Von dunklen Texten und melancholischen Klängen

Von dunklen Texten und melancholischen Klängen
Dear Reader im Gudde Wëllen (Foto: Melody Hansen)

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2006 gründete die junge Südafrikanerin Cherilyn MacNeil die Indie-Pop Band „Dear Reader“. 2017 erscheint ihr viertes Studioalbum „Day Fever“, mit dem sie zurzeit um die Welt tourt. Am Mittwochabend, gerade aus London gelandet, gab sie mit ihrer Band ein bezauberndes, sehr privates Konzert im „de Gudde Wëllen“.

Glockenartige Töne erklingen im kleinen Konzertraum. Schnell verstummen die letzten Gespräche und der Saal wird eingenommen von der klaren Stimme der Sängerin Cherilyn MacNeil. Neben den klassischen Klavier-, Schlagzeug- und Gitarrentönen fallen immer wieder rasselnde, klirrende und streichende Töne auf, die sich jedoch wunderlich in die melancholische Musik einfügen. Die helle, warme Stimme der Sängerin mischt sich immer wieder mit dem Chor ihrer Band und beruhigt, regt zum Genießen aber auch zum Nachdenken an.

Melancholische Melodien

Cherilyn weist das Publikum vor einem eher rhythmischen Lied darauf hin: „Jetzt ist euer Moment zu tanzen, nutzt ihn weise! Wir sind immer noch Dear Reader.“ Ja, und Dear Reader bedeutet nun einmal melancholische, ruhige, wenn nicht sogar deprimierende Melodien.

Zwischen den Songs gibt sich Cherilyn sehr natürlich und außergewöhnlich menschlich. Als bei einem Song das Keyboard nicht gleich die richtigen Töne spielt lacht sie so laut auf, dass es der Band einige Sekunden lang schwerfällt, wieder ernst zu werden. „Heute ist einer dieser Tage. Die haben wir doch alle. Heute ist eben meiner“, bemerkt sie lachend, nachdem der Song vorbei ist.

Foto: Melody Hansen

So sehr auch zwischen den Songs gelacht und gespaßt wird, so ernst sind auch die Themen, die in ihren Texten angesprochen werden. „So Petty So Pathetic“, das dritte Lied auf dem neuen Album, erzählt sie, habe sie geschrieben als sie sehr, sehr wütend war. Als in der Berliner U-Bahn ein Obdachloser gegenüber von ihr von Kontrolleuren aus dem Zug gezerrt wird, weil sein Ticket seit knapp zehn Minuten abgelaufen war, macht sie das schrecklich sauer. „Hauptsächlich war ich wütend auf mich selbst, weil ich nichts unternommen habe.“ Ein anderer Song handelt von ihrer Herkunftsstadt in Südafrika, eine Goldgräberstadt in der die Menschen dem Geld nachjagen. Eine Textzeile aus dem Song „Then, Not Now“ beschreibt die Grundstimmung des neuen Albums ziemlich genau: „Right now my view seems rather dark“, singt Cherilyn.

Day Fever

Es geht oft darum wie beängstigend das Leben sein kann. Daher auch der Name des Albums. „Day Fever“, die veraltete Bezeichnung für Hysterie, in die man verfallen könnte, wenn man über die ganzen schrecklichen Dinge nachdenkt, die einem passieren auf dieser Welt können. „The world is full of terrors unknown“ ist eine Textzeile aus dem Lied „Mean Well“ in dem es darum geht, wie schwer es ist zu vertrauen. Eine Problematik die den Nerv der Zeit trifft und womit sich wohl viele Zuhörer identifizieren können.

Foto: Melody Hansen

Mit ganzen drei Zugaben schließt die junge Südafrikanerin den Abend ab. „Für Zugaben bin ich sehr leicht zu haben. Ich spiele nun einmal für mein Leben gern.“ Beim Stimmen ihrer Gitarre beschwert sie sich, wieviel Blödsinn sie auf der Bühne redet. Das dankbare Publikum beruhigt sie, versichert ihr, gerne zuzuhören und bietet ihr einen Drink zur Beruhigung an. „Whiskey!“, bestellt die Wahlberlinerin lachend und verspricht anschließend jedem der sie hören will, gerne noch Geschichten aus Südafrika zu erzählen.

Melody Hansen