Weder Hagiografie noch Dekonstruktion

Weder Hagiografie noch Dekonstruktion
Paul Lesch und Yves Steichen - die Köpfe hinter der Thierry van Werveke Ausstellung

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Am 1. Juli – genau einen Tag nach den „Assises culturelles“ und der Atelier-Rockhal-Fehde um das „Siren’s Call“-Festival und das Sting-Konzert – wird das CNA seine Ausstellung über das Leben und Werk des legendären Schauspielers und Musikers Thierry van Werveke eröffnen. Wir haben uns mit Paul Lesch und Yves Steichen, den beiden Köpfen hinter dem Projekt, in Berlin unterhalten, wo sie u.a. an ihrer Ausstellung gefeilt – und den Regisseur Thomas Jahn im Rahmen einer Retrospektive getroffen haben.

Tageblatt: Wie verlief das Treffen mit Thomas Jahn? Wie soll er in die Ausstellung eingebunden werden?

Info

Die Ausstellung wird am 1. Juli eröffnet und bis Ende Dezember 2018 dauern.
Am 21. März fand im Kinosch eine Vorveranstaltung statt.

Yves Steichen: Im Rahmen der Ausstellung planen wir natürlich auch eine Retrospektive. Und Thomas Jahn, der Regisseur des Films „Knocking on Heaven’s Door“, wäre daran interessiert, bei einer solchen Retrospektive nach Luxemburg zu kommen und sich nach der Filmvorführung einer Frage- und Antwortrunde zu stellen.

Paul Lesch: Was bei Jahn äußerst interessant ist, ist, dass er eine persönliche Verbindung zu Thierry hatte. Er hat drei Filme gedreht, hat ihn aber auch schon vor dieser filmischen Zusammenarbeit gekannt – durch den Film „Troublemaker“.

Y.S.: Die beiden waren Freunde – eine Gegebenheit, die in diesem Business eher selten ist, die aber sehr viel über Thierry van Werveke aussagt, da dieser fähig war, eine persönliche Beziehung zu den Involvierten auf einem Filmdreh aufzusuchen. 1988 ist „Troublemaker“ herausgekommen – und stellte ein bisschen den Durchbruch sowohl für Van Werveke als auch für Andy Bausch dar. Der Film wurde beim Max-Ophüls-Festival gezeigt. Thomas Jahn befand sich auch dort, weil er ein Filmfreak ist.

P.L.: Dort hat er Thierry kennengelernt. Die Sitzung war ausverkauft. Thierry, der den Film schon gesehen hatte, bot prompt Thomas Jahn und dessen Kumpel seine beiden Sitzplätze an. Das war der Beginn ihrer Freundschaft.

Welches Porträt des Schauspielers soll die Ausstellung zeichnen?

P.L: Thierry war keine Diva. Er war unkompliziert. Nach einer Stunde auf einem Filmdreh hat er jeden gekannt.

Y.S.: In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Thierry immer als der Typ, der Rowdies und Punks gespielt hat. Wir möchten dieses Bild nicht unbedingt untermauern, sondern ganz einfach zeigen, wer der Mensch hinter den Kulissen war. Die Überlegung über den „öffentlichen“ Thierry – seine filmische Karriere, seine Musik, die Theaterstücke – soll durch die private Persona ergänzt werden.

Y.S.: Wir möchten auch die Internationalität dieses Schauspielers zu zeigen. Er verkörpert nicht nur die Professionalisierung des luxemburgischen Films (durch „Troublemaker“ oder den „Club des chômeurs“), sondern hat sich durch die schiere Masse an Spielfilmen, an denen er beteiligt war, im deutschsprachigen Raum schnell einen andauernden Ruf aufgebaut.

P.L.: Man darf nicht vergessen, dass er zudem zweimal in Filmen von Haneke gespielt hat. Das bedeutet, dass er sowohl durch gut gemachte Mainstream-Filme wie „Knocking on Heaven’s Door“ wie auch durch Autorenfilme seinen Bekanntheitsgrad im Ausland festigen konnte.

P.L.: Hier in Deutschland ist es so, dass vielen der Name nichts sagt. Aber dann zeigt man ein Foto seiner Figur aus „Knocking on Heaven’s Door“ – und der Wiedererkennungseffekt setzt ein. Wir haben den Test hier im Hotel bei einem Kellner gemacht.

Y.S.: Uns ist es wichtig, dass unsere Ausstellung keine Hagiografie wird. Es wird aber auch keine Dekonstruktion eines Mythos sein.

P.L.: Wir sind beide Historiker. Wir versuchen, die Figur so zu zeigen, wie sie war, um sie in ihrer Vielfalt zu erfassen. Wir zeigen natürlich auch Aspekte, die zu dem Künstler gehören und die teilweise problematischer sind – Alkoholkonsum spielt dafür natürlich durchaus eine Rolle.

Wie stimmt ihr die Medien Film, Ton, Bild für eine solche Ausstellung aufeinander ab – und welche technischen Herausforderungen gibt es bei einer Ausstellung, die, nehme ich mal an, auch viele Filmausschnitte zeigen will?

P.L.: In Berlin haben wir uns einige Ausstellungen angeschaut wie das Potsdamer Filmmuseum. Wir haben zwar mit Trixie Weiss eine ausgezeichnete Szenografin, wollten uns aber trotzdem einmal anschauen, wie verschiedene praktische Details funktionieren, z.B. wie man Filmausschnitte einbauen kann, wie lang die Begleittexte sein dürfen.

Y.S.: Wir haben uns entschieden, Thierrys Leben thematisch-chronologisch einzuteilen. Die Ausstellung wird im Pomhouse des CNA stattfinden wird – folglich also in einer großen Halle. Man kann dort nicht einfach Bilder an eine Mauer hängen, sondern muss Platz schaffen. Weswegen wir eine Vielzahl an sogenannten Inseln errichten werden. Eine technische Herausforderung ist es, all unser Material unterzubringen. Dafür müssen wir falsche Mauern aufrichten und die Tonspuren so isolieren, dass sie sich nicht gegenseitig parasitieren. Jedes Set bekommt eine andere Atmosphäre, soll wärmer oder kälter sein, die 80er oder die 90er evozieren. Zudem möchten wir ein kleines Kino bauen – in dem verschiedene Filmauszüge nacheinander laufen werden.

Soll es dort eine präzise Programmierung geben?

P.L.: In diesem kleinen Kino nicht unbedingt. Aber das Ziel ist es, in unserem Kinosaal, aber auch in anderen hiesigen Kinos während des Ausstellungszeitraums Filme von Thierry zu zeigen. Einerseits wollen wir natürlich die Klassiker zeigen, andererseits aber auch den Fokus auf weniger bekannte Filme richten.

Y.S.: Um zu zeigen, in welchen Filmen er sonst noch mitgewirkt hat. Ein Film, der weniger bekannt ist, den wir aber in Düdelingen zeigen möchten, ist „A Wopbopaloobop A Lopbamboom“, der auch in Düdelingen spielt. Der Film ist in dem Sinne wichtig, weil es an dessen Ende eine Szene in einem Schwimmbad gibt, in der Thierry ausrastet und einen Franzosen tötet. Es ist diese Szene, durch die Thill Schweiger, aber auch Michael Haneke auf den Schauspieler aufmerksam geworden sind.

P.L.: Thill Schweiger redet im „Inthierryview“ von einer „starken Szene“. Und das tut Haneke auch. Es handelt sich dabei also um einen filmischen Moment, der eine internationale Karriere ermöglicht hat. Und dies, obwohl es sich um einen lokalen Film handelte – der aber im Fernsehen und auf kleinen Festivals gelaufen ist.

Interessant vielleicht auch, weil die Szene die Karriere des Schauspielers in eine bestimmte Richtung gezogen hat. Ein Regisseur wie Haneke hat sich ja schon immer für Gewalt interessiert …

P.L.: Für Gewalt und für extreme Figuren.

Y.S.: Haneke erzählt auch im „Inthierryview“, dass man merkt, dass Thierry van Werveke während des Drehs dieser Szene betrunken war. Das ist auch wesentlich für diesen Schauspieler gewesen: dass der reale Mensch und die gespielten Figuren sich vermischen. Dass es eine Art Verwischungseffekt gibt.

P.L.: In Filmen wie „Eine andere Liga“ oder „Tausend Ozeane“ versucht er sich aber an ganz anderen Rollen. Ich glaube, er hatte auch die Ambition, seine Karriere anderen Figuren zu widmen.

Y.S.: Er erzählt schon ab 1991 in verschiedenen Interviews, dass das Johnny-Chicago-Image ihn ermüdet.

P.L.: Behaupten tut er es schon, klar, aber ich glaube, er hat dieses Image gleichermaßen auch gemocht.

Y.S.: Das Johnny-Chicago-Image hat ihm natürlich auch ermöglicht, zu „überleben“ – weil er viel in genau dieser Rolle gecastet wurde. Weswegen seine Beziehung zu dieser Rolle halt immer zweischneidig war. Die Rolle des Johnny Chicago ist natürlich eine Kultrolle, es handelt sich dabei um eine witzige, aber auch etwas törichte Figur – was dann auch die Ermüdungserscheinungen erklären könnte.

Die wohl jeder Schauspieler, der von dem Publikum zu einer einzigen Figur reduziert wird, irgendwann spüren muss …

Y.S.: In unserer Ausstellung wollen wir auch zeigen, wie die Persona, die im öffentlichen Raum entsteht, immer auch ein Konstrukt ist, das sich aus den Rollen, den Aussagen in Interviews und dem, was über den Schauspieler geschrieben wird, zusammenstellt – und die sich von der eigentlichen Person unterscheidet. Deswegen wollen wir ein bisschen „Thierry entre les lignes“ zeigen. Wir sind auch mit Danielle Meneghetti, seiner Witwe, in Kontakt.

P.L.: Die Idee der Ausstellung entstand eigentlich, als sie dem CNA vorschlug, dass wir persönliches Material, das sich in ihrem Besitztum befindet, benutzen könnten. Ich hatte gleichzeitig Yves dazu motiviert, ein Buch über Thierry van Werveke zu schreiben – das aber schon einige Zeit vor der Ausstellung bei Saint-Paul herausgebracht wird.

Ihr habt vorhin von einer thematischen Ausstellung geredet. Um welche Themen handelt es sich dabei?

Y.S.: Zu Beginn thematisieren wir seine Herkunft, die Zeit als Obdachloser, die Jahre, die ihn zu der Art Figur gemacht haben, die er interessanterweise später sehr oft gespielt hat.

P.L.: Dann gehen wir auf die Anfänge des luxemburgischen Kinos ein. Sehr interessant dabei ist, dass seine Karriere eigentlich die Entwicklung der hiesigen Kulturszene widerspiegelt, von den 80ern bis zur Zeit seines Todes. Vom Amateur hin zur langsamen Professionalisierung, zuerst auf nationaler, dann auf internationaler Ebene: Genau diese zeitliche Entwicklung hin zur Professionalisierung findet man auch in vielen anderen Bereichen, wie z.B. im Theater und in der Musikszene. Dann sprechen wir natürlich auch seine Musikkarriere (seine Band Nas Nas) und seine Theaterkarriere an.

Y.S.: Seine internationale Karriere spielt auch eine wichtige Rolle. Die TV- und Kinofilme, wobei 1997 mit „Knocking on Heaven’s Door“ sein Durchbruch im deutschsprachigen Raum gelang. Wir zeigen zum Teil den privaten Thierry, hinterfragen aber auch den Begriff eines „Thierry national“, wobei ich damit diese Art bezeichne, wie der Mensch plötzlich nicht nur zum Aushängeschild einer aufkommenden Filmindustrie, sondern auch einer ganzen Gesellschaft, die die Figur für sich vereinnahmt, wurde. Dies soll nicht gewertet, sondern einfach dargestellt werden.

Schlussendlich werden wir auch den Film „Inthierryview“, der im Rahmen seiner Krankheit entstanden ist, erwähnen und die Erinnerungskultur um diese Person thematisieren. In diesem Rahmen soll die Fondation Thierry van Werveke, die jungen „Troublemakern“, also jungen Obdachlosen, hilft und die zudem die Erinnerung an Thierry gewährleisten soll, nicht unerwähnt bleiben.

P.L.: Yves hat einen Artikel über Thierry in dem Werk „Erinnerungsorte/Lieux de mémoire au Luxembourg“ verfasst. Die Orte sind hier nicht nur Orte im geografischen Sinne. Dass Thierry in einem solchen Buch auftaucht, sagt schon etwas aus über den Status des Schauspielers im kollektiven Gedächtnis.

Y.S.: Es gibt dieses Foto von dem Schauspieler, das von Jean-Paul Kieffer gemacht wurde und auf dem man ihn mit Zigarette und Lederjacke sieht: Es handelt sich dabei um eine Art Che-Guevara-Bild, das auch oft irgendwo gesprayt wurde. Die Frage ist: Wird das heute auch noch getan? Wird es allmählich zum Zitat? Klingt die Erinnerung an den Schauspieler langsam ab? Solche Fragen sollen am Ende der Ausstellung stehen.

Welche anderen peripheren Events soll es geben?

P.L.: Wir würden ganz gerne mit dem Theater zusammenarbeiten oder Lesungen organisieren. Ganz toll wäre es auch, ein Projekt mit den überlebenden Musikern von Nas Nas zu machen. Am Tag der Vernissage wird keine komplette Liste der Veranstaltungen ausgeteilt werden, weil die sich wohl im Laufe der Monate noch vervollständigen wird.


Des voyous bien de chez nous

De Franck Colotte

„Troublemaker“, le premier volet de la trilogie de „films de gangster“ d’Andy Bausch, a été projeté le 21 mars (avec une reprise le 24 mars) au cinéma de la Kulturfabrik, devant un public venu en masse revoir ou simplement découvrir ce film qui, sorti il y a 30 ans (1988), met en scène les aventures criminelles de Jacques Guddebuer (Thierry van Werveke) et de Chuck Moreno (Ender Frings). Ce film, entretemps devenu culte, constitue un moment clef dans l’industrie cinématographique du pays qui vit naître la comédie de voyous à la luxembourgeoise.

Dans la lignée de films tels que les „Tontons flingueurs“ (Georges Lautner, 1963) ou des „Valseuses“ (Bertrand Blier, 1974), „Troublemaker“ du réalisateur dudelangeois Andy Bausch met en avant deux petites frappes, Chuck Moreno, un individu dangereux et renfermé, campé par un Ender Frings plus vrai que nature, et Jacques Guddebuer, qui se surnomme lui-même „Johnny Chicago“.

Ces voyous de quartier sont tiraillés entre un quotidien empreint de poésie urbaine, sombre et décadente, et leur „rêve américain“ de bien-être et de richesse. L’expressivité de leurs visages suffit à traduire de manière récurrente la hantise de l’échec et le désir de succès. „Troublemaker“ est d’abord l’histoire d’une amitié entre deux écorchés de la vie aussi inadaptés au crime qu’au bonheur, d’une „bromance“ entre deux apaches plus proches par moments de Mr. Bean que d’Al Capone: comment réussir un hold-up déjà désynchronisé quand on a tout prévu, sauf la voiture et les révolvers? Ils passent ainsi de braquages ratés en séjour en établissement pénitentiaire.

Le film écume les récidives, les aventures croquignolesques de ces deux paumés magnifiques qui ont pour philosophie de vie „On ne parle pas du destin, on le prend soi-même en main“. Entre beuveries, disputes et coucheries, ils évoluent dans un univers burlesque qu’Andy Bausch a taillé sur mesure, leur octroyant l’attitude sympathiquement décalée et le vocabulaire „brut de décoffrage“ qui siéent à ces truculents gangsters.
Pour le plus grand plaisir du public, le cinéma d’Andy Bausch est d’abord un cinéma de personnages qui, à la manière de celui du réalisateur britannique Ken Loach, emploie la comédie pour souligner l’humanité des anti-héros qu’il portraiture au second degré.

Comédie-thriller et comédie sociale se conjuguent chez le réalisateur luxembourgeois pour produire au final un film intergénérationnel qui a pu s’appuyer notamment sur le talent de deux comédiens disparus: l’incontournable Thierry van Werveke (décédé en janvier 2009), dont la trogne et les expressions font de lui un lointain cousin d’un Patrick Dewaere ou d’un Klaus Kinski; Jochen Senf (mort le 18 mars 2018), incarnant l’inimitable „Erwin, die Ratte“, un marginal répugnant qui n’est pas sans rappeler le personnage de Carnot,
le garagiste allumé du film „Les Valseuses“.

Les personnages d’Andy Bausch font figure d’archétype: le chef de gang, animal et brutal; sa „poule“ (Jenny, incarnée par Nicole Max – que se partagent Jacques et Chuck); l’intellectuel déchu qui finit par prêter ses talents au gang: leur propre avocat et délégué à la liberté surveillée, Konrad Wackernagel (Conrad Scheel) – alcoolique et désœuvré, va leur prêter main forte lors d’un braquage de transport de fonds!

„Troublemaker“, que l’on reverra avec bonheur ne serait-ce que pour certaines de ses répliques qui font mouche ou pour les „gueules“ qui égrènent les scènes de cette comédie (complétée par „Back in Trouble“ en 1997 et „Trouble no more“ en 2010) où l’absurde le dispute souvent au comique, est non seulement la traduction luxembourgeoise du film de gangster burlesque, mais encore la mise en avant d’une esthétique et d’une éthique cinématographique interrogeant avec acuité notre vision du monde contemporain. Les truands de carton-pâte, Jacques Guddebuer et Chuck Moreno – leurs élans, leurs petitesses, leurs vices, leurs espoirs touchants de lendemains qui chantent, nous interpellent autant qu’ils nous fascinent. Ils nous offrent le visage multiple d’une comédie humaine restée dans les mémoires et dans les annales du cinéma luxembourgeois.
A Jochen Senf (1942-2018)