Wirkliche Klasse erst nach der Pause

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LUXEMBURG - Drei sehr unterschiedliche Werke des frühen 20. Jahrhunderts standen auf dem Programm, mit dem Zubin Mehta und sein Israel Philharmonic Orchestra in Luxemburg gastierten.

Anton Weberns „Passacaglia op. 1“ aus dem Jahre 1908 stellt somit den Beginn des nur 32 Werke umfassenden Schaffens dieses Komponisten der zweiten Wiener Schule dar, der hier mathematische Variationsformen mit postromantischem Lyrismus verbindet und sich auf die „Passacaglia“ aus der 4. Symphonie von Johannes Brahms beruft. Zubin Mehta sah diese Komposition auch im Sinne postromantischer Tendenzen und setzte dann etwas zu sehr auf den lyrischen Charakter. Somit erklang Weberns „Passacaglia“ ohne die interessanten Konturen, die dieses Werk ausmachen. Überhaupt hatte man den Eindruck, dass Mehta und die Musiker hier nur auf Nummer sicher gehen wollten.

Nachdenklicher Debussy

Ein Eindruck, den wir auch von Claude Debussys drei Orchesterstücken „Iberia“ hatten. Das klang zwar alles recht gut, aber leider etwas zu routiniert. Die Lebhaftigkeit von „Par les rues et par les chemins“ hielt sich in Grenzen und auch die Feierstimmung vom „Le matin d’un jour de fête“ ließ die nötige Prägnanz und Rhythmik vermissen. Aber vielleicht wollte uns Zubin Mehta mit seinem eher nachdenklichen Debussy eine andere, ungewohnte Sichtweise dieses Werkes zeigen, worauf besonders das doch sehr traurig-melancholisch gespielte „Les parfums de la nuit“ hindeutete. Diese Interpretationssichtweise kann dadurch belegt werden, dass bei Debussy 1909 eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde und diese Stimmung in der Musik dann auch zum Ausdruck kommt. Das Israel Philharmonic konnte bis jetzt nur in diesem Mittelteil des Triptychons von Debussy überzeugen, während wir von der musikalischen Leistung ansonsten recht unberührt blieben. Was hatte dieses Orchester vor einer Woche beim Beethovenfest Bonn doch ein tolles und intensives Spiel geboten! Davon waren wir bisher allerdings meilenweit entfernt.

Fast auf den Tag genau vor 44 Jahren, nämlich am 15. September 1967, hatte Zubin Mehta sein erstes Konzert in Luxemburg gegeben. Neben Werken von Gunther Schuller und Franz Liszt stand bei diesem Konzert mit dem Los Angeles Philharmonic die 1. Symphonie von Gustav Mahler auf dem Programm. Mahler ist ein Komponist, mit dem Zubin Mehta sich seit Jahrzehnten auseinandersetzt und von dem er heute seine Vision der populären Fünften vorstellte.

Man war überrascht, mit welchem Ernst und Tiefsinn Mehta dann auch diese Symphonie auslotete. Bis auf den fulminanten Schluss verzichtete er auf orchestrale Ausbrüche und bettete die Blechbläser immer wieder in ein homogenes, von Streichern und Holz getragenes Klangbild ein. Das wirkte auf den ersten Blick fremd und gewöhnungsbedürftig, weil man besonders in den beiden ersten Sätzen an martialische Klangeruptionen gewohnt ist.

Vielschichtigkeit statt Plakativität

Mehta hielt das Orchester bewusst zurück und setzte der melodischen Linie viele gegensätzliche Strömungen gegenüber, die ein Gesamtbild immer wieder in Frage stellten. Mehta blickte somit hinter die Plakativität und Gefälligkeit dieser Symphonie und ließ uns ihre Vielschichtigkeit neu entdecken. Besonders im Finale hörten wir Mahlers Musik ganz neu. Anstatt des munteren Vorwärtsdrängens schienen hier alle Themen und Melodien gegeneinander zu arbeiten und erzeugten somit den Eindruck eines musikalischen Mahlstroms. Erst mit den letzten Takten, ähnlich wie Brittens „Young Persons Guide“, fanden sich die Instrumentalisten dann zu dem gewaltigen Finale zusammen. Nach der zurückhaltend aufgenommenen ersten Konzerthälfte (hatte man wegen des Sabbats vielleicht keine Raumprobe gemacht?) durfte das Publikum nun aber zu Recht jubeln.