Die MPs am Drücker

Die MPs am Drücker
(Alain Rischard/editpress)

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Das Parlament könnte nun May zu Konzessionen zwingen

Im politischen System Großbritanniens kommt dem Parlament eine herausragende Rolle zu. Gar bitterlich beklagten sich die Herolde des Brexit noch vor wenigen Monaten, dass es einer Junta aus Brüssel, einer Schwatzbude aus Straßburg und einem Kangaroo Court aus Luxemburg erlaubt sei, die Abgeordneten der beiden Häuser des britischen Parlamentes zu bevormunden.

Das Brexit-Referendum sollte diesem schändlichen Zustand ein unwiderrufliches Ende bereiten. Trafalgar an der Wahlurne sozusagen.

Doch als die Weichen dann plötzlich tatsächlich für einen britischen Austritt gestellt waren, wollten all die Brexit-Befürworter das Parlament, das sie eben noch so eifrig verteidigt hatten, ohne viel Federlesens kaltstellen. Die Regierung May plante, den Brexit mit der Brechstange durchzusetzen, ohne jede Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten der honourable members von Westminster.

Bei May verwundert so was einen ja nun nicht unbedingt: Wenn jemand vor der Volksbefragung dem Remain-Lager angehörte, dann aber ansatzlos – und zwar allein, um mordicus an die Macht zu kommen – sein Mäntelchen wendet und fortan als einer der schärfsten Europa-Basher auftritt, dann lässt das grundsätzlich keine sehr günstigen Rückschlüsse auf seine intellektuelle Integrität zu.

Brexit-Gegner sollten aber nun nicht zu früh jubilieren: Am Ende werden die Abgeordneten mehrheitlich der Stimmung in ihrem Wahlkreis entsprechend entscheiden, und das dürfte bedeuten, dass der Austritt schließlich eine klare parlamentarische Mehrheit findet.

Und doch: Beim Brexit-Referendum sprach sich eine knappe Mehrheit des Volkes dafür aus, dass Großbritannien austreten solle. Wie es dies tun solle, das wollte hingegen niemand von ihm wissen. Und hier könnte dem Parlament durchaus noch eine segensreiche Rolle zufallen. Denn es ist sehr wohl denkbar, dass eine Mehrheit der Parlamentarier sich am Ende gegen einen harten Brexit aussprechen und vielmehr der Regierung den Auftrag mit auf den Weg geben wird, ein Abkommen mit den 27 auszuhandeln, das die wahren Interessen Großbritanniens über Prinzipienreiterei, Verbohrtheit und Verlogenheit der Brexiteers stellt.

Und das könnte bedeuten, dass am Ende dem Brexit doch noch etliche Zähne gezogen werden und die Briten jene Konzessionen machen, die eine weitere Mitgliedschaft im Binnenmarkt ermöglichen. Und Volkes Wille bei all dem? Nun, das Brexit-Referendum war eh nur konsultativ, doch Parliament is sovereign. Das Volk hat zwar die Macht, das Parlament zu bestimmen, aber mitnichten jene, es zu überstimmen.
Der Brexit bewirkt eine nationale Kursänderung, deren Tragweite jene so mancher Verfassungsänderung bei Weitem übertrifft.

Für Verfassungsänderungen (die britische Verfassung ist nicht in einem zusammenhängenden Text kodifiziert) braucht es in den meisten Ländern aus gutem Grund eine Zwei-Drittel-Parlamentsmehrheit. Eine einfache Mehrheit bei einem Referendum über eine solch unheilschwangere Schicksalsfrage zuzulassen, erfüllt aber den Tatbestand des gemeingefährlichen Unfugs.

Wieso? Nun, allein schon deswegen, weil nachweislich ein nicht unerheblicher Teil des Elektorats keinen blassen Schimmer hatte, weder von der Natur noch von den Konsequenzen der Entscheidung, die man ihm zu treffen vorlegte.

fwagner@tageblatt.lu