Auge in Auge mit dem Publikum

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Finn-Ole Heinrich, 32, der als freier Autor in Hamburg lebt, ist der diesjährige „Autor in Residenz“ in Echternach. Zum Abschluss seines Aufenthaltes luden die Organisatoren der Autorenresidenz zu einem Leseabend ins Trifolion ein.

„Finn-Ole Heinrich ist Deutschlands wohl bekanntester Nachwuchsautor, eine Art Wetterleuchten am grauen Literaturhimmel“, schrieb die deutsche Tageszeitung Die Welt über den diesjährigen „Struwwelpippi“-Autor.

Informationen:

www.struwwelpippi/literaturarchiv.lu

www.finnoleheinrich.de

Seit 2002 lädt die Stadt Echternach in jedem Jahr eine Autorin oder einen Autor in die Kinder- und Jugendbuch-Autorenresidenz „Struwwelpippi“ zur Springprozession“ ein. Heinrich Hoffmanns „Struwwelpeter“ und Astrid Lindgrins „Pippi Langstrumpf“ standen Pate bei der Namensgebung der Autorenresidenz, die vom „Lëtzebuerger Literaturarchiv“ in Mersch, der Stadt Echternach und dem Kulturministerium organisiert wird.

In diesem Jahr fiel die Wahl auf Finn-Ole Heinrich, geboren 1982 in Cuxhaven, der als freier Autor in Hamburg lebt. Heinrich wurde mit verschiedenen Literaturpreisen ausgezeichnet, erst kürzlich wurde ihm der Deutsch-Französische Jugendliteraturpreis für seinen Roman „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt“ verliehen.

Anspruchsvoll unterhaltend

Der Leseabend „kurz & schmerzhaft“ bildete den Abschluss der 13. Autorenresidenz, zu dem die Initiatoren am Montag ins Trifolion eingeladen hatten. Für John Peffer ist es die letzte Residenz, die er begleitet. Seit 2002 ist er dabei und kümmert sich gemeinsam mit seiner Frau Edmée um die Koordination und die „Struwwelpippi“-Autoren.

Claude Conter bezeichnet ihn als Seele des Projekts. Jetzt gibt er die Aufgabe weiter an Sandra Turk-Weber. In diesem Jahr, sagt John Peffer, habe man einen guten Griff getan mit der Auswahl des Autors. Finn-Ole Heinrich sei ein angenehmer Zeitgenosse und ein guter Autor. Er nehme die Kinder ernst, stelle aber Anforderungen durch die Wahl seiner Themen. Auch als Erwachsener könne man seine Bücher mit Gewinn lesen. Die ersten Geschichten habe er für Erwachsene geschrieben, erklärt Finn-Ole Heinrich, sein erstes Kinderbuch ist erst vor 2 ½ Jahren erschienen.

Die heutige Lesung ist für Erwachsene gedacht. „Keine Sorge, diese Texte habe ich ihren Kindern nicht vorgelesen“, sagt er lachend. In den Geschichten in seinem Erzählband „Gestern war auch schon ein Tag“ geht es um Menschen, die den Halt verloren haben.

Die Texte, die Finn-Ole Heinrich zum Vorlesen ausgewählt hat, sind in der Ich-Form verfasst, für jeden seiner Protagonisten hat er dabei einen ganz eigenen Ton gefunden. In der ersten Geschichte ist es ein 14-jähriger Junge, der in einem Heim für verhaltensauffällige Kinder lebt, den er in einem rotzig-kühlen Ton sprechen lässt. Der zweite Text ist nur auf CD erschienen, die Heinrich zusammen mit dem Musiker Spacemann Spiff aufgenommen hat. „Du drehst den Kopf, ich dreh den Kopf“ ist im Tagebuchstil geschrieben und dreht sich um den Verlust eines geliebten Menschen, wobei sich die eigentliche Geschichte aus dem ergibt, was nicht erzählt wird. Es sind nicht die einfachen Themen, über die Heinrich schreibt, für komplexe Gefühlslagen findet er einfache, treffende Worte und erzeugt damit beim Zuhörer eine Stimmung, die lange nachschwingt. Zudem ist er auch noch ein großartiger Vorleser, der seinen Geschichten ganz unübertrieben eine Stimme gibt.

Einfühlsamer Tiefgang

Heinrich traut sich, auszusprechen, was man sich selbst nicht eingestehen mag. Weil es nicht zu dem Bild passt, was er von sich selbst hat. Darf man an Trennung denken, wenn die Freundin behindert wird? Müsste man sich nicht dafür schämen, wenn man lieber eine gesunde Freundin hätte? Solche Zweifel plagen den Protagonisten der dritten Geschichte, mit der Heinrich die Zuhörer „kurzweilig & schmerzhaft“ unterhält.

Musikalisch kongenial begleitet wird die Lesung von dem Multiperkussionist Sven Kiefer, unter anderem auf einem ungewöhnlichen Instrument, von dem er schmunzelnd sagt, es sei kein „Weber-Grill“, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht.

„Es ist schon toll“, sagt Finn-Ole Heinrich am Ende des Abends, „dass Echternach sich eine Kinder- und Jugendbuchautorenresidenz leistet. Langfristig wird es sich für die Kinder auszahlen“. Nicht nur für die Kinder, für die Erwachsenen auch.