Zwischen Fanatismus und Lebenslust

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Irland im Jahr 1932. Jimmy Gralton kommt nach über zehn Jahren aus Amerika zurück, wo er aus politischen Gründen geflüchtet war. Genau wie seiner Mutter bietet Jimmy Graltons Rückkehr jedoch vielen anderen Menschen im Dorf neue Perspektiven. Allerdings nur für kurze Zeit.

Grünes, karges, schönes Irland. Wenn Ken Loach die Kamera über die Hügel streifen lässt, wenn diese den wolkenverhangenen Himmel festhält, die sich durch Täler windenden Wege, die tropfenden Strohdächer, dann sind das beeindruckend schöne, gleichzeitig aber auch nostalgische Bilder. Und das, obwohl der Film positiv beginnt. Nach zehn Jahren Zwangsexil kehrt Jimmy Gralton (gespielt von Barry Ward), der Mann, der dem Film seinen Namen gibt, aus Amerika zurück ins irische County Leitrim. Dort, wo er 1886 zur Welt kam. Da, wo auch der Film gedreht wurde. Der Bauernsohn und Republikaner ist nämlich eine historische Figur.

Jimmy’s Hall,

GB/Irland/F 2014, von Ken Loach und Paul Laverty.

Mit: Barry Ward, Simone Kirby und einem ausgezeichneten Jim Norton in der Rolle von Pater Sheridan. Pandora, 106 Minuten.

Im Kino Utopia

Ein Kapitel irische Geschichte

Ein Freund fährt ihn auf einem Eselskarren zu dem Cottage seiner Mutter. Dabei schaukeln die Männer vorbei an einer maroden Tanzhalle. Die Pearse-Connolly Hall trägt den Namen von Patrick Henry Pearse, dem Anwalt, Dichter und Rebellen sowie James Connolly, Sozialist und Vorkämpfer der irischen Republik, beide hingerichtet nach dem Scheitern des Osteraufstandes gegen die britischen Besatzer im Jahre 1916.

Sie war seinerzeit von den im Dienste der Briten stehenden paramilitärischen „Black and Tans“ abgefackelt worden, um das bisschen Gemeindeleben zu zerstören, das sich dort entwickelt hatte. Nach Jimmys Rückkehr wird die Bruchbude wieder instand gesetzt, bald erklingt dort auch wieder Musik, es werden Tanzschritte geübt und Gedichte einstudiert. Jimmy’s Hall hat es trotzdem nicht leicht mit seinem Neuanfang. Irland hatte auch nach dem Unabhängigkeitskrieg und dem Bürgerkrieg und trotz Regierungswechsels keinen Frieden gefunden. Dies nicht zuletzt, weil der zum Volksheld hochstilisierte de Valera, der 1932 mit seiner Partei an die Macht kam, sich von Kirche und Aristokratie gleichermaßen einschüchtern ließ.

Mit Jimmy Gralton, dem ein sehr verwandlungsfähiger Barry Ward einen ausgeprägten keltischen Look mit viel Charme verleiht, berührt der Regisseur die Schmerzenspunkte der irischen Gesellschaft, indem er die Macht der Kirche auf die irische Gesellschaft thematisiert. Wer sich nicht unterwerfen lässt, gerät unter Druck: frei denkende Bürger, genauso wie pubertierende Kinder, die flotte Musik hören, die alten Tänze wiederbeleben oder sich für die Bildungsprojekte der Linken interessieren, wie sie Jimmy und seine Kameraden in der Gemeindehalle betreiben.

Klassisches Kino mit klarer Aussage

Der Film von Ken Loach und Paul Laverty bietet Szenen von großer Kraft und Momente zarter Intimität, etwa wenn die Dörfler gegen die Arroganz der Landbesitzer aufstehen oder die vorsichtige Zuneigung zwischen Jimmy und Oonagh, seiner alten Liebe, wieder auftaucht.

Die Rolle wird wundervoll gespielt von Simone Kirby, die hier ihre erste große Rolle hat. Der Film endet mit der Ausweisung von Jimmy Gralton aus Irland. Er war anscheinend der einzige Ire, der ohne gerichtliche Verfügung seines Vaterlandes verwiesen wurde. 1933 wurde er nach Amerika zurückverfrachtet, dort ist er 1945 auch gestorben.

Ein klassischer Film, hat Jean-Pierre Thilges über „Jimmy’s Hall“ geschrieben und gesagt. Er ist keine Filmbiografie, sondern eine abgerundete Geschichte mit einer Botschaft. Dass diese möglicherweise weniger stark ist als Ken Loachs vorherige Filme tut der Geschichte wahrhaftig keinen Abbruch.