Mehr als Unterhaltungsgüter? Über die Zukunft der hiesigen Kinos

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Das Sommerloch naht und im Kino werden wieder einige Sommer-Blockbuster anlaufen, um den Zuschauern mit Special Effects gespickte erzählerische Banalitäten anzubieten. Dabei fällt auf, dass das Kinepolis in seinen Sälen auf dem Kirchberg und Belval den Schwerpunkt auf die Projektion von trägen Fortsetzungen verlagert hat. Auf den Leinwänden flimmert die gefühlt 145. Superheldenverfilmung neben irgendeinem uninspirierten Streifen, der Disney-Lizenzen verbrät. Im Utopia ist die Programmierung zwar spannender, die interessanten Filme verschwinden allerdings schnell aus dem Programm.

So konnte man den schönen „In den Gängen“ wie auch den vielfach ausgezeichneten „Leto“ nur zwei bis drei Wochen in den luxemburgischen Kinos bestaunen – die Kinobetreiber geben diesen Filmen nicht mal mehr die Chance auf Erfolg, denn ein guter Film eines hierzulande weniger bekannten Regisseurs muss sich ja erst mal einen Namen machen, was nur über Besprechungen und Mundpropaganda funktionieren kann.

Auffallend ist, dass sich hier zwei Verständnisse von Kino und Kultur gegenüberstehen: Da, wo die Blockbuster hauptsächlich darauf aus sind, Ablenkung im Sinne von Blaise Pascal anzubieten, damit man den doofen Alltag vergisst, konfrontieren die eben erwähnten Filme mit politischen Fragen – die Verwestlichung der Sowjetunion durch den Einfluss angelsächsischer Rockmusik („Leto“) – oder sozialen Problematiken – der Alltag der ostdeutschen Unterschicht in einer Welt, die zwar die Solidarität der Arbeiterschicht, dafür aber nicht die Arbeiter abgeschafft hat („In den Gängen“).

Dass kulturelle Produkte maßgeblich dazu beitragen, dass man ein Bewusstsein für soziale Probleme erlangt, könnte man fast schon als Binsenwahrheit abtun – trotzdem ist wichtig zu unterstreichen, dass es die Vertreter des Neoliberalismus wohl arrangiert, wenn die Masse durch Filme bloß abgelenkt wird und Streifen über gesellschaftliche Missstände nur noch kurzzeitig im Lichtspielhaus ausgestrahlt werden.

Eingebettet ist dieses Phänomen in den großen Paradigmenwechsel, der die Sehgewohnheiten seit einigen Jahren überrumpelt hat. Durch die Streamingdienste und den damit verbundenen Erfolg von Mainstream-Serien gibt es eine eindeutige Vorherrschaft von Fiktionen, bei denen metaphorische Interpretationen zwar durchaus möglich sind (siehe die politischen Auslegungen zu „Game of Thrones“), die von vielen jedoch einseitig als Unterhaltungsgut verstanden werden. So hat bspw. die Serie „Bad Banks“ relativ schnell den gesellschaftskritischen Einblick in die Welt der Investmentbanker gegen einen Schwerpunkt auf spannenden Handlungsverlauf ausgetauscht.

Dazu kommt, dass Serien oft alleine konsumiert werden oder als Gesprächssubstitut für Pärchen (oder fürs Daten) stehen, wohingegen das Kino eine gemeinschaftliche Erfahrung ist, bei der allein der soziale Rahmen sowie die Größe der Leinwand eine ganz andere Aufmerksamkeitsspanne fordern. Die durchwegs ausgezeichnete Qualität der Filme, die dieses Jahr in Cannes liefen, zeigt, dass gutes Autorenkino mit politischem Hintergrund durchaus seine Legitimität hat – vielleicht müssten die hiesigen Kinos diese Möglichkeit des gemeinsamen Erfahrens durch Rahmenevents, die den Austausch nochmals fördern, verdeutlichen. Beginnen könnte man schon mal, indem man den Filmen die Chance gibt, die sie verdient haben, anstatt sie nach zwei Wochen bereits aus dem Programm zu streichen.