Ran an den Speck – Gesundes Körpergewicht beugt Vorhofflimmern vor

Ran an den Speck – Gesundes Körpergewicht beugt Vorhofflimmern vor

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Ein gesundes Körpergewicht beugt Vorhofflimmern vor. Wer über Jahre zu viel
Fett mit sich herumschleppt, riskiert Erkrankungen. Insbesondere das Herz leidet.
Dem entgegenzusteuern, lohnt sich, egal zu welchem Zeitpunkt.

Ein bisschen Bauch hier, etwas zu viel Speck da, nicht allzu viel Bewegung – aber eigentlich fühlt man sich pudelwohl. Was kann an dieser Konstellation schlimm sein? Eine ganze Menge, sagt Professor Martin Halle, Ärztlicher Direktor für Präventiv- und Sportmedizin der TU München. Denn über die Jahre können sich aus all diesen vermeintlichen Kleinigkeiten gefährliche Herz-Kreislauf-Leiden entwickeln. Umgekehrt kann man unangenehmen Phänomenen wie dem sogenannten Vorhofflimmern allein durch einen gesunden Lebensstil sehr gut vorbeugen, wie der Experte im Interview erläutert.

Rund 15 Prozent der Über-80-Jährigen haben der Deutschen Herzstiftung zufolge Vorhofflimmern. Klingt nach einer Alterserscheinung. Kann man dennoch selbst beeinflussen, ob man später diese Herzrhythmusstörung bekommt?

Professor Martin Halle: Ja, stellen Sie sich jemanden vor, der mit 25, 30 Jahren ein klein wenig übergewichtig ist und viel sitzt. Ganz langsam entwickelt sich da über viele Jahre eine Vorstufe des Diabetes. Die Blutfettwerte sind etwas erhöht, der Blutdruck steigt und es sammelt sich Fett, sichtbar zum Beispiel am Bauch. Von allem nur ein bisschen. Das klingt gar nicht so schlimm. Das Bauchfett sorgt jedoch für eine permanente Entzündungsreaktion im ganzen Körper, die nach und nach die Gefäße schädigt. Sie werden steifer, kann man vereinfacht sagen. Mit jedem Herzschlag erreichen diese Entzündungsprozesse das Herz und verändern dort auch die winzig kleinen Gefäße, die den Herzmuskel versorgen.

Also ist Bauchfett gefährlich fürs Herz?

Ja, aber nicht nur das. Was viele nicht wissen: Fett lagert sich auch direkt um den Herzmuskel herum ab und scheidet dort Entzündungsfaktoren aus – genauso wie das Bauchfett. So werden die Entzündungsprozesse am Herzmuskel immer aufrechterhalten. Das heißt: Nicht nur die Gefäße werden steif, sondern auch der Herzmuskel selbst. Das ist eine blöde Situation. Die Leute fühlen sich ja meist noch gesund. Sie haben aber praktisch eine Bombe im Körper.

Was haben denn diese Entzündungsreaktionen nun mit dem Herzschlag zu tun?

Der Herzschlag funktioniert vereinfacht gesagt so: Es gibt einen elektrischen Impuls und der wird über das sogenannte Reizleitungssystem auf den Herzmuskel übertragen – das Herz zieht sich zusammen und pumpt Blut. Dieses Reizleistungssystem muss man sich wie ein Geflecht aus Kabeln vorstellen. Die Kabel muss man natürlich intakt halten. Sonst gerät das System außer Kontrolle. Durch die Entzündungsprozesse gehen die Kabel kaputt. Die Folge sind Rhythmusstörungen wie das Vorhofflimmern. Unter anderem deshalb erhöht Übergewicht das Risiko für Vorhofflimmern um das Fünffache.

Wenn jemand jetzt schon etwas Fett angesetzt hat, lassen sich diese Prozesse überhaupt noch rückgängig machen?

Bei übergewichtigen Kindern geht das noch ganz leicht. Wenn sie abnehmen und Sport machen, sind die Gefäße in der Regel innerhalb von wenigen Wochen wieder in Ordnung. Nach rund zehn Jahren aber wird aus einer Fehlfunktion der Gefäße eine Verhärtung, die nur noch bedingt verbesserbar ist. Irgendwann kommt es zu strukturellen Veränderungen. Da sprechen wir dann aber von 20 bis 30 Jahren.

Was können Patienten tun, um gegenzusteuern?

An erster Stelle: vorsichtig Gewicht reduzieren, bis sie wieder normalgewichtig sind. Dann Sport treiben. Das muss kein Leistungssport sein. Wenn man eine Couchpotato dazu bringt, jeden Tag 30 Minuten spazieren zu gehen, dann verliert diese Person häufig ihren Prä-Diabetes wieder. Die Blutzuckerwerte verbessern sich oft dramatisch. Beides zusammen – Abnehmen und mehr Bewegung – führt dazu, dass die Entzündungsreaktionen abnehmen. Der Blutdruck sinkt meist ebenfalls etwas, sodass insgesamt weniger Druck auf dem Gefäßsystem und dem Herzen lastet. Alles zusammen sorgt bestenfalls dafür, dass das Herz gar nicht erst aus dem Takt gerät.

Jeder Schritt zählt

Dass es nicht gesund ist, täglich stundenlang zu sitzen – das sollte nicht nur jedem Büroarbeiter wohl bewusst sein. Meist denkt man dabei an Rückenschmerzen. Doch durch dieses stundenlange, inaktive Sitzen erhöht sich auch das Risiko für Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck und damit letztlich die Gefahr für einen Herzinfarkt und andere Herzkrankheiten. Vorbeugen lässt sich mit Bewegung, darauf weisen Arzte und Experten immer wieder hin.

Ein zehnminütiger, zügiger Spaziergang lässt sich meist problemlos in den Berufsalltag integrieren. Wer viel sitzt, sollte auch bei der Arbeit immer wieder aufstehen, etwa zum Telefonieren. Dabei sollen schon zehn Minuten gezielte Bewegung positive Gesundheitseffekte haben, sagen Experten und weisen darauf hin, dass Bewegung die Entstehung und das Fortschreiten von Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) bremsen kann. Dauerhaft führe Arteriosklerose zu Durchblutungsstörungen. Herzinfarkte und Schlaganfälle seien die Folge, wenn Gefäße vollständig verstopft sind. Neben Bewegungsmangel gibt es viele weitere Risikofaktoren für Gefäßverkalkungen, dazu zählen vor allem das Rauchen und der Stress, allerdings auch nicht beeinflussbare Faktoren wie das Alter und erbliche Vorbelastungen.