Die Utopienfabrik

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Durch das Gesetz vom30. Juli 1999 ist der Fonds Belval als öffentlicher Bauherr dazu verpflichtet, in Kunst zu investieren. Wie er das macht? "Public Art Experience" heißt das Projekt, in das die acht Millionen Euro fließen.

Natürlich. Für das viele Geld hätte man ziemlich tolle Skulpturen kaufen oder auch Auftragswerke von renommierten Künstler bestellen können. Etwa um die Eingangshallen und Chefetagenbüros zu schmücken.

René Kockelkorn ist Mitglied des künstlerischen Beirates. (Bild: Isabella Finzi)

Alex Fixmer ist Direktor des Fonds Belval. (Bild: Isabella Finzi)

Künstlerischer Beirat

Der künstlerische Beirat von „Public Art Experience“ setzt sich aus Paul di Felice, Eve Chiapello, René Kockelkorn und Charles Muller zusammen. Sein Präsident ist Hubertus von Amelunxen.

Amelunxen ist seit 2013 Präsident der „European Graduate School EGS“ in der Schweiz. Er hat in Marburg und Paris Kunstgeschichte studiert. Er ist Autor verschiedener Bücher und Artikel. Außerdem war er Kurator verschiedener internationaler Ausstellungen, vor Kurzem „Cy Twombly. Fotografien 1951-2010“ im „Palais des Beaux-Arts“ in Brüssel. Seit 2003 ist er Mitglied der Akademie der Bildenden Künste in Berlin. Er lebt und arbeitet in Berlin und in der Schweiz.

Aber nein. Die Idee, von der uns die drei Herren Alex Fixmer, Direktor des Fonds Belval, René Kockelkorn, Mitglied, und Hubertus von Amelunxen, Präsident des künstlerischen Beirates von „Public Art Experience“, erzählen, ist eine andere. Eine völlig andere. Sie ist mutig, wenn nicht sogar gewagt und voller Chancen, für die Kunst, aber auch für die Gesellschaft.

Künstlerresidenzen heißt das Stichwort. Ab September werden etwa zwölf Künstler aus dem In-und Ausland für drei bis sechs Monate in Belval wohnen und arbeiten, um die Entwicklungen vor Ort zu erleben, ihnen nach- bzw. vorzuspüren und sie mit den Mitteln der Kunst zu spiegeln oder ihnen entgegenzuwirken.

„Hier stehen zwei wunderbare Ungeheuer nebeneinander“, sagt Amelunxen. „Eine Riesenbank, die pleite ist, und ein Hochofen, der nicht mehr läuft. Eineinhalb Jahrhunderte nebeneinander. Das ist doch enorm. Das ist doch Stoff für die Kunst.“

Mit den Mitteln der Kunst

„Public Art Experience“ verfolgt demnach das Ziel, nicht in Kunstwerke, sondern in Kreativität zu investieren, und will somit den Prozess der Transformation, die in Belval stattgefunden hat, im Moment stattfindet und vor allem auch noch stattfinden wird, künstlerisch begleiten. „Wir spekulieren“, sagt Amelunxen und grinst. „Nicht über den merkantilen Wert der Kunst, sondern über die Zukunft der Gesellschaft. Und das mit den Mitteln der Kunst.“ Die Grundfrage für die Künstler könnte lauten: „Gibt es hier auf Belval eine Veränderung in der Sozialisierung, auf die die Kunst aufmerksam machen kann?“

Aber zu viele Leitlinien oder gar Verpflichtungen will der künstlerische Beirat den ausgewählten Künstlern überhaupt nicht auflegen. Ganz im Gegenteil. „Viele Künstler beklagen sich immer, dass sie viel zu marktorientiert arbeiten müssen, dass sie viel zu strukturiert, schematisiert und eingebunden seien, um wirklich kreativ zu sein. Wir geben ihnen hier die Möglichkeit, frei und kreativ zu arbeiten“, erklärt René Kockelkorn. Die Künstler bekommen einen Gehalt, der weit über einen Hungerlohn hinausgeht, ihre Produktionskosten erstattet und eine Wohnung gestellt. Das einzige, was die Künstler mitbringen müssen, ist Engagement für den Ort Belval. Ob sie dieses nun mit dem Pinsel zeigen oder getanzt, gesungen oder gebaut spielt keine Rolle.

540 Bewerbungen

Und dann, ja dann ist da noch das Publikum, die Gesellschaft. Immer wieder kommen wir darauf zu sprechen. „Public Art Experience“ – der Name sagt es schon, Kunst ist öffentlich, ein Experiment, das die Künstler mit der Gesellschaft teilen und das Debatten und Diskussionen auslösen soll. Sonst herrscht Langeweile. Routine. Wie schwer es ist, die Öffentlichkeit für solche Projekte zu interessieren, das wissen die drei. Öffentliche Veranstaltungen wie etwa eine „Vernissage der Künstler“ sollen hierbei helfen.

540 Künstlerdossiers sind bis Bewerbungsschluss in Belval eingegangen. Aus Frankreich, Belgien, Deutschland, aus Italien, Spanien, Großbritannien, sogar aus Chile, Kanada und den USA. Die ganze Künstlerwelt zeigte Interesse, nur aus Luxemburg, da war nicht gerade viel Euphorie zu spüren. Gerade einmal fünf Bewerbungen liegen dem Fonds Belval von Luxemburger Künstlern vor. „Hier geht es doch auch um die Zukunft der Luxemburger Kunst, schließlich fließen hier acht Millionen in die Unterstützung von Kunst“, bemerkt Fixmer. Ist es Trägheit? Ideenlosigkeit? Ignoranz? Unverständnis und auch etwas Enttäuschung ist zu spüren. „Vielleicht gibt es in Luxemburg einfach keine Künstler …“, spekuliert Amelunxen.