Immer ein offenes Ohr

Immer ein offenes Ohr
(Tageblatt/Hervé Montaigu)

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Zehn Jahre Philharmonie: Da gibt es viel zu erzählen. Besonders wenn man, wie Marie-Jo Ramalho, Erminia Moricone und Marco Muser von Anfang an dabei ist und zudem noch an dem Ort arbeitet, der nicht nur den ersten, sondern meist auch den intensivsten Kontakt mit dem Publikum pflegt: der Billetterie.

Wer glaubt, dass in Zeiten des Internets die Telefone in der Billetterie schweigen, der hat sich kräftig geirrt. Punkt zehn Uhr morgens geht es los und dann klingelt es am laufenden Band. Bis halb sieben Uhr abends, wenn endlich der Anrufbeantworter eingeschaltet wird und die Mitarbeiter der Billetterie zum Service an der Abendkasse übergehen.

Das Festtagsprogramm
Unter dem Motto „10 Joer Philharmonie – It’s all about Luxembourg“ lädt die Philharmonie zu einem Jubiläumswochenende ein, an dem zahlreiche Konzerte mit vielen Musikern des Landes stattfinden. Bei freiem Eintritt können die Besucher an drei Tagen in allen Räumlichkeiten des Hauses die musikalische Bandbreite erleben, die die Philharmonie seit ihrer Eröffnung auszeichnet.

Alle Informationen unter: www.philharmonie.lu

Natürlich verkaufen sie in erster Linie Tickets und geben Informationen zu den verschiedenen Konzertreihen, Abonnements oder Spezialpreisen, doch damit ist nur ein Teil ihrer Arbeit getan. Sie sind gleichzeitig Seelsorger, Vermittler und offenes Ohr. „Unsere Kunden sind meist bereits in fortgeschrittenem Alter, für sie ist es wichtig, dass wir ihnen zuhören“, erklärt Marie-Jo Ramalho, Verantwortliche der Billetterie. Auch wenn dies hin und wieder eine Stunde dauern kann. Dann wird erzählt. Von der hiesigen Politik, dem unfreundlichen Nachbarn, den Budgetkürzungen am Theater Trier, der gesehenen Oper im Grand Théâtre …

Croissants, Sushi und Schokolade

Wenn man bedenkt, dass in den vergangenen zehn Jahren etwa eineinhalb Millionen Menschen die Philharmonie betreten haben, dann kann man sich vorstellen, mit wie vielen unterschiedlichen Menschen die Mitarbeiter der Billetterie zu tun haben. Und dennoch: Es gibt einen harten Kern, eine Stammkundschaft, Menschen, die sich mitunter zwei bis drei Mal die Woche am Eingang der Philharmonie blicken lassen und gerne auch einmal Croissants, Sushi, Champagner oder Schokolade mitbringen. Besonders natürlich zu Ostern oder in der Weihnachtszeit …

Viele von ihnen kommen seit zehn Jahren, einige der treuen Seelen sind mittlerweile gestorben, ihre Todesanzeigen werden ausgeschnitten und aufgehoben. Schließlich hat sich über die Jahre eine Beziehung aufgebaut …

Apropos Anzeige, da hat Erminia Moricone etwas zu erzählen: Ein Besucher hatte tatsächlich nach einem Konzert einmal eine Anzeige bei einer Tageszeitung aufgegeben, etwa in dem Stil: „Hallo, schöne Frau, die beim Konzert von xxx neben mir saß. Ich würde dich gerne wiedersehen. Bitte melde dich doch!“ Als Frau Moricone die Anzeige sah, musste sie nicht nur schmunzeln, sondern half auch ein bisschen nach. Sie wusste, dass die angesprochene Frau für die Konzerte in der Philharmonie immer extra aus Trier anreist und höchstwahrscheinlich niemals etwas von der charmanten Anzeige erfahren würde. Also rief Moricone sie an und schickte ihr die Anzeige nach Trier. Na wenn das kein Kundenservice ist!

Und als der Vulkan mit dem nicht aussprechbaren Namen in Island ausbrach und die Wiener Philharmoniker wegen des daraufhin verordneten Flugverbotes nicht zu den beiden in der Philharmonie vorgesehenen Konzerten anreisen konnten, da telefonierten Marie-Jo Ramalho und ihr Team sich die Ohren, Stimmen und Finger wund.

2.000 Anrufe wegen Vulkanausbruch

2.000 Personen mussten angerufen und informiert werden, dass das Konzert leider ausfallen muss, 2.000 Personen in weniger als zwei Tagen. „Jeder von uns nahm einen Stapel Telefonnummern mit nach Hause, um am Samstagmorgen von daheim weiterzutelefonieren“, erinnert sich Ramalho. Das Ergebnis: Nur etwa 20 Gäste standen an den beiden Abenden vor einem leeren Konzertsaal, da man sie nicht erreichen konnte. Das kann sich wirklich sehen lassen.

Und? Ist auch mal etwas schiefgelaufen in den zehn Jahren? Marco Muser erinnert sich an eine Informatikpanne, die erst zu Panik und dann zu ungeahntem Improvisationsvermögen führte. Eine halbe Stunde vor einem gut besuchten Konzert im Großen Saal fielen plötzlich alle Computer aus. Keine Reservierung, keine Namen von der Warteliste, keine freien Plätze waren mehr sichtbar. Und das Publikum strömte an die Eingänge. „Nun ja, da habe ich einfach alle Eintrittskarten von Hand ausgefüllt, irgendwie hat es geklappt, das Konzert konnte pünktlich beginnen“, erzählt Marco Muser.

Erminia Moricone fängt an, zu lachen, auch sie hat von einer Panne zu erzählen: Einmal hat sie die drei für Matthias Naske reservierten Karten kurz vor Konzertbeginn freigegeben und einfach verkauft. Aus Versehen natürlich. Und das nicht für irgendein Konzert. Sondern für die Wiener Philharmoniker, eines der absoluten Lieblingsorchester des damaligen Direktors der Philharmonie.

Seine Reaktion? „Oh. Mmm. Na dann haben wir ja 180 Euro mehr in der Kasse. Prima“, sagte er lachend und setze sich mit seiner Frau ganz entspannt auf die Treppen im Saal, um dem Konzert dennoch beizuwohnen.

Während die drei sich noch lachend an den Abend erinnern, kommt Stephan Gehmacher, jetziger Intendant der Philharmonie, um die Ecke, begrüßt jeden per Handschlag und lacht mit. Bis das Telefon klingelt. Es ist zehn Uhr. Ein neuer Arbeitstag beginnt …