Willkommen in Absurdistan

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Die Türen stehen weit offen, Lachen und Geschnatter aus dem ersten Stock weisen den Weg. Und da sitzt er, der harte Kern des TOL: die künstlerische Leiterin Véronique Fauconnet und der Allrounder Claude Frisoni gemeinsam mit den Schauspielern Colette Kieffer, Joël Delsaut und Frédéric Largier.

Das „Théâtre ouvert“ ist vor allem für seine französischen Komödien bekannt, in denen es (fast) immer um Mann und Frau, um Anziehung, Abstoßung und Anmache geht. Um Liebe eben, „das Thema, das uns gestern beschäftigte, das uns heute beschäftigt und das uns sicherlich auch die nächsten tausend Jahre beschäftigen wird“, wie Véronique Fauconnet in ihren einleitenden Worten als künstlerische Leiterin des kleinen Theaters in Bonneweg sagte.

Véronique Fauconnet

„Prekäre Lage für französischsprachige Schauspieler“

„Die Situation für französischsprachige Schauspieler in Luxemburg ist sehr prekär.“

Wie bereits Marja-Leena Junker auf der Pressekonferenz des „Centaure“ am vergangenen Montag, liegt es auch Véronique Fauconnet, künstlerische Leiterin des TOL, am Herzen, auf die sich verschlechternde Lage frankofoner Schauspieler im Land einzugehen.

„Jahrzehntelang hauste in vielen Theaterhäusern in Luxemburg eine französische Seele“, erinnert sich Fauconnet. Doch heute sei dies anders, zumindest was die französischsprachigen Produktionen angehe. „Die Zusammenlegung der beiden Theater der Stadt, das ‚Capucins‘ und das ‚Grand Théâtre‘, hat sehr viel Schaden angerichtet“, so Fauconnet. Sie merkt dies als künstlerische Leiterin eines kleinen Theaters vor allem daran, dass sie keine Schwierigkeiten mehr hat, Schauspieler zu finden, die Zeit haben. „Sie haben alle sehr viel Zeit, und geht es so weiter, dann werden sie gezwungen sein, Halbtagsjobs in anderen Berufsgebieten anzunehmen. Die Zukunft für französischsprachige Berufsschauspieler (‚intermittants du spectacle‘) sieht nicht rosig aus.“

Théâtre ouvert
Luxembourg

Salle Christiane Schlechter143, route de Thionville
L-2611 Luxembourg

Infos und Reservationen:
Tel.: (+352) 49 31 66
E-Mail: info@tol.lu
www.tol.lu

Und dennoch: Die sogenannte Krise scheint auch im Programmheft des TOL angekommen zu sein. „Die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen haben in uns die Lust geweckt, unsere Leben ins Absurde zu projizieren“, beschreibt Fauconnet den roten Faden der kommenden Spielzeit. Das TOL sieht sich demnach als eine Art Absurdistan, ein Land voller Alpträume und Lügen, aber auch voller Märchen.

Feen und charmante Prinzen

Doch bevor es zu den Feen und charmanten Prinzen geht, gehört die Bühne zunächst einmal Claude Frisoni alleine. Bereits nächste Woche, am 27., 28. und 29. September sowie am 3., 4. und 5. Oktober, wird er sein treues Publikum erneut mit seiner One Man Show „J’aime le mot dit“ beglücken, das in der letzen Saison – inszeniert von Charles Muller – im Escher Theater Premiere feierte. Und auch Frisonis monatliche Presseschau „Au menu de l’actu“ steht selbstverständlich weiter auf dem Programm. Auch wenn – wie Frisoni der Vorlagen wegen bedauerte – eine wichtige Person fehlen wird: Sarkozy, der ihm doch immer sehr nützlich war.

Wie bereits in den vergangenen Jahren bringt das TOL auch in dieser Saison wieder vier Eigen-produktionen auf die Bühne. Den Anfang macht „Projection privée“ von Rémi de Vos in einer Inszenierung von Frédéric Largier, der den Autor persönlich kennt und von ihm vor allem wegen seiner kraftvollen Sprache fasziniert ist. „Solch eine Dramatik findet man selten in zeitgenössischen Theatertexten“, so der Regisseur. Jérôme Varanfrain, auch einer des harten Kerns des TOL, der allerdings bei der Pressekonferenz verhindert war, inszeniert „La reine de beauté de Leenane“ von Martin McDonagh. „La donneuse de vie devient la voleuse de vie“, fasst Véronique Fauconnet an seiner Stelle das Stück zusammen, „ein Stück über die schwierige Beziehung zwischen Mutter und Tochter, politisch unkorrekt und furchtbar spannend“.

Lustiger, aber genauso absurd

Mit „Jean et Béatrice“ von Carole Fréchette ist das TOL dann endlich bei der Prinzessin mit den langen Haaren (Colette Kieffer) und dem charmanten Prinzen (Joël Delsaut) angekommen. Um die Regie kümmert sich Marion Poppenborg, die die treffsicheren Dialoge („Quand on aime, on pense moins souvent à la mort et on est moins sèche à l’intérieur“) in eine Bühnensprache bringen wird. Die vierte Eigenkreation „Qui est Monsieur Schmitt?“ von Sébastien Thiéry wird – wie es Tradition ist im TOL – zum Ende der Saison wieder lustiger. Eva Paulin inszeniert dieses vielleicht etwas leichtere, dadurch aber nicht weniger absurde Stück.

Außerdem hat sich das TOL an die Koproduktion zwischen TNL und Escher Theater angeschlossen und wird im Juni und Juli „Les Bas-fonds“ von Maxime Gorki auf die Bühne bringen. Da jene des TOL allerdings für 13 Schauspieler viel zu klein ist, wird das Stück in Esch und im TNL gezeigt.

Caty Baccega, Colette Kieffer, Jean-Marc Barthélemy und Jérôme Varanfrain ziehen zudem mit „einer halben Stunde Molière“ („La malle de Molière“) durch die Schulen, da sie genau wissen, ihr Publikum von morgen sitzt in den Schulklassen von heute.