„Vater des leisen Kinos“ ist tot

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Der "Vater des leisen Kinos" ist tot: der italienische Filmemacher Ettore Scola ist im Alter von 84 Jahren verstorben.

Actionfilme sind nie seine Sache gewesen. In auf engste Räume beschränkten Szenen ging es dem italienischen Regisseur Ettore Scola stets eher darum, den Blick des Zuschauers unter die Oberfläche dringen zu lassen. „In einem geschlossenen Umfeld zu drehen, erlaubt es mir, meinen Gestalten und dem, was sie denken, immer dicht auf den Fersen zu bleiben“, beschrieb der Filmemacher dieses Konzept einmal. Nun ist Scola im Alter von 84 Jahren verstorben.

Als Sohn eines Arztes in Trevico bei Neapel geboren, begann Scola nach der Schule zunächst ein Medizinstudium, um dann schnell zum Fach Jura überzuwechseln. Doch wie der Regisseur einmal selbst erzählte, hatte er damals schon für das Kino gearbeitet – „und am Ende hat diese Passion die Oberhand gewonnen“. So begann er bereits 1954, für Regisseure wie Mauro Bolognini und Dino Risi als Autor tätig zu werden. Die schwarze Komödie „Dramma della gelosia – Tutti i particolari in cronaca“ (Eifersucht auf Italienisch») mit Marcello Mastroianni und Monica Vitti in den Hauptrollen brachte dem Wahlrömer 1970 knapp 40-jährig schließlich den Durchbruch.

Mehr als 25 Jahre auf Leinwand

Mehr als 25 Filme brachte Scola seitdem auf die Leinwand. Mit seiner vitalen Slum-Groteske „Brutti, sporchi e cattivi“ (Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen) gewinnt er 1976 in Cannes die Goldene Palme für die beste Regie. Grell, schonungslos und unsentimental schildert Scola hier das Leben einer Großfamilie in einer Barackensiedlung am Rande von Rom. „Nichts gibt Hoffnung in Scolas Film – nicht die Kirche, nicht die Familie, nicht die Klasse“, kommentierte ein Kritiker einst dieses neorealistisch anmutende Werk.

Ein Markenzeichen Scolas ist seine Vorliebe für begrenzte Räumlichkeiten. So ist der Schauplatz für den Film „La famiglia“ (Die Familie) von 1987 über die Geschichte dreier Generationen eine labyrinthisch verwinkelte Wohnung am Stadtrand von Rom. Und auch der unvergessene Streifen «Una giornata particolare» (Ein besonderer Tag) mit den Hollywoodstars Sophia Loren und Marcello Mastroianni in den Hauptrollen spielt sich fast ausschließlich in wenigen Räumen eines römischen Wohnhauses ab.

Oscar-Nominierung

Für diese stille und subtile Studie über die Begegnung zweier vom Faschismus isolierter Existenzen erhielt Scola 1977 den Spezialpreis der Jury in Cannes und eine Oscar-Nominierung für den besten ausländischen Film. Auch hier erzählt der Regisseur die große Geschichte aus der Sicht der kleinen Leute. «Ich habe nie aus dem Blickwinkel der Mächtigen erzählen wollen, ob es sich nun um Hitler, Mussolini oder Louis XVI. handelt», erklärte Scola einst seine „Filmpolitik“.

Ein Meisterwerk gelang dem Filmemacher 1989 mit „Che ora è?“ (Wie spät ist es?). An einem regnerischen Winternachmittag will da ein Vater nachholen, was er mit seinem Sohn versäumt zu haben glaubt. Die beiden – wunderbar dargestellt von Marcello Mastroianni und Massimo Troisi – reden viel und kommunizieren wenig. Erst in der verräucherten Stammkneipe des Sohnes, deren verschrobenes Publikum wie eine Ersatzfamilie erscheint, erwacht die Eifersucht des Vaters und überwindet am Ende die Schüchternheit.

Harte Realität mit dem Komischen gemischt

Oft mischt sich in Scolas Filmen die harte Realität jedoch auch mit dem Komischen. Wie Tonio Kröger in der gleichnamigen Erzählung von Thomas Mann sind es «Komik und Elend», die sein Kino bestimmen. So auch sein zuletzt gedrehter Spielfilm «Concorrenza sleale» (etwa: unlauterer Wettbewerb) mit Gerard Depardieu über zwei jüdische Kaufleute in der Faschismus-Ära, die sich bekriegen.

Für Scola als überzeugtem Linken war Kino stets politisch: «Wegen seiner großen Verbreitung, wegen des Kontakts mit den Massen, weil es sich an ein großes Publikum wendet.» Ähnlich wie sein Kollege Mario Monicelli (1915-2010) glaubt er dennoch nicht an eine verändernde Wirkung seiner Kunst: „Filme können sicherlich zum Nachdenken und Träumen anregen und dazu beitragen, das Leben zu verbessern, aber sie ändern es nicht.“

1988 war er Präsident der Jury auf dem „Cannes“-Festival.