Die Stimme des Volkes

Die Stimme des Volkes

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Jeff Schinker über populistischen Humor – der vielleicht auch nur so tut, als sage er, was das Volk denkt.

Es hätte eine klassische schulische Abhandlung werden können. „Darf Satire alles?“, hätte ein uninspirierter Lehrer mit abbröckelnder Kreide an die Tafel geschrieben. Und man hätte Marc Schmit und Hoppen Théid als leichtes Gegenbeispiel nutzen können – ein kleiner rassistischer Joker für die Argumentreserve, ein frauenfeindlicher Trumpf aus dem rhetorischen Ärmel. So in etwa hatte man sich die Stippvisite unserer Kulturredaktion bei „Schmit happens“ vorgestellt. Nun war diese Show nicht nur offensichtlich viel frauenfeindlicher, homo- und xenophober, als der gute Geschmack es erlaubt, sondern die unterschwellige Botschaft dieses Spektakels wies zudem einige erschreckende Gemeinsamkeiten auf mit der rechtspopulistischen Rhetorik, die seit zu langer Zeit vom „Wee 2050“ verbreitet wird.

Intelligent eingesetzt, regt Humor zum Denken an. Er beschreibt die Absurdität der Welt, beleuchtet sie unter einem neuartigen Blickwinkel und lehrt uns, zu kritischen Querdenkern zu werden, die die Welt in ihrem teilweise von Politikern vorgedachten Konsens hinterfragen. Bei „Schmit happens“ hingegen wird jedes Klischee bedient. Hier kommt es nie zu einer kritischen Infragestellung – es wird nur pauschal behauptet. Das weiße, meist ältere Publikum kriegt lediglich Bestätigung: dass es in Luxemburg zu viele Ausländer, zu viele homosexuelle Politiker, zu viele dümmliche Frauen gibt. Der Humor von Marc Schmit will satirisch das Politikmilieu parodieren. Indem er aber stets behauptet, die „Stimme des Volkes“ zu sein, und seine Sprüche mit Xenophobie, Misogynie und Homophobie würzt, läuft der Humorist Gefahr, auf die Denk- und Argumentationsstrukturen zurückzugreifen, mit denen sich momentan auch „Wee 2050“ und ihre Anhängerschaft die Welt so reden, wie sie ihnen gefällt. Denn auch dort wird immer wieder auf politischen Underdog und Volksnähe gesetzt.

Was bewusst unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt wird, ist, dass weder Keups Rhetorik noch Schmits Humor wirklich die Stimme des Volkes tragen. Denn das luxemburgische Volk ist multikulturell, vielfältig – und definiert sich seit jeher durch Migrationsströme. Schmit und Keup sind die Stimme eines weißen, erzkonservativen Volkes – also eines Bruchteils unserer Bevölkerung –, das ernsthaft glaubt, man könne wissenschaftlich belegen, dass unsere Sprache am Schwinden wäre, weil man sie auf den Straßen kaum mehr höre.

Aufgrund solcher Argumente wurde die rezente TNS-Ilres-Studie um die luxemburgische Sprache vom rechtspopulistischen „Wee 2050“ widerlegt. Somit wurden Fakten mit Füßen getreten und sich sowohl Forschungsergebnissen widersetzt als auch Statistiken so lange fehlinterpretiert, bis sie bequemerweise genau das aussagen, was man belegen möchte. Mit seinem xenophoben Humor unterstützt Schmit, der mit der Päischtcroisière, auf der er ja auch auftrat, die Inkarnation des weißen Luxemburgs ist, latent eine solche Rhetorik.

Dabei ist Humor die einzige wirksame Waffe gegen die Tragik der menschlichen Existenz (angesichts unserer Sterblichkeit bleibt einem in der Tat nur das Lachen, das Weinen oder das Schweigen) und eine mögliche Kritik an der Absurdität der zeitgenössischen Politiklandschaft. Wer erfahren will, wie Humor gesellschaftskritischen Zwecken dienen kann, sollte Nico Helmingers „Kuerz Chronik vum Menn Malkowitsch sengen Deeg an der Loge“, das am kommenden Sonntag den Servais-Preis verliehen bekommt, lesen. Hier werden die Absurditäten der Konsumgesellschaft und einer fortschritts- und gewinnorientierten Arbeitswelt so lustig dargestellt, dass man nachher seinen Alltag ganz anders – kritischer – sieht.

DanV
17. Juni 2018 - 23.46

@ Jeff Schinker Merci fir di däitlech Wierder!

Eveline Konz
17. Juni 2018 - 15.09

All Respekt ! Pertinenten Kommentar !

Jankó
16. Juni 2018 - 23.51

De Kommentar trëfft de Nol op de Kapp! Bravo!

roger wohlfart
16. Juni 2018 - 18.42

Da liegen Welten zwischen Marc Schmit's Hoppen Théid und Nico Helmingers humorvollem Buch über die Absurditäten unserer Konsumgesellschaft. Ersterer versucht mit seinen billigen Witzen die Zuschauer zum Gröhlen zu bringen, was ihm bei deren Anspruchslosigkeit auch gelingt und letzter bringt die Leser durch seinen subtilen Humor zum Lächeln und zum Nachdenken. Vielleicht muss man bei Helminger zweimal hingucken um die Pointe zu verstehen, aber es lohnt sich . Humor ist besonders in der Zeit in der wir leben sehr wichtig . Nach Ludwig Börne ist Humor keine Gabe des Geistes, er ist eine Gabe des Herzens. Aber bitte trotzdem nicht vergessen das Gehirn einzuschalten, bevor man riskiert sich krumm zu lachen!

Mephisto
16. Juni 2018 - 11.25

Schmit´s " Humor " ist unterste Schublade, jede Menge Fäkalsprache, oft mit dem rechten Holzhammer verteilt. Behalten Sie ihn bitte im Auge und seine Schreiberlinge auch. Denn denen geht um mehr als um ein paar Brüller oder Schenkelklopfer hervorzurufen mit dümmlichen Witzchen unter die Gürtellinie. Die vertreten ein gewisses Weltbild ; welches weiss ein jeder.

Marie Louie Muller Verplanken
16. Juni 2018 - 10.41

Ausgezeichneter Artikel! MLMV