Die Selbstaufgabe – Bilanz des Wahlkampfs in Luxemburg

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So sieht Selbstaufgabe aus. Auch der letzte Optimist konnte sich am Freitagabend bei der RTL-Elefantenrunde davon überzeugen: Xavier Bettel glaubt nicht mehr an eine Neuauflage der Gambia-Koalition. Der Premier fand zwar lobende Worte für die Bilanz von Blau-Rot-Grün, zeigte sich aber mit Blick auf die Zukunft des Dreierbündnisses mehr als zurückhaltend.

Auch der restliche Abend verdeutlichte, dass sich spätestens seit den ersten Umfragen zu den Wahltrends die gleichen Muster wiederholen. LSAP-Vizepremier Etienne Schneider versuchte sich als Herausforderer von CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler und wurde dabei zum Teil von der Grünen-Spitze François Bausch unterstützt. Wiseler befand sich wiederum in der bequemen Situation, dass er vor einer ungeeinten Regierungsmannschaft saß, die nicht ihr gemeinsames Projekt, sondern austauschbare Parteiprogramme verteidigte – und dies von den kleineren Oppositionsparteien genüsslich unter die Nase gerieben bekam.

Opportunismus und „lame duck“

Das Problem dieses pre-elektoralen Spiels: Selbstaufgabe ist trotz aller strategischen Hintergedanken kein Mittel zum Wahlerfolg. Selbst wenn die Schnittmengen zwischen DP und CSV größer sind als im Vergleich zur LSAP oder zu „déi gréng“, wirkt die Bettel’sche Haltung opportunistisch und defätistisch. Auch der Verweis darauf, die Gambia-Parteien hätten nicht fusioniert, ist unglaubwürdig: Wer sich während Jahren als Reformierer des Landes und als Gesicht einer progressiven Koalition inszeniert, kann nicht auf den letzten Metern vor der Zielgeraden diese Haltung relativieren. Doch genau dies tut er – und auch andere Mitglieder der Koalition.

Bei der LSAP war es niemand anderes als Fraktionschef Alex Bodry, der bereits im Juni zur Feststellung kam, es gebe kein blau-rot-grünes Projekt mehr. Nun mag dies stimmen, doch fragt man sich, ob er dem Spitzenkandidaten seiner Partei damit einen Gefallen getan oder ihn nicht vielmehr in eine „lame duck“ verwandelt hat. Denn Schneider kann ohne den Rückenwind von Gambia nicht einmal ansatzweise vom Posten des Premiers träumen. Das Resultat: Bis zum Schluss haben Wiseler und Bettel es nicht für nötig befunden, sich auf ein Dreier-Duell mit Schneider einzulassen.

Handzahm unter warme Koalitionsdecke

Das größte Fragezeichen steht somit hinter Claude Wiseler und der von ihm angestrebten Politik. Die Unschärfe seiner Vorhaben hat ihm einen ruhigen Wahlkampf ermöglicht. Es ist ihm zudem gelungen, die parteiinterne Konkurrenz wie Viviane Reding – vorerst – zum Schweigen zu bringen. Er hat es verstanden, kurz vor den Wahlen folgenden Eindruck entstehen zu lassen: Die CSV entscheidet am Ende, wer handzahm mit ihr unter die warme Koalitionsdecke kriechen darf. Einerseits kultivierte Wiselers Entourage genau jenes Szenario, an das Gambia selbst nicht mehr glaubt: Wenn es sitzmäßig klappe, mache die Dreierkoalition weiter. Andererseits haben sich Bettel, Schneider und Bausch mit internen Reibereien gegenseitig blockiert und Wiseler viel zu sehr geschont.

Demnach ist dem CSV-Politiker, unabhängig vom Wahlergebnis, das Kunststück gelungen, als Wahlfavorit zu gelten, ohne dass auch nur im Entferntesten bekannt ist, ob und für wen er die scharf geschliffene Spar-Klinge griffbereit hält.

roger wohlfart
13. Oktober 2018 - 18.02

Die Gambia Koalition scheint selbst nicht mehr an sich zu glauben. Ansonsten hätten die 3 Parteien ein Signal gesetzt, dass sie gemeinsam ihre Politik weiterführen möchten. Bettel zeigte sich auffallend reserviert und stapelte tief, während Bausch sich ebenfalls- mit Blick auf Wiseler- zurückhielt. Die LSAP scheint innerlich zerstritten und wirkte unentschlossen. Wiseler blieb vage und konnte, trotz seines ewigen Grinsens, nicht überzeugen. Gybérien und sein ADR biederten sich der CSV förmlich an, wie es schleimischer nicht geht. Kommunisten und déi Lénk sprachen Tacheles, aber wer möchte sich schon zu den Verlierern zählen in diesem Land, wo es nur Sieger geben darf und diesmal mit grosser Sicherheit die Partei, die sich christlich nennt mit einem sozialen Touch. Alles in allem, ein lauwarmer Wahlkampf, früher noch Wahlschlacht genannt. Die CSV ist die Schlange und Gambia die vor ihr erstarrte Maus. Fragt sich nur wie der Wähler reagiert.

tarzan
13. Oktober 2018 - 13.12

ich habe mir die sendung nicht angeschaut. aber wenn ein etienne schneider, den ich in punkto kompetenz (mal abgesehen von space mining und steuerfragen) hoch einschätze, 1 1/2 tage vor den wahlen von pensionserhöhung faselt (wohl wissend dass 2040 die reserven bei NULL liegen), dann muss die lage schon aussichtslos sein.