Opfer für den Moloch

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In unserem Editorial fragt sich Francis Wagner: Wem gehört der öffentliche Raum?

Der Straßenverkehr hat also, wie der Spiegel in seiner aktuellen Nummer meldet, seit 1950 alleine in Deutschland 750.000 Todesopfer gefordert. Eine Dreiviertelmillion ausgelöschte Menschenleben, das entspricht im Mittel einer Opferzahl von 3,7-mal 9/11. Pro Jahr.
Während die Attacken auf die New Yorker Twin Towers und das Pentagon aber als Einschnitt in der Geschichte des Westens gelten und „nichts mehr ist, wie es vorher war“, wird das Sterben auf den Straßen von vielen Zeitgenossen mit geradezu boviner Gleichmütigkeit als irgendwie gottgegeben hingenommen.

Was schon im Ausdruck „Todesopfer fordern“ deutlich wird: Im Gegenzug dazu, dass wir à gogo Auto fahren dürfen, wie und wann es uns gerade gefällt, müssen halt dem Moloch Straßenverkehr tagaus, tagein eine gewisse Anzahl an Opfern dargebracht werden. Bekäme er sie nämlich nicht, würde uns der Moloch zürnen und er würde zur Strafe unsere Karossen, die für viele das Liebste und Teuerste überhaupt sind, das sie auf Erden besitzen, über Nacht dematerialisieren. Und weg wären sie. Womit vermutlich ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung auf einen Schlag einer zentralen Säule seines Lebenssinnes verlustig gehen würde.

Nun sind sicherlich die Straßen im Laufe der Jahrzehnte deutlich sicherer geworden. Doch sind die aktuellen Opferzahlen immer noch schrecklich genug, vor allem weil man bedenken muss, dass die Hinterbliebenen und die oft schwerbehinderten Überlebenden mit ihrem Leid und ihren Schmerzen der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zum größten Teil entzogen sind. Man konnte diesen Fatalismus gegenüber dem Blutzoll im Straßenverkehr übers Wochenende einmal mehr erleben: Während die einen in ihrer Wut über das Verbot von Silvesterfeuerwerken in Internetforen ihren letzten kläglichen Rest an Erziehung einbüßten und die anderen sich über eine banale Panne einer Tram geifernd das Maul zerrissen, wurde die Tatsache, dass innerhalb weniger Tage auf unseren Straßen zwei Fußgänger getötet und fünf verletzt wurden, von vielen mit zynischem Schulterzucken hingenommen.

Einer unserer Leser forderte sogar, dass Fußgänger künftig kein Vorrecht am Zebrastreifen mehr genießen sollten, sondern sich erst die Genehmigung der Autofahrer zu erbetteln hätten, bevor sie die Straße queren dürfen. Nun ist diese Idee zugegebenermaßen sogar für die Verhältnisse auf Facebook ziemlich beknackt, und doch zeigt sie, wie so manche Autofahrer sich unverändert als die absoluten Herren über den von den Straßen umfassten öffentlichen Lebensraum verstehen, denen sich alles, was dort sonst noch so kreucht und fleucht, untertänigst zu fügen hat.

Es ist dies eine archaische Mentalität, die einen betrüblichen Mangel an Zivilisiertheit verrät. Welche aber die Zustände auf unseren Straßen und deren schreckliche Konsequenzen zu einem großen Teil erklärt.

marc wollwert
20. Dezember 2017 - 23.29

fuenf fussgaenger in einer nacht angestossen.auf ein "normales" land wie deutschland hochgerechnet waeren das ca.850 angestossene fussgaenger in einer nacht.dafuer gibt es nur eine moegliche bezeichnung:totaler krimineller wahnsinn.und leider sind nun drastischste massnahmen noetig um der desastroesen mentalitaet der luxemburger autofahrer beizukommen.wenn man als fussgaenger an einem zebrastreifen steht und gnaedigst darauf wartet bis vielleicht jemand anhaelt und dann ansehen muss wie ein halbes dutzend autofahrer mit dem handy in der hand vorbeibrettert ohne die geringste notiz zu nehmen erkennt man dass da alles falsch laeuft .sowas sieht man inzwischen im nahen ausland nicht mehr.es gibt viel zu tun lieber gesetzgeber.packen sie's an!

Koneczny
20. Dezember 2017 - 18.00

.... doivent s’arrêter lorsqu’un piéton ou un cycliste marque son intention de s’engager ... Genau do ass de Ennerscheed..... se mussen weisen, dass se op den "Zebrasträifen" wëllen. Den "Tunnelbleck beim Handykukken" oder "riwwerlaafen" oder "sech ëmdreien an riwwerlaafen ( wéi ons Dämecher et gären maachen) ginn net duer. Si hunn e VirRecht ënner gëwëssen Konditiounen. Et geet jo virun allem ëm d'Respekteiren an respektéiert ginn. Ech geheieren awer elo net zu den Automobilisten déi dat net respektéieren. virun 35 Joer haat ech zu Dikkrech baal een ugestouss, an passen säitdem op. An elo ëppes wou net onbedengt héi muss stoen herno. Wann dir op Räichel fuert, op d'Bréck, oder déi Kräizung béi der Hostellerie... oder op Réiden ( verschidden Plaatzen ) oder Uewerpallen oder Närden... do gesidd dir Schëlder déi den Zebrasträifen vill mei grouss uweisen an reflekteirend sinn. Déi sinn vun mir an "mengen" Aarbechter vum PCh esou gesaat ginn. Firdrun stoungen do esou kleng, nët reflekteirend a verblatzten Schëlder. Eigentlech dierf ech an enger Uertschaft keng Schëlder er-setzen (loosen) dat ass un de Gemengen selwer. Gemeet hunn ech et aawer, fir dass den Foussgänger (also mir all) et bessen méi secher hunn. Dir kënnt dat awer gären mol zuengem Thema maachen am Tageblatt "firwaat an 90% vun de Gemengen esou kleng Schëlder stinn an ob déi grouss net vill besser wieren". Also, den läschten Ofsatz wgl. NET publizéieren, ech erklären Iech gären op Ufroo firwaat. Meng Mailadress kennt dir jo.

Francis Wagner
20. Dezember 2017 - 15.12

Herr Koneczny, Der von ihnen zitierte Artikel des Code de la Route besagt lediglich, dass niemand das Vorrecht, über das er verfügt, erzwingen darf. Und damit sich und andere in Gefahr bringt. Er besagt keinesfalls, dass Fußgänger an Zebrastreifen keine Priorität hätten. Auch Autofahrer dürfen, insbesondere im Falle der Rechtsvorfahrt, ihre Priorität - auf die Gefahr hin, einen Unfall zu provozieren - keinesfalls erzwingen. (Règl.g.-d.du 19 mars 2008) «Tout usager qui s’engage sur la voie publique ou passe d’une partie de la voie publique à une autre, doit prendre toutes précautions (…) pour éviter tout accident.» Wenn von links jemand heranbrettert, der erkennbar nicht die Absicht und/oder die Möglichkeit hat, anzuhalten, dann hat der Inhaber des Vorfahrtsrechtes auf dasselbe zu verzichten. Das ändert aber kein Jota daran, dass die Rechtsvorfahrt das grundlegende Vorfahrtsprinzip in unserem Straßenverkehr ist. Und zwar an sämtlichen Orten, wo weder Schilder noch Ampeln (oder Polizeibeamte) die Vorfahrt anderweitig regeln. Für den Rest und zu Ihrer gefälligen Erleuchtung erhält der Code u.a. folgende Ausführung: « Art. 142. 1. (…) Aux passages pour piétons et aux passages pour piétons et cyclistes où la circulation n’est pas réglée par des agents ou par des signaux colorés lumineux, les conducteurs doivent s’arrêter lorsqu’un piéton ou un cycliste marque son intention de s’engager sur le passage ou qu’il y est engagé. » Zuwiderhandlungen sind mit 145 Euro und 2 Punkten strafbewehrt. Damit dürfte das Vorrecht der Fußgänger eindeutig festgestellt sein.

Jeannosch
20. Dezember 2017 - 14.26

Endlich Herr Wagner finden wir beide doch noch Gemeinsamkeiten. Kann ich Ihrem Artikel zustimmen, würde ich noch weiter gehen und behaupten der Mangel an Zivilisiertheit im zwischenmenschlichem Umgang unserer Gesellschaft ist zur Normalität geworden.An die Adresse von Herrn Koneczny , soweit ich mich erinnern kann, lehrt der Code de la route auch, der Fußgänger, als schwächstes Glied im Straßenverkehr immer Vorrecht hat und das sollte auch so bleiben.

J.C. KEMP
20. Dezember 2017 - 13.38

Es ist so eine Sache mit den Rechten, es gibt auch Pflichten, was viele anscheinend nicht wissen. Als Kinder haben Eltern und Lehrer uns gelehrt, vor dem Überqueren einer Strasse zuerst nach links, dann nach rechts und noch einmal nach links zu sehen. Das EHE man den Fuss auf die Strasse setzte. Natürlich hatten wir keine Mobiltelephone!

Koneczny
20. Dezember 2017 - 13.09

Här Wagner.... Code de la route: Artikel 162 :10° Aux passages pour piétons et aux passages pour piétons et cyclistes où la circulation n’est pas réglée par des signaux colorés lumineux, ils ne doivent s’engager sur le passage qu’avec prudence et en tenant compte de la distance et de la vitesse des véhicules qui s’en approchent.» 4° Ils ne doivent s’engager sur la chaussée qu’après s’être assurés qu’ils peuvent le faire sans danger et sans gêner les autres usagers. Si hunn keen Virrecht....

Realist
20. Dezember 2017 - 10.53

Endlich blitzt in dieser Diskussion mal Verstand auf. Genau so sehen es inzwischen viele, und nicht nur Autofahrer. Jedesmal wenn ich am Steuer eine Person mit typischem Tunnelblick aufs Handy auch nur in mittelbarer Nähe eines Fussgängerstreifens bemerke, verhärten sich bei mir schon die Bauchmuskeln. Es ist genau wie Sie sagen: Sein "elementares Menschenrecht" auf freies Benutzen des Zebrastreifens inkl. Vollbremsungspflicht für Autos kennt heute jedes Kind. Aber dass man auch als Fussgänger vor dem Überqueren nach rechts und links schauen muss und wenn möglich erst Blickkontakt mit dem Fahrer eines nahenden Wagens suchen sollte, wird geflissentlich ignoriert. Viele Autos heutzutage haben ja schon automatische Antikolisionssysteme, also was soll's...

Jemp
20. Dezember 2017 - 10.05

Das Vorrecht der Fussgänger am Zebrastreifen bewirkt, dass viele Leute noch in die Strasse laufen, wenn das Auto schon sehr nahe ist und kaum noch bremsen kann. Andere schauen sich erst gar nicht mehr um, weil sie gerade am Handy fummeln und ja sowieso ein Vorrecht am Zebrastreifen haben. Viele Jogger bleiben auch nicht gerade gerne stehen. Einige Kinder, denen man dieses Vorrecht bewusst gemacht hat, machen sich einen Spass daraus, gefährliche Vollbremsungen zu provozieren, andere sind einfach noch zu klein, um die Geschwindigkeit und die Entfernung eines Wagens richtig einzuschätzen. Sie kennen aber ihr Vorrecht. Das hat alles nichts mit einer "archaischen Mentalität" oder "Unzivilisiertheit" der Autofahrer zu tun, sondern dieses Vorrecht provoziert ganz einfach gefährliches, oder sogar idiotisches Verhalten, seitens vieler Fussgänger. Deshalb ist dieses Vorrecht ein "beknacktes" Gesetz, und nicht die Idee, es abzuschaffen. Ausserdem wurde es auch deshalb geschaffen, damit nicht die Krankenkasse, sondern die Autoversicherung des Fahrers bei einem Unfall einspringt, weil er nun praktisch immer der Schuldige ist, egal wie unvorsichtig der Fussgänger war.