Die Flasche schließen

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Lucien Montebrusco meint, die Politik habe den Steuerbetrug gefördert.

So langsam müsste auch dem letzten politischen Eunuchen dämmern, wie viele Menschen ihr Stückchen Paradies abbekommen könnten, würden andere einen Bruchteil ihres irdischen Paradies-Lebens abgeben. Die Rede ist natürlich von den rezenten Medienenthüllungen über Steuerhinterziehungen im großen Stil; Steuergelder, die den Staaten fehlen, um Schulen zu bauen, Kliniken mit modernem Gerät auszurüsten, Straßen zu reparieren.

Die „Paradise Papers“ führen vor Augen, dass das trübe Wasser, aus dem zuerst die „LuxLeaks“-Papiere, dann die „Panama Papers“ auftauchten, noch viel mehr Schmutz verbirgt. Denn was erneut ans Tageslicht kommt, darf nicht anders bezeichnet werden: moralischer Schmutz, in dem die Akteure bis zum Halse drin stecken.
Oder sollte man eher von moralischer Verrohung, von abgrundtiefer Verachtung der Gesellschaft, jener Millionen Menschen sprechen, mit deren Eintrittsgeldern und Konsumausgaben die Künstler, Wirtschafts- und Finanzkapitäne Millionen und mehr verdienen, die sie dann locker am Fiskus vorbei in Steuerparadiesen parken?

Die „Paradise Papers“ zeigen, wie einfach Gutbetuchte die Staaten an der Nase herumführen. Einfach vom Prinzip, kompliziert von der Konstruktion der jeweiligen Umgehungsinstrumente her. Konstrukte, von hochqualifizierten Experten ersonnen, auf die Normalverdiener niemals zurückgreifen könnten – jene Normalverdiener, die nicht mal die Gelegenheit haben, etwas zu verbergen, wird ihnen doch gleich „an der Quelle“ die Steuer abgezogen. Dieselben Normalverdiener, denen, anders als bei den steuersparenden Millionären und Milliardären, der Fiskus gleich den Bescheid zustellt, wenn sie einige Monate in Verzug sind mit der Steuererklärung.

Man kann sich über die Profiteure lascher Kontrollmechanismen und freizügiger Gesetzgebungen noch so viel ärgern: Die moralische Keule schwingen in der Regel nur die, die nicht anders können. Warum sollte man den Steuerhinterziehern Betrug an der Gesellschaft vorwerfen, nutzen diese doch bloß die Möglichkeiten aus, die ihnen die Staaten, konkreter die Politik, anbieten? Die Freiheit, das Geld dort zu parken, wo keine oder nur minimale Steuern zu entrichten sind, ist auch ein Ergebnis jener Liberalisierungspolitik, die unter anderem zur verheerenden Finanzkrise 2007/2008 führte. Der Markt würde alles richten. Sämtliche Kapitalsperren waren passé.

Nachdem die Staaten vor nicht mal zehn Jahren Milliarden Dollar und Euro in marode Geldinstitute pumpen mussten, um sie zu retten, war Besserung versprochen worden. Riskante Spielchen mit dramatischen Folgen für die Kassen der Staaten und ihrer Bürger würden in Zukunft erschwert. Manches ist wohl geschehen, so manche Bremse eingebaut worden, dennoch dreht der Kasinokapitalismus unverändert weiter. Denn wer das Spiel mit dem großen Geld effizient einschränken wollte, müsste auch die Finanzflüsse strenger reglementieren, massiv Sand in die Steuerhinterziehungsgetriebe schütten, damit die Gewinne erneut in die Realwirtschaft gepumpt werden. Das wurde nicht entschlossen getan.

Wer hat den Mut dazu? Die manchmal zu vernehmende Empörung oder gar Resignation aus Politikerkreisen klingt recht verlogen. Es sind die heute noch regierenden politischen Familien, insbesondere die christlich-sozialen und liberalen, oftmals sekundiert von willfährigen sozialdemokratischen Partnern, die die Liberalisierungspolitik zu verantworten haben. Wollen sie wieder glaubwürdig sein, müssen sie die Flasche schließen, aus der das Übel entwich.

Marius
12. November 2017 - 21.08

Nein, ihre Waffen sind die Rhetorik und die Kunst der Rechtsbiegung. Die Mehrzahl der hierzulande akkreditierten 2200 Rechtsinterpreten sind arme Schlucker, die an den Monatsenden des Öfteren am Hungertuch knabbern. Eigentlich schade, hätten sie doch bloss einen vernünftigen Beruf erlernt.

Marius
12. November 2017 - 20.09

PS. Gespannt auf ihren nächsten Beitrag.

Marius
12. November 2017 - 20.06

Viel Interessanter wäre es allenthalben gewesen, hätten sie sich die Mühe gegeben, wo denn die Luxemburger Prinzen, allen voran unser Grossherzog Henri, seine vielen Milliarden investiert hat, oder besser gesagt in welcher Ecke des Bermuda Dreiecks oder in welcher Steueroase er sein Vermögen gewinnbringend geparkt hat. Dieses Thema war in Luxemburg stets eine Art schwarzes Loch gewesen, vor dem sogar die couragiertesten Investigativjournalisten zurückschreckten. In England spricht man oder spekuliert man zumindest zeitweilig über das Vermögen der Königsfamilie. In Luxemburg, eines der famosen Tabuthemen. Ein sicheres Zielgebiet für Schwarzgeld ist meines Erachtens, immer noch die Schwyz .In den zahlreichen Bunkern unter den Schweizer Alpen ist noch viel Platz um unerkannt zu bleiben. Dort kräht kein Hahn danach. Für ihre nächste Detektivarbeit, geehrter Herr Charles,möchte ich ihnen diese Mission ans Herz legen, dass der Luxemburger Durchschnittsbürger eine Vorstellung bekommt was viel Geld bedeutet. Wie sagte einer meiner Lieblingsautoren schon damals: "Geld ist nichts, aber viel Geld ist etwas ganz anderes"

Mephisto
12. November 2017 - 13.56

Es ist doch pervers. Auch hier in Luxembourg. Tausende gut ausgebildeter Leute arbeiten für Steuerhinterziehungsfirmen ( big 5 Tax Consulting ) mit dem ausschliesslichen Zweck die Reichen und die Unternehmen vor dem Bezahlen ihrer Steuerschulden zu bewahren. Dabei würde kein gesundes Unternehmen bankrott gehen und kein Reicher verarmen wenn sie die gesetzlich festgelegten Abgaben bezahlen würden.

Jean-pierre goelff
12. November 2017 - 8.40

Bravo,armand!Sollten sie eine Steuerhölle,ganz nah, suchen,kommen sie ganz einfach mal ins Franzosenland wo in allernächster Zeit wohl jeder Furz besteuert wird.Die grande nation pfeift auf dem letzten Loch!

Norbert Muhlenbach
11. November 2017 - 17.49

Arbeitsplaetze, das magische Wort. Wir brauchen Arbeitsplaetze, d.h. Steuern. 2060 sollen 1.1 Mio Menschen hier herumlaufen, ohne Arbeitsplaetze? Das waere eine Katastrophe, also "tax rulen" wir weiter. Macht doch Spass. Am Ende stehen Arbeitsplaetze. Laut Asselborn ist Amazone mit 2000 Arbeitsplaetzen zur Zeit vertreten (siehe Hart aber Fair), wie waere es mit 10.000 Arbeitsplaetzen bis 2060? Ohne "tax ruling"? Wohl kaum machbar.

Marius
11. November 2017 - 16.14

Wenn Jeder nach seiner Façon bestimmen könnte was Recht und Unrecht ist, würden wir in die Anarchie zurückfallen Was Recht und Unrecht ist geht aus dem Gesetz hervor.

nicole
11. November 2017 - 10.37

@J.C. KEMP. Wo ist der Unterschied ob man Anwälten "das Geld" gibt statt dem Staat? Ich sehe keinen Unterschied ! Weg ist weg ! . Nur die Namen ändern aber Anwälte kaufen keine Waffen von dem Geld.

nicole
11. November 2017 - 10.34

@Edouard. Neid ist ein schlechter Ratgeber ! Auch für SIE. Und beneiden Sie nicht die Milliardäre. Auch diese armen Teufel mussten alle mal als kleine Millionäre anfangen.Aber alle Vögel verrecken, nur nicht die Neidvögel.

mars
11. November 2017 - 10.28

@jeannosch. Und wer definiert Recht und Unrecht ? Jeder nach seiner façon !

René Charles
10. November 2017 - 21.19

O Mei, lo huet ët och nach een vun de Royals erwëscht! Prince Charles' "Paradise Papers" revelations are leading to ethics accusations after the documents allegedly showed that the Duchy of Cornwall secretly bought shares worth $113,500 in a Bermuda company in 2007, the BBC News reported. The network said Prince Charles then pushed to alter climate-change agreements without disclosing his offshore financial interest in what he was promoting. The BBC News said that the company, the Sustainable Forestry Management Ltd., would have benefited from the rules change https://www.newsmax.com/TheWire/prince-charles-paradise-papers-ethics/2017/11/08/id/824853/ Aus den Medien geet erfir (just net aus L., hun hei nach näischt gelies) dass déi den NOHALTEGEN (sustainable) Bösch Management souvill Mënz verdéngt huet dass de Prënz Charles,(Kinnek vun GB wann d'Mom ok sét) konnt e Verdengscht vun ronn 211,000 Pond akasséiren. DUERNO as déi Struktur opgeléist gin. Déi huet och Zertifikater ausgin déi, wéi all Zertifikater am Öko- Liewensmëttel-Fëscherei-Landwirtschaftsberäich och ee Batzkaschten. Wat dé Veräin der Emwelt genotzt huet? Kee wees ët.

Edouard
10. November 2017 - 19.38

Ech schumme mech fir Letzebuerg wann ech dem Jang nolauschteren,aner Länner schummen sech kéi Fatz fir Milliardären un ze lackelen,a wou hunn Poltiker déi esou géint Letzebuerg virginn hier Souen stoen ? gléewe kaum dass a Frankreich oder an Deitschland Politiker wa se mam Privatjet wou et keng Kontrollen gett d'Waliss gut gefellt mat hierem Fric wou se net wellen Versteieren ,op de Kaiman Inselen verstoppen,oder mengt irgend éin déi gingen én EUR Steieren bezuelen,et kennt dach éin deín aneren,an si sinn all mat dobei fir Schmu ze machen,a mer arm Ieselsn gi geklackt wou et nemme géet,

J.C. KEMP
10. November 2017 - 18.58

Ja, wenn man viel Geld hat, kann man sich die Anwälte leisten, die dabei helfen, weniger davon an den Staat abzugeben. Dagegen sind wir nur arme Schafe, die auf die Schermachine warten. Bei uns Normalverdienern weiss der Fiskus über jeden Cent, der auf unseren Konten ankommt, genau Bescheid und verlangt gnadenlos 'seinen' Teil. Und die Bank nagt am Rest.

Marius
10. November 2017 - 17.55

Könnten sie sich irgendwie vorstellen, die Luxemburger würden irgendwann einen Aufstand proben. Nein, die Luxemburger sind ganz miese Duckmäuser.

Clemi
10. November 2017 - 17.54

das ist ein guter vergleich, mal ausrechnen wieviel lohnsteuer die 2000 amazon-angestellten in lux. zahlen und wieviel der amazon-konzern in lux. an steuern zahlt. geht das? kann das T das für uns machen? ein abgeordneter eine diesbezügliche parlamentarische frage stellen? würde mich wirklich interessieren

armand
10. November 2017 - 16.40

also mal ehrlich, hat sich noch keiner überlegt was aus luxemburg ohne den finanzplatz geworden wäre (pensionen, löhne,rentenalter,..). wir müssten alle dem pierre werner die füsse küssen. zu schämen braucht man sich auch nicht, auch wenn der jang meint er müsste im büssergewand im d-tv auftreten. rulings oder sonstige steuervorteile gibt es in ganz europa/welt (usa/china..). wer weiss schon was die banken in asien zb honkong alles horten. die lassen sich wohl kaum von der eu etwas vorschreiben. also nicht den ast absägen auf dem man komfortabel sitzt.

Serenissima, en Escher Jong
10. November 2017 - 16.11

ich nehme doch an das es jeder jetzt begriffen hat was die Steuerpolitik in Luxemburg, und auch anderswo in Ende bezweckt: Klein- und Mittelverdiener und Klein- und MIttelunternehmen müssen fast die ganze Steuerlast tragen die großen Konzerne abe zahlen "peanuts" aber jeder will sie in seinem Lande willkommen heissen ...Z.B Amazon in Luxemburg beschäftigt 2000 Leute die alle brav Lohnsteuer zahle wogenen Amazon nichts oder fast garnichts zahlt,. das ist eben das gängige Geschäftsmodell ... mondo cane.

armand
10. November 2017 - 12.24

kein steuerparadies ohne steuerhölle.

de Pensionär
10. November 2017 - 11.31

Herr Montebrusco, Sie haben noch etwas vergessen: Ich vervollständige Ihren Satz: "Steuergelder, die den Staaten fehlen, um Schulen zu bauen, Kliniken mit modernem Gerät auszurüsten, Straßen zu reparieren, WAFFEN ZU KAUFEN. Viele Länder in aller Welt haben Militärbudgets die weit in die Milliarden gehen und stehlen somit ihren Bürgern auch weit mehr als Bruchteile eines Paradieses.! Leider habe ich keine Gelegenheit Steuern zu hinterziehen, aber wenn ich die hätte, würde es mir guttun, für jeden Schuss Munition der wegen mir nicht gekauft werden könnte.

jang_eli
10. November 2017 - 11.12

Die EU-Kommission verlangt von Luxemburg , 250 Millionen Euro an unzulässigen Steuervergünstigungen von Amazon zurückzufordern. (4.10.2017). Daraufhin klagt die luxemburgische Regierung gegen die EU-Kommission denn man wolle die 250 Millionen nicht zurückfordern. Egal ob diese "ruling" 2003 gewährt wurde, die postwendende Antwort unserer Regierung lässt tief blicken. Man will es sich nicht mit Amazon, oder demnächst Google (?), verscherzen. Wenn ich aber meine Steuer "avancen" zu spät überweise ... !!! Da dachte man die neue Regierung (2013) würde alles neu, besser, usw. machen. "A wanns de nët gees", oder "ugeschass".

pierre dirkes
10. November 2017 - 9.40

Seit der Wahl Bill Jeffersons Clinton ist der professionelle Steuerbetrug eingeleitet mit den fake Loans etc.

Luss
10. November 2017 - 9.14

Natürlich fördert die Politik den Steuerbetrug. Oder ist jemand so naiv zu glauben, wenn Schneider fremde Firmen in unser Land lockt, kämen die wegen unseren schönen Gesichtern?

Jeannosch
10. November 2017 - 8.54

"Wo Unrecht zu Recht wird, ist Widerstand Pflicht."( Brecht) Guter Artikel .