Preußen contra DDR

Preußen contra DDR
Südseite vom Schloss Sans Souci

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Im Oktober soll es losgehen. In Potsdam wird der Turm der im Krieg beschädigten und 1968 abgerissenen Garnisonkirche wiederaufgebaut. Ebenfalls im Herbst soll das Gebäude der Fachhochschule am Alten Markt, ein maroder 70er-Jahre-Bau, der Abrissbirne zum Opfer fallen. Beide Bauwerke haben scheinbar nichts miteinander zu tun. In ihnen kristallisiert sich jedoch ein Streit, der die Stadt teilt. Es ist ein Kampf zwischen der Rückbesinnung auf alten preußischen Glanz und zweckmäßiger DDR-Moderne.

Hotel trotzt der Schloss-Achse

Potsdam ist die charmante kleine Schwester von Berlin, hier baute König Friedrich der Große sein zauberhaftes Lustschloss Sanssouci, im Schloss Cecilienhof besiegelten die Alliierten 1945 die Teilung Deutschlands. Von der einst barocken Architektur blieb im Zentrum nicht viel erhalten. Viele Gebäude wurden im Krieg zerstört, die meisten in der DDR abgerissen. Einzig der frühere Marstall des Stadtschlosses blieb erhalten, seit 1981 residiert hier das Filmmuseum. Nach dem Fall der Mauer beschloss die Stadtverordnetenversammlung eine „Wiederannäherung“ an das historische Stadtbild.

Stadtschloss vor Nikolaikirchenkuppel an der Havel (Foto: Roland.h.bueb/gemeinfrei)

Das rekonstruierte Stadtschloss steht wieder auf dem Alten Markt, 2014 zog hier der brandenburgische Landtag ein. Eigentlich sollte auf dem Platz das Hans-Otto-Theater seine neue Spielstätte finden. Doch der Rohbau wurde 1991 eingestampft, das Theater hat sein Domizil nun zwei Kilometer weiter weg vom Zentrum. Gegenüber dem Schlossneubau musste ein Sportstadion dem wieder erweckten Lustgarten weichen. Dazwischen steht ein Hotel.

Das Mercure Hotel Potsdam gegenüber des brandenburgischen Landtags (Foto: gemeinfrei)

Der 17-geschossige Bau ist den Preußen-Fans ein Dorn im Auge. Viele alteingesessene Potsdamer haben jedoch auch gute Erinnerungen an ihre Jugendweihe oder an Tanzabende dort. Das einstige Interhotel gehört heute zur Mercure-Kette.

Engagiert: Software und Fernsehen

Hier kommen zwei berühmte Neu-Potsdamer ins Spiel, die in den vergangenen Jahren viel für die Stadt gespendet haben. Hasso Plattner, der als Mit-Gründer der Softwareschmiede SAP zu Milliarden kam, für das Schloss 20 Millionen Euro (21,8 Millionen Franken) spendete und ein Softwareinstitut in Potsdam ansiedelte, wollte auf der Fläche des Hotels eine Kunsthalle errichten.

Das Museum Barberini vom Alten Markt aus fotografiert. (Foto: Daniel Naber/gemeinfrei)

Tatkräftig unterstützt wurde er von Günther Jauch. Der populäre Fernsehmoderator wohnt seit den 90er Jahren in der Stadt.  „Sozialistische Notdurft-Architektur“ nannte er das kastenförmige Hotel. Doch die französischen Eigentümer scheinen nicht gewillt, das gut gebuchte Vier-Sterne-Haus in exponierter Lage aufzugeben. Plattner hat seinen Traum woanders verwirklicht. Anfang 2017 wurde das von ihm gestiftete Museum Barberini mit historisierender Fassade in der Nähe des Landtagsschlosses eröffnet.

Kirche statt Ateliers

Garnisonskirche, 1904

Ein paar hundert Meter entfernt soll die Garnisonkirche für 38 Millionen Euro wieder entstehen. Zwölf Millionen Euro steuert der Bund bei, Kirchenkredite und Spenden sollen den Rest sichern. Für Kritiker ist sie ein Symbol des preußischen Militarismus. Doch der Neubau hat jetzt Rückendeckung von oben, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernahm die Schirmherrschaft und hofft auf einen „Lernort deutscher Geschichte“. Zunächst wird der Turm errichtet. Für das Kirchenschiff soll ein fünfgeschossiger Bau weichen, der in der DDR ein Rechenzentrum war und in dem nun Künstler arbeiten. Bis 2018 haben Sie noch eine Galgenfrist.

Abriss am Alten Markt

Das alte Gebäude der Fachhochschule Potsdam.

Auch das Haus der Fachhochschule am Alten Markt ist kein schönes Gebäude, an der Fassade bröckelt die Farbe. Studenten besetzten es vergangene Woche, die Räumung durch die Polizei verlief weitgehend friedlich. Nach dem Abriss im Herbst sollen hier Wohnungen entstehen. Andere wollen das Gebäude dagegen sanieren und als Zentrum für Bildung und Kultur wiederbeleben. Das Bündnis „Stadtmitte für alle“ und die Initiative „Potsdams Mitte neu denken“ wollen eine Stadt, die zu all ihren Epochen steht. Doch Oberbürgermeister Jann Jakobs machte dieser Tage deutlich, es bleibe beim Fahrplan zur Entwicklung der Stadtmitte.

– Stefan Uhlmann –