Nachbarn im Chaos: Libyen ist ein Pulverfass und Europa findet keine Lösung

Nachbarn im Chaos: Libyen ist ein Pulverfass und Europa findet keine Lösung
Er steht auf verlorenem Posten: Der libysche Premierminister Fayiz as-Sarradsch

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Alle wollen glauben machen, dass Wahlen den Wüstenstaat beruhigen können. Dabei spricht die Situation vor Ort eine andere Sprache, schreibt Armand Back in seinem Editorial.

Ein Rechtsruck war das in Schweden nicht. Dass die Sozialdemokraten nach Jahren des Migrationsdrucks auf knapp 30 Prozent kommen, kann mit Blick auf die Europawahlen im kommenden Jahr jenen Hoffnung geben, die für die Staatengemeinschaft und ihre Werte eintreten.

Doch Europa wird sich nie von seiner Nachbarschaft abkapseln können, Geografie lässt so etwas nicht zu. Menschen werden weiter versuchen, in der EU ein besseres Leben zu finden. Das ist einerseits Beleg dafür, welch begehrenswerte Region wir bewohnen. Ein Ergebnis der Stabilität, die wiederum auf der Solidarität untereinander fußt. Das ist aber auch ein eindeutiges Zeichen für das Chaos, das in Europas direkter Nachbarschaft herrscht – und an dem wir selber beteiligt sind.

In Syrien wird noch immer gebombt, eine Lösung, was nach den Bomben kommen soll, hat niemand parat. Die Situation im Irak ist weiter von besorgniserregender Unklarheit geprägt. Jordanien und der Libanon ächzen mehr denn je unter den Anstrengungen, die es diese wirtschaftlich schwachen und politisch angespannten Länder kostet, Millionen geflüchtete Syrer zu versorgen und darüber die eigene Bevölkerung nicht zu vergessen. Die Palästinenser waren kaum jemals in einer auswegloseren Lage. Vor einer Woche haben die USA angekündigt, Zahlungen für das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge einzustellen, das sich um rund fünf Millionen Menschen kümmert.

Als wenn das alles nicht genug wäre, droht in Libyen auch der letzte Schimmer einer staatlichen Ordnung zu verglühen. Zurzeit toben in der Hauptstadt Tripolis die schwersten Kämpfe seit 2014. Dabei beschießen sich eigentlich verbündete Milizen der Einheitsregierung von Ministerpräsident Fayiz as-Sarradsch. Das ist der Mann, auf den der Westen setzt und dessen eigentlicher Gegenspieler Chalifa Haftar den Osten des Landes kontrolliert. Libyen ist knappe acht Jahre nach dem NATO-gestützten Sturz Gaddafis ein Land, das nahe an dem ist, was als Failed State bezeichnet wird. Libyen ist reich an Öl und bevorzugter Rückzugsort für aus dem Irak und Syrien vertriebene IS-Kämpfer. Zwei Faktoren, die es sehr unrealistisch machen, dass eine völlige Implosion des Wüstenstaates an den Landesgrenzen haltmachen wird. Dazu bietet das libysche Chaos der Schlepperindustrie beste Rahmenbedingungen für ihr Gewerbe, das vielen in Europa so schwer zu schaffen macht. Diesem Land hat der Westen für den Dezember Wahlen verordnet. Was erst einmal gut, da demokratisch klingen mag, entpuppt sich beim näheren Hinschauen als scheindemokratische Blendgranate nach dem Motto Libyen wählt, also ist alles o.k.

Was uns zurück über das Mittelmeer führt. Die Europäer treten nach außen hin zwar geschlossen in der Libyen-Frage auf, indem sie dem auf verlorenem Posten stehenden Sarradsch den Rücken stärken. Gleichzeitig unterstützen Frankreich und Italien miteinander rivalisierende Milizen. Paris stellt sich hinter Haftar im Osten, während Italien verdeckt militärisch im Westen agiert. Es geht dabei um Öl und um Uran (im Norden des angrenzenden Niger). Wirtschaftliche Interessen einzelner EU-Staaten stehen demnach weiterhin über dem Allgemeinwohl des Staatenbündnisses – egal, wie dramatisch die Situation vor Ort und die langfristigen Folgen auch für Europa sein mögen. Denn ohne Ruhe bei unseren Nachbarn wird auch keine Ruhe in Europa einkehren. Und so könnte der Rechtsruck in Schweden auch nur aufgeschoben sein.

Een den keng Tomaten op den Aen huet
11. September 2018 - 8.32

Sie haben sehr deutlich die Auswirkungen der Regimechange Politik des Westens beschrieben. Das einzige was in ihrem Artikel fehlt, ist mit dem Finger auf die verantwortlichen Politiker des Westens zu zeigen, die dieses Chaos angerichtet haben. Sie sprachen auch nicht von den hunderttausenden von Toten, millionen Verletzter und entwurzelten Menschen so wie die totale Zerstörung der Infrastrukturen die dort angerichtet wurden! Vor diesen Kriegsverbrechen gab es sehr viel weniger Flüchtlinge in Europa, von Flüchtlingswellen gar nicht zu reden! All dies sind Kriegsverbrechen die der hiesigen Bevölkerung als Befreiungsschläge gegen Diktatoren verkauft wurden. In Wirklichkeit aber die Kontrolle des Erdöls und anderen Bodenschätzen zum Ziel hatten.