Geschäftswelt. Von Gewissenskonflikten keine Spur. Rezentester Fall von derlei Drehtür-Effekt Wirtschaft/Politik: die Ernennung eines Steuerberaters „einer bedeutenden Bank“ in Luxemburg, so das Kommuniqué, zum Direktor der Steuerabteilung im Finanzministerium.

Der Vorwurf gegen CSSF-Chef Marx, ausgerechnet ein Insider des Systems sei nun beauftragt, die Geschäfte mit Offshore-Firmen hiesiger Banken zu überprüfen, ist berechtigt. Doch was ist das schon verglichen mit großen Vorbildern im Ausland? Musste EZB-Chef Mario Draghi jemals um seinen Job als Retter des Euro während der Finanz- und Griechenland-Krise bangen, obwohl er zuvor Europa-Vizepräsident der Investmentbank-Firma Goldman Sachs war, mitverantwortlich für beide Krisen?

Regierungen greifen seit jeher auf Expertisen aus der Privatwirtschaft in Form von Studien und Audits zurück. Verwerflich ist das nicht, wenn die Politik ihre Entscheidungen anschließend in voller Sachkenntnis trifft und sie sich nicht von Interessengruppen, die sich oftmals hinter Beraterfirmen verstecken, missbrauchen lässt.
Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft auf staatliche Posten mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen sollten jedoch zuvor auf Herz und Nieren geprüft werden. Damit der Bock nicht zum Gärtner gemacht wird.