Mort aux cons: Über Theater, Dummheit und das digitale Zeitalter

Mort aux cons: Über Theater, Dummheit und das digitale Zeitalter

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Die Zeichen stehen auf Notstand. Zum ersten Mal seit Gedenken – zum ersten Mal, seit eine solche Statistik geführt wird, sollte man präzisieren – geht der Durchschnittsintelligenzquotient der Menschheit zurück. Schuld seien vor allem die sogenannten Digital Natives. Der Lernprozess, der es Kindern erlaube, Gegenstände oder Farben wiederzuerkennen, soll in seiner Transposition auf Computerbildschirme oder Tablets nicht so recht funktionieren. Wissenschaftler streiten sich nun darüber, ob das Medium selbst schuld ist – die virtuelle Distanz des Schirms würde zum kognitiven Hindernis, weil das Kind eben kein reales Objekt in der Hand hält – oder die Art, wie wir die neuen Medien einsetzen.

Dieses apokalyptische Niedergangs-Lamento ist keineswegs neu – bereits im 17. Jahrhundert prophezeiten Denker und Schriftsteller den intellektuellen Untergang der folgenden Generationen, technische Entwicklungen werden seit jeher mit Skepsis verfolgt. Betrachtet man die Nachrichten, die einen über Facebook-Gruppen manchmal erreichen, fühlt man sich aufgrund der Überschwemmung mit Emojis unweigerlich in eine Kita versetzt; irgendwie erinnert mich die heutige Kommunikationsart an die Klausuren, die mein damaliger Mathe-Lehrer uns zurückgab und auf denen sich seine Tochter stets mit bunten Stiften ausgetobt hatte – nur tragen wir selbst Schuld an einer solchen Infantilisierung bzw. lassen wir uns von dem Wust an verfügbaren Piktogrammen zu einer plakativen Symbolik verführen. Eine Laune, ein seelischer Zustand wird durch ein Ikon dargestellt, abgekürzt oder unterstrichen.

Fakt ist auch, dass die Aufmerksamkeitsspanne vor einem Bildschirm deutlich kürzer ist. Man liest einen Zeitungsartikel anders, wenn man ihn auf einem Handy durchscrollt – man kann den Artikel nicht auf einen Blick erfassen, weswegen Textstruktur, Aufbau und Verweise sich nicht so schnell auftun. Und ständig wird man von plötzlich auftauchenden Nachrichten abgelenkt. Multitasking wird zur Norm, tiefgründiges Denken und Analysen werden vernachlässigt. Wer diese Gedanken äußert, wird schnell als „vieux con“ abgestempelt. Dabei ist es wichtig, zu erforschen, wo wir noch Enklaven finden, in denen es möglich ist, sich auf eine einzige Aktivität zu konzentrieren.

Das diesjährige Motto des Kasemattentheaters lautet folgerichtig und etwas plakativ „Mort aux cons“, das Theater will dem Verdummungsprozess etwas entgegensetzen. Im Theater steht die Bühne weiterhin im Mittelpunkt, wir vertiefen uns in eine dargestellte Lebenserfahrung, Push-Nachrichten und Facebook sind für ein paar Stunden verbannt. Wie das Theater aber genau den intellektuellen Niedergang bremsen will, bleibt ungewiss – denn solche Projekte werden oft vor Menschengruppen ausgetragen, die bereits eingefleischte Theatergänger sind.

Bildungsarbeit muss vor allem in den Schulen geleistet werden. Es gilt, die Kinder und Jugendlichen verstärkt ins Theater zu bringen – oder eben das Theater in die Schulen. Eine Plattform wie Kulturama – auf der der Künstler ein Profil erstellt und das Lehrpersonal die entsprechenden Künstler für Schulbesuche oder -projekte rekrutiert – ist ein Schritt in die richtige Richtung. Carole Lorangs Projekt, das Escher Theater einem breiteren Publikum zu öffnen, auch. Weiter ist es wichtig, dass das Theater die gesellschaftlichen und digitalen Entwicklungen nicht verpasst oder pauschal verurteilt und sich im Gegenzug nicht nur inhaltlich (wie in Guy Helmingers „Jockey“), sondern auch formal mit dem digitalen Zeitalter kritisch auseinandersetzt – denn nur so fühlt sich der Digital Native vielleicht wieder angesprochen.

trotinette josy
28. September 2019 - 14.22

Trotz diesen Hilfsmitteln resp. vermeintlichem Fortschritt oder gerade deswegen ist unsere Gesellschaft im Begriff zu verdummen. Wir sind auf dem besten Weg zu einer ferngesteuerten " société des cons " zu mutieren. Selbstgemachte und selbst verschuldete Verblödung!

GuyT
24. September 2019 - 16.25

Ausgezeichneter Artikel der sich wohltuend abhebt von der Digitalisierungsverherrlichung (Neu sprech Hype) abhebt. Auch ein Gespräch mit den hiesigen Tageblattkollegen wèrde nützlich sein um den Mehrwert der IPAD Klassen und Co sachlich zu hinterfragen.

Jacques Zeyen
19. September 2019 - 9.29

"...keng Reegelen méi erklären,déi mir selwer net verstinn..." ( Serge Thonnar ) Wat ass eng Bibliothéik? Wou steet dat? Doriwwer muss ech mol nodenken. Ech schreiwen dat Wuert mat der Hand,dann verhalen ech et besser...Ech lauschteren wéi dat Wuert ausgeschwat gëtt,well Sproch ass wéi eng Melodie...etc.etc. No 20 Joer Reformen (Trio infernal- Schoeppges,Brassens an Delvaux ) an lo och nach Wikipedia kann een net soen dass mir besser do stinn. Dobäi nach Verblödungs-TV an "Games" um Handy et allez hopp. In Deutschland werden nicht einmal mehr Verben konjugiert sondern einfach weggelassen. "Du mit Aldi?" Schöne Zeiten auf uns zu.

jeff
17. September 2019 - 12.26

Do muss ech Iech vollkommen Recht gin.Durch dei iwermässeg Uwendung vun Informatik get den Vordommungsprozess beschleunegt.Kanner verleieren den analyteschen Senn grad esou wei d'Improvisatioun.Si kre'en dat meescht ferdeg zerve'ert ouni richteg ze wessen wei elo dat Produkt zu stanen kennt (Programm).Wann elo dat alles eng Ke'er global en panne fällt fir eng länger Zeit,dann stinn se do wei den Ochs virum Bierg.An net nemmen d'Kanner,mais den Groussdeel vun den Erwuessenen dei net mei ouni hier blödsinneg Gadgeten eens gin.