Sea, Sex and Cannes

Sea, Sex and Cannes
(AFP/Anne-christine Poujoulat)

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Stars alleine reichen nicht. Skandale sind eindeutig bedeutend besser, wenn es darum geht, im Gespräch zu bleiben. Die 68. Ausgabe der Filmfestspiele von Cannes hatte am Donnerstag ihren im Vorfeld angekündigten Skandal: die erste Vorstellung von "Love" von Gaspar Noé.

Bereits in der Vergangenheit war auf den Filmemacher mit argentinischen Wurzeln Verlass: „Into the Void“ oder „Irréversible“ haben ihm vor Jahren das Image des Bad boy verpasst. Er allerdings sieht das etwas nuancierter: „Ich mache einen Film über das Leben.“ Seit Jahren habe er einen Film drehen wollen, der die Passion eines verliebten Paares mit all seinen Exzessen, sowohl den physischen wie auch psychischen zeigen sollte.

In „Love“ erinnert Murphy sich an die Beziehung zu Electra, die unter anderem dadurch in die Brüche ging, dass er immer fremdging. Der Filmemacher wollte ein zeitgenössisches Melodram mit Sexszenen zeigen, ein Film, der sich über die lächerliche Regel hinwegsetzt die vorschreibt, dass ein klassischer Film keine Szenen mit explizit sexuellem Charakter beinhalten kann. Er wolle das präsentieren, was sich das Kino nur selten erlaubt, sei es aus kommerziellen oder legalen Gründen. Auf der einen Seite erfüllt „Love“ alle Erwartungen: Es gibt Sex, Sex und Sex. Normalen Vanillasex zwischen Mann und Frau oder zwei Frauen und einem Mann oder zwischen Frau und Mann und einem Transsexuellen.

Gewalt wie in den beiden oben genannten Filmen gibt es nicht, nur Sex und das auch noch in 3D. Es fällt nicht schwer sich vorstellen, welche Szene Noé im Sinn hatte, als er „Love“ als 3D- Film plante.

Auf der anderen Seite ist „Love“ dann letztlich doch enttäuschend, denn irgendwann langweilen die Sexszenen und die Dialoge sind banal und teilweise sogar dümmlich. Am Ende bleibt die Erkenntnis, „Love“, das ist viel Lärm um wenig Sex.

Endspurt um die Palme

Nach einer perfekten ersten Woche, zumindest, was das Wetter betrifft, wurden am Donnerstag Regenschirme und Jacken ausgepackt. Kalt ist es auch geworden, der Pulli während der Vorstellung in den klimatisierten Sälen ist dringend zu empfehlen und Schlange stehen ist nun wirklich unangenehm.

Die letzten Titel sind angekündigt und der vierte von insgesamt fünf französischen Filmen ging am Donnerstag ins Rennen: „Dheepan“ von Jacques Audiard. Der Filmemacher ist nicht zum ersten Mal in Cannes und eigentlich gehört er auch immer ein bisschen zu den Favoriten. Den „Grand prix du jury“ hatte er für „Un prophète“ erhalten und den „Prix du scénario“ gab es für „Regarde les hommes tomber“.

„Dheepan“, das ist die Geschichte dreier Menschen, die nach der Flucht aus ihrer Heimat Sri Lanka versuchen, sich in Frankreich eine neue Existenz aufzubauen.

Dheepan, die Frau an seiner Seite und das Kind geben vor, eine Familie zu sein, dabei haben sie sich erst im Lager kennengelernt. Dheepan bemüht sich sehr, doch die Vergangenheit holt ihn ein. „Dheepan“ bleibt über weite Strecken ein intensiver Film, bei dem sogar hin und wieder gelacht werden darf.

Am Ende allerdings schießt Audiard weit übers Ziel hinaus und lässt gerade die Subtilität seiner früheren Filme wie „Un prophète“ oder auch „De rouille et d’os“ vermissen.

Viele nachhaltige Szenen bleiben einem auch noch nach Ende des Films im Gedächtnis, doch unterm Strich dürfte es nicht für einen der wichtigen Preise ausreichen.

Das ohnehin stark vertretene Asien bringt mit Hou Hsiao-hsiens „The Assassin“ einen weiteren Trumpf ins Spiel. Vor sieben Jahren hatte Hou diese Wuxia-Geschichte aus dem 9. Jahrhundert angekündigt und seitdem warteten seine Fans geduldig auf das neuste Meisterwerk des Chinesen. Die Story begleitet die junge Nie Yinniang, die im Kloster eine Ausbildung zur Schwertkämpferin erhalten hat. Ihre Mission besteht darin, den Gouverneur umzubringen. Wie wird sie sich entscheiden? Wird sie den Mann, den sie liebt, umbringen, oder den Orden, dem sie angehört, verraten?

Hou Hsiao-hsien beherrscht die Kunst der perfekten Bildgestaltung wie kein anderer. Jede einzelne Szene wirkt nachhaltig auf den Zuschauer und zieht ihn sofort in ihren Bann. Hinzu kommen meisterhaft choreographierte Kampfszenen, die sich deutlich von hektischen Hollywood-Imitationen absetzen. Hou ist ein Meister der Langsamkeit, der kontrollierten Bewegung. Seine Filme richten sich an Genießer an Genussmenschen, die im Kino der Hektik des Alltags entfliehen möchten.

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