Aus Leidenschaft für den Wein

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Eigentlich war Dr. Daniel Poos schon immer an Naturwissenschaften interessiert. In seinem auf Französisch verfassten Buch „Histoire scientifique de la vinification“ (Editions Phi) schildert er unter einem wissenschaftlichen Blickwinkel detailreich den Werdegang des Weinbaus von seinen frühesten Anfängen bis heute. Daisy Schengen blickte zusammen mit dem Wissenschaftler in sein Werk.

Poos, ein quirliger Mann mit silbernem Haar, von Beruf Mediziner, inzwischen pensioniert, antwortet ohne zu zögern: „Aus Leidenschaft!“ Mit „Passion“ wird er immer wieder das Thema des Buches, einer echten „Herzenssache“, beschreiben. „Der Wein, alles, was mit Weinbau zu tun hat, hat mich fasziniert – von der Arbeit im Weinberg, über diese im Keller, die eigentliche ‚Vinifikation‘ – all das interessiert mich seit rund 35 Jahren.“ Kurz vor der Rente kam der richtige Moment, um diese Passion zur Papier zu bringen.

Weinbau: Von der Frühgeschichte bis heute

In mühevoller Kleinarbeit trug der Sohn des Politikers Jacques Poos die Details zu den Meilensteinen in der Entwicklung des Weinbaus zusammen. Die Beschreibungen im Buch (übersichtlich gehaltene Kapitel, kurze Absätze) gehen „minus zehntausend Jahre (Prähistorie) zurück und reichen bis heute“, erklärt der Autor.

Für die Recherche hat Dr. Poos rund sechs Monate gebraucht: „Gott sei Dank haben wir heute Internet, sonst hätte ich bestimmt fünf Jahre in Bibliotheken verbracht“, lächelt er. Ein weiteres halbes Jahr verbrachte der Arzt mit dem Verfassen des Manuskripts, zwölf Monate nahm die Zusammenarbeit mit dem Verleger in Anspruch. Chantal Gantrel, eine langjährige Mitarbeiterin des Mediziners, leistete wertvolle Hilfe in den ersten Etappen der Typographie, beim Layout und der Bilderauswahl.

Die Anfänge des Weinbaus liegen im Nahen Osten

Das Buch gliedert sich in elf große Kapitel, die thematisch unterteilt sind. Die Geschichte des Weinbaus beginnt mit der Domestizierung der Rebe, einst eine wilde Lianenpflanze. Anschließend folgt ein ausführlicher Exkurs über die „Frühgeschichte der großen Kulturen des Nahen Ostens und ihren soziokulturellen Einfluss auf die Entwicklung des Rebstocks und des Weinbaus am Rand des Mittelmeeres“. In diesem etwas langatmigen, aber sehr detailreichen Kapitel zeichnet Daniel Poos den Bezug der einzelnen Bevölkerungsgruppen zum Wein nach – er beschreibt die Demokratisierung der Weingesetze im alten Ägypten ebenso wie die Migration der Menschen aus dem Nahen Osten, die die Weinkultur in unsere Breitengrade brachten, lange vor den Römern und Griechen. „Es ist der Beweis, dass die Kultur, von der wir glauben, sie ‚erfunden‘ zu haben, eigentlich durch Migration aus dem Osten zu uns in den Westen gekommen ist. In diesem Sinne muss man betonen, dass wir uns mit Grenzschließungen und -mauerbau gegenüber jenen verschließen, von denen wir unsere (Wein-)Kultur geerbt haben“, schlägt der Wissenschaftler den Bogen zur aktuellen Migrationsdebatte.

Natürlich dürfen auch die Meilensteine des Weinbaus – die griechische und römische Antike – in dieser Zeitleiste nicht fehlen. Daran schließen sich die Entwicklungen im Mittelalter über die Renaissance und die Arbeiten von Olivier de Serres, dem Bodenkundler und Agronom, der als Vater der modernen französischen Landwirtschaft gilt, an.

Im Kapitel über die Aufklärung wendet sich der Autor der Geburt von Chemie und Mikrobiologie zu, zwei Wissenschaftszweigen, die den Weinbau revolutionieren sollten. Die Arbeiten des französischen Botanikers François Rozier, um nur zwei Namen aus diesem Abschnitt zu nennen, werden ebenso darin vorgestellt, wie die des Deutschen Georg Ernest Stahl, Chemiker, Mediziner und Alchimist. Weiter geht es mit dem Zeitalter von Louis Pasteur, das durch die Erforschung der Alkohol- und Essiggärung gekennzeichnet war.

 „Uniformierung und Globalisierung“ des Weins

Bevor der Autor die für die Önologie bedeutenden Entdeckungen im 20. Jahrhundert von Buchner, Harden, Warburg, Krebs und Pasteur schildert, fasst er in einem Abschnitt Theorien zur Fermentierung zusammen. Daneben geht Poos auf die Forschungen von Louis Pasteur in diesem Bereich, auf seine Arbeit über Rebstock- sowie infektiöse Erkrankungen im Allgemeinen ein.

Das letzte Kapitel listet die modernen Errungenschaften im Weinbau im Hinblick auf Mikrobiologie und Biochemie der Polyphenole und Aromaverbindungen auf. Was sich technisch anhört, ist es zum Teil auch, gibt dem Leser jedoch ein solides Werkzeug an die Hand, um über Aromen und Verbindungen im Wein nicht nur zu sinnieren, sondern sich eingehender zu informieren.

Am Ende dieses Kapitels wagt der Autor den Ausblick in die Zukunft des geschichtsträchtigen Getränks. Im Laufe seiner Entwicklung habe sich der Weinbau zu einer „glaubhaften, gar vorhersehbaren und kontrollierbaren“ Disziplin entwickelt.
Dennoch stellt Poos derzeit eine gewisse „Uniformierung und Globalisierung“ fest, die gewissermaßen auch auf steigende Nachfrage nach „einfachen Einstiegsweinen“ zurückgeht und essentielle Qualitätsmerkmale wie Feingefühl des Winzers beim Ausbau oder typischen Bodengeschmack in den Hintergrund treten lässt.

Buchtipp

„Histoire scientifique de la vinification. De la protohistoire aux temps modernes“
Daniel Poos
Auf Französisch
232 Seiten, Hardcover
ISBN 978-99959-37-57-7
Editions Phi
Preis: 29 Euro
Gerne gibt der begeisterte Hobbysportler auf Anfrage bei Vorträgen sein Wissen über Weinbau weiter.

Herrschaft der (Wein-)Kritiker

Kritisch sieht Poos außerdem die „Überbewertung von geschmacklichen Empfehlungen einiger weniger namhafter Kritiker“, welche er für einen, in seinen Augen, „übertriebenen Eifer im Bereich des Ausbaus insbesondere von Rotweinen“ verantwortlich macht.

Schließlich wendet sich der Mediziner an die Verantwortlichen aus Politik und Pflanzenschutzindustrie und ruft zu einem umweltschonenden Weinbau auf, unter noch geringerem Einsatz von entsprechenden chemischen Produkten.

Am Ende unseres Gesprächs stellt sich die Frage nach dem Durchhaltevermögen, welches ein solches Mammutprojekt von dem Autor verlangt. Ob er in schwierigen Momenten daran gedacht habe, sein Vorhaben ad acta zu legen? Der Mediziner verneint entschieden: „Nein, das ist meine Leidenschaft! Wenn man als Naturwissenschaftler ein Projekt begonnen hat, bringt man es zu Ende, auch wenn der Weg zwischendurch etwas steinig ist.“