Juncker und die Risse

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Er kann es einfach nicht sein lassen. „Die Italiener müssen sich mehr um die armen Regionen Italiens kümmern. Das bedeutet mehr Arbeit, weniger Korruption, Ernsthaftigkeit“, so die Liebeserklärung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Den Zeitpunkt dieser Aussage als unglücklich zu bezeichnen, wäre eine maßlose Untertreibung. Und auch die Kernbotschaft spiegelt die zentralen Wesenszüge von Juncker und der oft dysfunktionalen Europäischen Union wider: Der Luxemburger äußert seine Meinung nur offen, wenn die betroffenen Politiker ihm nicht in den Kram passen. Denn Kritik an Schieflagen geht dem CSV-Politiker vor allem über die Lippen, wenn sie nicht mit Parteifreunden zu tun hat. Man denke hier nur an die ultranationalistischen Töne eines Viktor Orban, der oft verschont wird, weil er mit Juncker und seinesgleichen das parteipolitische Boot teilt.

Gäbe es keine Koalition der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und der rechten Lega, hätte sich Juncker diesen verbalen Kinnhaken sicherlich verkniffen. Denn Italien ist zumindest wirtschaftlich in einer mehr oder weniger stabilen Lage. Selbst die Einschätzungen des oft verhassten Internationalen Währungsfonds (IWF) gehen in diese Richtung. Wieso also gerade jetzt ein offenes Geheimnis im Falle Italiens ansprechen? Erinnert man sich an Juncker und die Griechenland-Krise, zeigen sich mögliche Anhaltspunkte. Denn der letzte Kommunist Luxemburgs hat in der griechischen Finanzkrise fast im Wochenrhythmus seine Position gewechselt. Mal musste er sich der Merkel’schen Härte beugen und die Griechen zu mehr Disziplin auffordern, mal zeigte er Mitgefühl und gab sich verständnisvoll. Doch eins konnte man in all dieser Zeit nicht erkennen: eine konkrete Vision für Griechenland und die Staaten Südeuropas. Denn der sonst eher gelassene EU-Kommissionspräsident reagierte damals wie heute impulsiv. Nun mag er mit seinem politischen Instinkt wohl recht haben, wenn er die aktuelle Regierung Italiens angeht und auf Missstände hinweist. Allerdings war es doch Juncker, der letztes Jahr mehrere Optionen für die EU aufgezeigt hatte. Eine davon war das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Leider zeigt sich heute, dass dies keine Option, sondern seit langem eine Realität ist, die Politiker wie Juncker mit Talent ignorieren. Denn die Idee der immer enger werdenden EU ist in weite Ferne gerückt.

2004 traten unter dem italienischen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi 14 neue Länder der Union bei. Viele dieser osteuropäischen Staaten können bis heute wirtschaftlich nicht mit Zentral- und Nordeuropa mithalten. Auch ihre Erfahrungen mit dem Kommunismus und ihr daraus resultierender Drang nach Eigenstaatlichkeit werden von Politikern wie Juncker kleingeredet. Souveränität und Migration führten zum toxischen Cocktail, der uns die hässlichen Debatten während der Flüchtlingskrise bescherte.

Und nicht zuletzt gehen die Risse eben auch von Norden nach Süden. Denn nach besagter Krise entdeckt die EU ein in der Zwischenzeit verdrängtes Problem: die Kluft zwischen Staaten wie Italien, Griechenland, Spanien und Portugal, die im direkten Kontrast zum Wirtschaftsmusterschüler Deutschland stehen. Juncker weiß nur allzu gut um diese Ungleichheiten innerhalb der Union. Allerdings helfen seine markigen Sprüche wenig, damit der Süden Schulden zum Beispiel verallgemeinern kann und Eurobonds wieder ein Thema werden. Sie spielen vielmehr Populisten wie M5S und Lega in die Karten, die auch das Resultat eines ungleichen Europas sind, das nicht zum Juncker’schen EU-Wunschkonzert passen will.

roger wohlfart
21. Juni 2018 - 16.49

Wer nimmt diesen EU Kommissionspräsidenten auf Abruf denn noch ernst, so wie der in der Öffentlichkeit auftritt?

Pierre Ravarin
3. Juni 2018 - 22.03

Hat da Doktor Fernet Branca etwa wieder zugeschlagen ??? :-0

René Charles
3. Juni 2018 - 12.43

@ Crack Expert: Wann een den horizontalen Rass ongeféier vu Cognac (F) Richtung Odessa leet, an dee vertikalen vun ongeféier Berlin bis Roma, da leien déi meescht Problemer a Geforen fir d' EU an deem Véirel deen riets ënnen entsteet.

Crack Expert
2. Juni 2018 - 19.36

Wenn die Risse von Nord nach Süd gehen teilt das Europa in eine Ost-und eine Westhälfte. Wenn es um die Unterschiede zwischen Nord und Süd geht müssten die Risse demnach eher von Ost nach West verlaufen.