Feuer frei für Jan Schneidewind

Feuer frei für Jan Schneidewind

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mitten in einem Gewerbegebiet nahe Luxemburg-Stadt hat Jan Schneidewind mit dem „Atelier du Windsor“ einen kulinarischen Hotspot erschaffen. Daisy Schengen traf den Koch, der sich selbst keinesfalls „als Rebell“ bezeichnen würde, aber der Meinung ist, dass auf heimischen Restauranttischen, frei nach Herbert Grönemeyer, Zeit ist, „dass sich was dreht“.

Jan Schneidewind hatgerufen, und sie alle sind gekommen: Guy Kohnen, Gilbert Welter und François Jagut als Vertreter Luxemburgs sowie Francisco Arroyo Ramirez aus Mexiko. Der Anlass – das letzte sogenannte „Jam BBQ“ in diesem Jahr.

Im „Atelier du Windsor“ ist die Stimmung an diesem etwas anderen „Grillabend“ tief entspannt, richtig „chillig“. Das ändert sich auf einen Schlag, als die Musik zum ersten Gang erklingt. Bevor der Chef persönlich die Grillzange schwingt, nimmt er sich Zeit für ein Gespräch „vun der Long op d’Zong“ über eine seiner Meinung nach überfällige Trendwende in der Restaurantkultur Luxemburgs, Nachwuchsförderung und Grillvergnügen.

Tageblatt: Mit Ihrer Idee einer echten „Küchenparty“ wollen Sie nach eigenen Angaben neuen Schwung in die Tradition des Sonntagsessens bringen. Wie wollen Sie das anstellen?
Jan Schneidewind: Meistens gehen Familien sonntags zum Essen aus, sitzen an einem runden Tisch und haben das Villeroy&Boch-Service von 1988 vor sich. Um dieses Ritual etwas aufzulockern und für Familien aus mehreren Generationen, die zusammen essen gehen, mehr Dynamik reinzubringen, will ich ein bewährtes Konzept wiederbeleben. Es sieht mehrere Stände hier im Restaurant vor. An jedem Stand gibt es unterschiedliche Gerichte zu kosten, eine Live-Band geht durchs Restaurant und sorgt für Unterhaltung.

Sind Sie ein Koch-Rebell?
Nein. Ich habe Spaß an meinem Beruf, und das limitiert sich nicht nur auf das gute Kochen. Man muss das Ganze betrachten: die Gäste begeistern, nicht nur mit dem, was auf dem Teller ist, sondern mit dem gesamten Ambiente, mit dem Service. Am Ende muss sich der Gast sagen: „Wow, wir haben gut gegessen, einen tollen Nachmittag gehabt und einen korrekten Preis dafür bezahlt. Nächstes Mal gehen wir wieder dorthin.“ Darum geht es mir.

Also doch keine Revolution?
Nein, ich will das Konzept des runden Tisches und der rosa Tischdecke ausdrücklich nicht kritisieren. Es funktioniert sehr gut. Aber ich glaube, es ist an der Zeit, etwas zu ändern, mehr Schwung reinzubringen. Dass die Gäste im Restaurant ein Erlebnis haben, dass sie neue Menschen kennenlernen, die sie sonst nie kennengelernt hätten, weil sie nur an ihrem Tisch gesessen haben.

Wenn Sie kein Rebell sind, wer sind Sie als Koch?
Ich bin in meinem Beruf sehr traditionell, weil ich aus dieser Schule komme. Meine Eltern sind „Gastronomie-Freaks“, haben Restaurant und Hotel im Münsterland, in Deutschland – ich bin dort groß geworden. Später habe ich in Brüssel gelernt, war in Belgien immer in den besten Häusern. Da lernt man die großen Klassiker, die man immer wieder neu anpassen kann. Aber eigentlich bin ich ziemlich konservativ.

Heute Abend haben Sie auch junge Talente, wie Sie sagen, eingeladen. Wie wichtig ist es Ihnen, junge Kollegen zu präsentieren, ihnen den weiteren beruflichen Weg zu ebnen?
Ganz wichtig. Es ist ein harter Beruf, wo man sich jeden Tag infrage stellen muss, die Arbeitszeiten nicht die tollsten sind und man absolut Beruf und Familie nicht vereinbaren kann. Und wenn man glaubt, beides verbinden zu müssen, indem man mit der Frau im Betrieb zusammenarbeitet – das geht schief.

Das wissen die jungen Köche. Außerdem haben sie im Freundeskreis Leute, die ihnen sagen: „Geh zur Post oder zur Gemeinde, mach etwas, wo du pünktlich nach Hause gehen kannst.“

Das ist der Konflikt, den wir haben – die Jungen zu begeistern, dass es ein toller Beruf ist und man dabei ganz viel Spaß haben kann. Mir ist es auch heute Abend wichtig, die jungen Leute herauszufordern, sie verantwortlich zu machen, sie zu motivieren, das zu zeigen, was sie gelernt haben. Wenn etwas schiefgeht, sind ein paar „alte Hasen“ dabei, die helfen. (lacht)

Die Jungen müssen „Blut lecken“ und sagen „Das will ich machen!“, sonst haben wir in Luxemburg keine Chance auf Nachwuchs, sondern nur große Betriebe, die Fertiggerichte vertreiben.

Wer kann, Ihrer Meinung nach, Abhilfe schaffen?
Der Gesetzgeber ist gefordert. Wir sind eine Nischengruppe in diesem Riesensystem, haben keine Lobbyisten, die sich für die Gastronomie einsetzen. Offenbar sind wir in der Politik nicht wichtig genug. Dort haben wir den Status als Betrüger, Leute, die keine Steuern zahlen, mit Schwarzgeld in den Urlaub fahren und sich damit teure Autos kaufen. Sicher gibt es manche, die das machen. Aber die meisten kämpfen ums Überleben, versuchen das Beste daraus zu machen, stecken ihr Herzblut rein und fühlen sich trotzdem alleine gelassen. Hinter Forderungen von Großbetrieben stehen eine Lobby und Argumente wie 3.000 Arbeitsplätze. Da läuft alles nach Plan. Aber bei so verrückten Sachen, wie wir hier machen, ist das nicht der Fall.

Verrückte Sachen wie ein „Jam BBQ“?
Das ist etwas ganz anderes. Ich habe mehrere Chefs eingeladen, darunter auch junge Talente, die noch keine Chefs sind, aber das Zeug dazu haben. Sie alle haben die Mission, sich heute Abend (am vergangenen Mittwoch; Anm. der Red.) auf einer Barbecue-Maschine ihrer Wahl – einem Smoker, einem Wok oder einem ganz normalen Grill – auszudrücken. Sie haben 20 Minuten Zeit, ein Gericht zuzubereiten.

Zuvor müssen die Köche beim DJ eine Playlist mit Wunschtiteln für ihre Hintergrundmusik abgeben. Ist die Musik zu Ende, muss das Gericht fertig sein, anschließend wird es in kleinen Portionen serviert. Eben eine andere Art von BBQ, die die verschiedenen Geräte und Zubereitungstechniken vereint. Getreu dem Motto, dass Grillen heutzutage mehr ein Outdoor Cooking als Barbecue darstellt.

Was bedeutet BBQ für Sie?
Alles. Ich liebe den amerikanischen Grillstil mit Smokern und riesigen Dampfmaschinen. Der Vorteil daran: Man kann all das Fleisch von guter Qualität nutzen, was üblicherweise nicht zum Grillen verwendet wird. Im Smoker bekommen diese Stücke vom Rind oder vom Schwein, aus denen sonst Wurst gemacht wird, einen schön zarten, rauchigen Geschmack. Barbecue ist außerdem sehr gesellig. Das mag ich sehr.

Welche ist Ihre persönliche Lieblingsart, draußen zu kochen?
Ich bin eher der Typ für den American Style, wo der dicke Smoker angeworfen wird und das Grillgut zehn Stunden darauf schmort.

Also etwas für Grillmeister mit buddhistischer Gelassenheit …
Genau. Kohle oder Holz darauf schmeißen, die Temperatur auf nicht mehr als 120 Grad steigen lassen und warten. Am besten schnappt man sich einen Gartenstuhl und eine Flasche Bier und wartet, bis das Fleisch fertig ist. Meistens ist man danach betrunken, aber es gehört dazu. (lacht)