Wenn gut sein nicht reicht – Die Rival Sons im Rockhal Club

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Die Kalifornier von Rival Sons sind seit zehn Jahren auf Bühnen zu Hause und derzeit auf exzessiver Promo-Tour für das neue Album „Feral Roots“. Der neue Longplayer hat alles, was ein Rockalbum im Jahr 2019 braucht: Bombast, Pathos, Virtuosität und innovatives Songwriting. Auf der Bühne fehlt jedoch leider die wichtigste Zutat einer guten Rockshow.

Rock war und ist bis heute ein schwieriges Genres. Was in den 1960ern und frühen 1970ern noch Rebellion war, wurde danach zum Mainstream und schließlich zum Klischee, dem der Grunge in den 1990ern dann berechtigterweise die Kugel gab (Nirvana-Fans dürfen an dieser Stelle ruhig in Schnappatmung verfallen).

Im Anschluss wurde dann viel mit Etiketten von Pop- bis Post- und Progressive-Rock gearbeitet, um den Anschein der künstlerischen Eigenständigkeit im Schatten der Genies von Anderson bis Zappa zu bewahren. Wenn die goldene Dekade von 1965 bis 1975 einen Fehler hatte, dann war es die geballte Menge musikalischer Genialität auf einem Haufen, die ganze Generationen mit einem Kanon unerreichbarer Idole hinterließ.

Nischen-Musik wieder radiotauglich machen

Schnitt. Im Jahr 2008 gründet sich in Long Beach eine Band namens Rival Sons, die nach einem geplatzten Label-Deal 2009 ihr Debüt online in Eigenregie veröffentlicht – und wenig später im Vorprogramm von AC/DC und Alice Cooper auf der Bühne steht. Bemerkenswerterweise macht die Truppe um Sänger Jay Buchanan und Gitarrist Scott Holiday einfach nur Rock – und geht dabei völlig unverkrampft und durchaus innovativ mit ihrem tonnenschweren Erbe um.

Natürlich stand das Genre in all den Jahren nicht still, doch die Rival Sons schaffen es, mehr noch als heute Greta van Fleet, die Musik aus der Nische wieder radiotauglich zu machen, ohne sie dabei mit dem Wasser zeitgenössischer Produktionsansprüche zu verdünnen. Kein verkopftes Geschrammel von Musikern für Musiker, kein gefilterter Indie-Sound und keine digital aufgewärmte Popbrühe, sondern richtige, solide Bretter. Es tut weh, den Auftritt einer solchen Band zu verreißen.

Keine Show

Trotzdem war das, was den Zuschauern am Dienstag in der ausverkauften, kleinen Halle der Rockhal in Esch geboten wurde, keine gute Show. Beziehungsweise überhaupt keine Show. Es war ein Konzert. Und genau da liegt der Hund begraben. Denn Rock ist, mehr als jedes andere Genre der populären Musik die Antithese zur klassischen Musik. Ein klassisches Konzert wirbelt den Intellekt auf und erreicht auf diesem Weg das Unterbewusstsein, woraus sich schließlich ein Kaleidoskop der empfindsamen Regungen entfaltet. Rock ist dagegen der Sturm, der das Herz ohne Umweg über den Geist erschüttert, voller Pathos, Wildheit und Unvernunft – Musik für Menschen, die ihre epistemische Selbstdistanz für einen Moment ablegen können und sich nur vom Gefühl selbst mitreißen lassen wollen.

Rock hat die musikalische Darbietung vom Konzert zum Ereignis, zum Happening gemacht. Und das, was die Rival Sons in der Rockhal abgeliefert haben, war leider ziemlich ereignisarm. Es ist müßig, an dieser Stelle Kritik an den einzelnen Musikern üben zu wollen: Jay Buchanan ist ein Ausnahmesänger, den (außer vielleicht Robert Halford) jeder um die Klangvielfalt seiner Stimme beneidet. Scott Holiday hätte auch problemlos bei Led Zeppelin einspringen können, wenn Jimmy Page ausgefallen wäre. Und auch die Fähigkeiten von Mike Miley (Drums) und Dave Beste (Bass) rangieren im Spektrum zwischen „sehr gut“ und „großartig“.

Live-Darbietung 

Das Problem war nicht das musikalische Können, sondern das Gefühl. Denn falls es auf dieser Bühne einen Funken gab, ist er nicht auf das Publikum übergesprungen: Zu einstudiert die Pausen, zu routiniert der Gitarrenwechsel zwischen jedem einzelnen Song. Vielleicht ist die Gewohnheit der Tour selbst zur Falle für die Live-Darbietung geworden, die in Teilen fast schon lieblos wirkte.

Janis Joplin hat sich auf der Bühne mit Southern Comfort zugedröhnt, Pete Townshend hat seine Gitarre in Brand gesetzt, Jim Morrison forderte seine Fans auf, die Bühne zu stürmen, und bei Joe Cockers Woodstock-Auftritt war die gesamte Begleitband auf LSD. Sämtliche dieser Ereignisse bedeuteten einen halben Herzinfarkt für den Produktionsleiter, aber sie schufen durch ihre Unvorhersehbarkeit und ihre Impulsivität ein Erlebnis, das in Erinnerung blieb. Das Konzert der Rival Sons hingegen wird in Bälde vergessen sein. Leider.

 

Von unserem Korrespondenten Tom Haas