Orwell hat sich geirrt

Orwell hat sich geirrt

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In seinem Editorial geht Claude Molinaro auf die öffentliche Zugänglichkeit von "privaten" Daten ein.

Heute vor 140 Jahren wurde in Connecticut das weltweit erste Fernspruch-Vermittlungsamt in Betrieb genommen. Die Neuerung wird allgemein als wichtiger Schritt bei der Verbreitung des Mediums Telefon angesehen. Ob das stimmt oder nicht, soll nicht das Thema sein, aber mit dem neuen Beruf des Telefonisten (später vor allem Telefonistinnen) war eine weitere Möglichkeit zur Überwachung der Privatsphäre geboren. Bis zum großen Lauschangriff sollte es zwar noch einige Jahrzehnte dauern, doch auch das „Fräulein vom Amt“ konnte ganz ungestört Privates mithören und, wer weiß, vielleicht auch Informationen verkaufen.

Vielleicht wurde das Abhören gleich mit dem Telefon miterfunden, man kann sich jedoch denken, dass jedes neue Kommunikationsmittel auch jedem erdenklichen Sicherheitsdienst neue Möglichkeiten bietet. Es gibt natürlich Gesetze, die unser Privatleben und unsere persönliche Daten schützen, doch es sei erlaubt, die Effizienz solcher gesetzlichen Garantien infrage zu stellen.

Die Geburt des Internets bedeutete nicht nur einen Quantensprung für die zwischenmenschliche Kommunikation, sondern eröffnete auch den Schnüffeldiensten ungeahnte Möglichkeiten. Galt George Orwells Werk „1984“ als dystopischer Roman, kann man ihn heute fast als historisch bezeichnen. Es ist nicht die Überwachung aller durch wenige eingetreten, sondern die Überwachung aller durch alle, eine Demokratisierung der Überwachung. Durch „Posts“ in den sozialen Medien kann man zugleich zum Überwacher und Überwachten werden. Was nützen einem angesichts der Möglichkeiten des Netzes die individuellen Rechte? Dank des Internets hat sich auch die Arbeit der staatlichen Sicherheitsdienste extrem vereinfacht. Viele Informationen, die früher auf geheimdienstlichem Weg beschafft werden mussten, liegen heute offen im Internet. Und es wird damit auch noch Geld verdient. „Big Data“ wird als Öl des Internets bezeichnet. Und das Allerbeste ist, dass wir unsere persönlichen Daten, die wir ja im Prinzip geschützt haben wollen, freiwillig abgeben. Ein Beispiel: Jedes Kaufhaus bietet Kundenkarten an, durch die jeder Einkauf und somit unsere Lebensweise registriert wird. Als „Gegenleistung“ für unsere Daten erhalten wir Messer und Teller.
Nicht nur verhökern wir unsere Daten aufs Billigste, sondern wir holen uns noch zusätzlich Schnüffler freiwillig ins Haus. Einige Fachleute raten z.B., die Kameras auf den PCs zu überkleben, will man nicht ausspioniert werden, und zu was Smart-TVs alles imstande sind, darüber kann man nur spekulieren.

Ende des 19. Jahrhunderts verdrängten die „Fräuleins vom Amt“ die Männer aus dem Beruf der Telefonisten, weil ihre höhere Stimmlage bei den Telefonen der Zeit verständlicher war. (Ob das der einzige Grund war?) Vielleicht ist es nur Zufall, dass sich viele ein Gerät mit Frauenstimme in die Stube stellen, das Aufgaben wie „Heizung anmachen“ oder „Einkaufslisten erstellen“ per Sprachbefehl ausführt. Als „eine neue Art, integrierte Geräte zu benutzen“ wird das Ding angepriesen. Eher eine neue Art, uns zu ver*****en. Orwell hat sich geirrt: „Big Brother“ ist kein Mann, sondern eine Frau namens Alexa.

GuyT
7. Februar 2018 - 11.40

Guter Artikel der zeigt wo der Weg hinführt! Ich errinnere mich noch mit Erstaunen an die in Deutschland geführt Diskussion in den 80- Jahren um die Volkszählung wo um jedes Quäntchen Information gefeilscht wurde und monatelang im Spiegel & Co diskutiert wurde mit teils krassen Demos. Der heutigen Gesellschaft scheint diese lückenloses Absaugen aller Privatinformationen total egal zu sein!

Gérard
26. Januar 2018 - 18.27

ALEXA ??? wien ass dat ????? Ah ok...... Pfffffffffff ..... Meng Noopesch ass schlëmmer, an jalous, dofir kënnt d'ALEXA net an d'Haus.....

DanV
26. Januar 2018 - 10.43

@ Etienne Zu wissen, wo jemand ist, heisst ja noch lange nicht, zu wissen, was jemand sagt/tut. Aber dass Alexa im Alter tatsächlich helfen kann, das macht Sinn. Gute Idee! @ Luc :-))

Luc
26. Januar 2018 - 8.55

Abgehört werden können wir ja alle ohnehin ohne es zu wissen, sei es über das Mikrofon im Handy, im PC oder im Tablet. Ob man einen Amazon Echo, Google Home oder Apple HomePod hat, ändert an dieser Sachlage nichts. Alexa hat aber 7 Fernfeldmikrofone mit ausgeklügelter Software. So kann man wenigstens sicherstellen, dass uns die Geheimdienste auch gut verstehen und es nicht zu Missverständnissen wegen der Übertragungsqualität kommt.

Etienne
25. Januar 2018 - 18.24

"Es ist erschreckend, dass Alexa sich überhaupt verkauft. Denn wer würde sich schon bewusst ein Mikro ins Wohnzimmer stellen, damit Aussenstehende mithören können – oder die eigenen Gespräche aufgenommen werden können. " Komisch. Hierzulande hat jeder so ein Gerät oder sogar manchmal 2 in der Tasche den ganzen Tag über. Ist doch praktisch, wenn man vom Navigator um die -staus herum dirigiert wird und jederzeit bei Google Traffic sieht wo's klemmt, da geht nur weil alle ihre Location teilen. Meine Oma findet Alexa Klasse, sie sieht nicht mehr gut und Alexa liest ihr die Nachrichten und das Wetter vor, sowie Bücher und andere interessante Sachen. Auch Waschpulver und Andere schwere Sachen bestellt sie damit und bekommt sie auf die Terrasse geliefert.

DanV
25. Januar 2018 - 12.02

Ich glaube nicht, dass Orwell sich geirrt hat. Hinter dieser Frau steht ein starker Mann. Und dieser Mann heisst Jeff Besos. Es ist erschreckend, dass Alexa sich überhaupt verkauft. Denn wer würde sich schon bewusst ein Mikro ins Wohnzimmer stellen, damit Aussenstehende mithören können - oder die eigenen Gespräche aufgenommen werden können. Aber Alexa kann mithören, aufnehmen und soger weitersenden - und macht das, aber es scheint die meisten nicht zu stören.

CESHA
25. Januar 2018 - 8.55

Das Ding hat einen Netzstecker, den man rausziehen kann, wenn es nicht benötigt wird. Wer sich unbedingt zwischendurch einen Witz erzählen lassen möchte oder sich den Wetterbericht vorlesen lassen will, ist selber schuld.