Europa und Italien – mit Vollgas in Richtung Mauer

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Christian Muller über die Macht der Zahlen

In einer für die Euroländer sehr ungewöhnlichen Aktion hatte die EU-Kommission die italienische Regierung aufgefordert, ihre Haushaltspläne zu ändern. Die Brüsseler Behörde hatte keine andere Wahl. Hätte sie dem Entwurf zugestimmt, hätte sie jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

Dass sich das Land – finanzpolitisch – auf sehr dünnem Eis befindet, scheint in Italien jedoch kaum jemanden zu stören. An den Plänen der höheren Neuverschuldung wolle man nichts ändern, so Vize-Regierungschef Matteo Salvini gestern. Die Brüsseler Behörde könne so viele Briefe schicken, wie sie wolle, aber „Italiener stehen an erster Stelle“.

Und das Volk scheint hinter dieser Entscheidung zu stehen. Meinungsumfragen zufolge ist die Mehrheit der Italiener für mehr Neuverschuldung. Die Brüsseler Behörden hingegen sind unbeliebt. Nur in Frankreich, Großbritannien und Griechenland wird der EU noch mehr Misstrauen entgegengebracht.

Dabei ist die Lage angespannt. Schon heute hat das Land den höchsten Schuldenberg der Euroländer. Satte 2.263 Milliarden Euro waren es Ende letzten Jahres – am Anfang des Jahrzehnts lag er erst bei 1.843 Milliarden. Zum Vergleich: Deutschlands Schulden betragen „nur“ 2.092 Milliarden Euro.

Schon lange sind die Zinsen, die Italien zahlen muss, um sich frisches Geld zu leihen, wesentlich höher als für andere Staaten. Und mit jeder arroganten und selbstverherrlichenden Aussage steigen die Zinssätze weiter. Zudem haben Italiens Banken seit Jahren mit vielen faulen Krediten zu kämpfen und können sich eine Staatspleite wohl kaum leisten.

Wie es weitergeht, wird aber nicht nur in Brüssel entschieden. In den nächsten Tagen werden (mit S&P und Fitch) weitere Ratingagenturen das Land unter die Lupe nehmen. Moody’s bewertet Italien seit einigen Tagen mit nur noch einer Stufe über „Ramsch“. Damit riskieren die Zinszahlungen weiter zu klettern. Auch die EZB müsste irgendwann den Leitzins anheben. Doch eine Erhöhung der Zinskosten um 0,25 Prozent würde Italien in etwa zusätzliche 15 Millionen Euro Zinsen pro Tag kosten.

Alle Zahlen deuten somit in eine klare Richtung. Italiens Politiker müssten Vorsicht walten lassen. Stattdessen spielen sie mit dem Feuer. Sie gehen wohl davon aus, dass Italien im Zweifelsfall gerettet wird. Immerhin ist der Markt riesig und die Ansteckungsgefahr hoch.
So scheinen viele Luxemburger Investmentfonds italienische Staatsanleihen als gutes Investment zu sehen. Satte 88 Milliarden Euro haben die Fonds (Ende 2017) an Italien geliehen. Das sind 69,5 Prozent aller europäischen Staatsanleihen der Luxemburger Fonds.
Die Luxemburger Banken sind vorsichtiger. Saßen sie 2014 noch auf einem Volumen von neun Milliarden italienischer Staatsanleihen, so waren es 2015 noch acht Milliarden, 2016 sieben Milliarden und zum Ende 2017 war das Volumen auf unter fünf Milliarden geschrumpft.

Die Situation ist so komplex und undurchsichtig, da die Eurozone – auch nach der Griechenland-Krise – nicht alle notwendigen Reformen umgesetzt hat. Vor allem fehlt noch ein Insolvenzrecht für Staaten – also eine Vorgabe, die regelt, wie mit dem Fall einer Staatspleite umgegangen wird. Und auch die vorgesehenen Sanktionen – Geldstrafen für verschuldete Staaten – ergeben nicht viel Sinn.

Dass im Zweifelsfall eine Rettung kommen würde, ist aber nicht sicher. Laut den Verträgen ist es der Europäischen Zentralbank verboten, einzelne Länder zu retten. Möglich sei eine „Rettung“ demnach nur im Rahmen von neuen Rettungsprogrammen – verbunden mit einer harten Austeritätspolitik. Italiens Politiker pokern hoch.

tarzan
26. Oktober 2018 - 20.37

Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts.

roger wohlfart
26. Oktober 2018 - 12.11

Dazu gehöre ich nicht. Also bitte nicht verallgemeinern.

Cornichon
26. Oktober 2018 - 10.30

Bisher habe ich diesen Spruch nur von Reichen gehört: "Geld ist nicht alles im Leben. Du hast es doch gut, beschwer dich nicht."

roger wohlfart
26. Oktober 2018 - 9.50

Geld ist nicht alles auf der Welt und im Leben!

roger wohlfart
26. Oktober 2018 - 9.49

Und damit ist das Problem gelöst?

GuyT
26. Oktober 2018 - 8.49

Der Schuldenberg stammt nicht von der aktuellen Regierung. Bei der NEUverschuldungsrate liegt Italien unter der von Frankreich, also jenem Land in dem Moscovici jahrelang als Finanzminister locker und flockig die EU Kriterien brach ohne dass dem chronische Defizitsünder viel geschah. Italien wird massiv unter Druck gesetzt weil es die "falsche " Regierung hat. Man hetzt seine Bluthunde, die undurchsichtigen Ratingagenturen, auf Italien in der Hoffnung die aktuelle Regierung auszubremsen. Unter anderen politischen Vorzeichen würden man den Kurs gegen die Austeritätspolitik vielerorts anders beurteilen. Wichtig ist, dass der Wirtschaftwachstum auch bei den unteren Einkommen ankommt und nicht wie in Deutschland trotz guter Wirtschaftsdaten die Löhne niedrig bleiben. Uebrigens gibt es auch die sogenannten impliziten Staatsschulen(Schattenverschuldung): hier steht Luxemburg an zweitletzter Stelle in der EU mit stolzen 961 %!!!!

Le républicain
25. Oktober 2018 - 17.24

Es geht hier um eine Grundfrage: darf ein Land sich über ein bestimmtes Maß verschulden oder nicht, die Obergrenze, der Maastricht Kriterien in Sachen Staatsverschuldung, könnte man gegebenenfalls mal anzweifeln...aber Schulden um ein Land wieder auf Vordertrab zu bringen ist Keynesianische Politik und vertretbar,...also sollte man nicht jetzt Italien verteufeln...denn sowieso werden die Märkte mit dem Zinsaufschlags reagieern, d.h. die Staatsverschuldung wird einfach zu teuer werden für Italien..

d´Spuerbechs
25. Oktober 2018 - 16.52

Holt Euer Geld Nachhause

roger wohlfart
25. Oktober 2018 - 12.57

Ja, Herr Muller, genau so ist es. Mit Vollgas und offenen Augen in die Mauer. Jeder sieht es kommen, niemand tut etwas dagegen. Die Menschheit im allgemeinen ist auf dem besten Weg sich ihr eigenes Grab zu schaufeln. Und die Politiker sind gefordert, eine klare Sprache zu reden und sich nicht nur auf den wirtschaftlichen Wachstum und ihre Karriere zu konzentrieren. Es ist später als 5 vor 12! Allerdings, im Zeitalter der Digitalisierung, wird das kaum wahrgenommen, da zählen andere Werte, die sehr vergänglich sind.

MarcL
25. Oktober 2018 - 12.34

Nach America first, jetzt Italy first. Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Politik. Das europäische Haus bekommt immer mehr Risse. Sind wir noch zu retten ?

Grober J-P.
25. Oktober 2018 - 11.08

Sollen sie doch an die Mauer fahren, man hat so langsam Spaß zu sehen wie Europa gegen die Wand fährt, ein Italexit wäre doch schön, dann könnte man wieder mit Liren an der Riviera bezahlen, z.B. 100 Lire für eine Pizza, das könnte Italien aus der Misere helfen, 10000 neue Jobs! Nein alles gut, es ist zum Verzweifeln. Wo haben die "Europäer" ihr Hirn gelassen? Ein verkappter "Historiker" oder "Duce" führt die Gemeinschaft vor und viele jubeln, sind das alle Masochisten?