Metalwalze

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Of Mice and Men & In Flames & FFDP überrollten Luxemburg

Stellte mein Kollege Jeff Schinker nicht erst vor einigen Tagen treffend fest, dass Metal-Bands mittlerweile gerne im Dreierpack auftreten, so waren es dann am vergangenen Dienstag mit Of Mice and Men, In Flames und Five Finger Death Punch wieder drei Vertreter des Metal-Genres, die Luxemburg quasi wie eine Dampfwalze überrollten und klarmachten, warum Metal-Musik noch lange nicht am Ende ist.

„Geknëppels“ par excellence

Um kurz vor sieben Uhr wurde die Hauptbühne in der Rockhal in ein tiefes Dunkelblau gehüllt, welches später in ein dunkles Schwarz überging. Mit Of Mice and Men trat eine Metalcore-Band aus Kalifornien zum ersten Gongschlag den Abends an und konnte mit einem starken, durchdringenden Sound und gnadenlosem – es sei mir an dieser Stelle der Rückgriff auf ein sehr treffendes luxemburgisches Wort erlaubt – „Geknëppels“ überzeugen. Songs wie „Pain“, „You make me sick“und „Warzone“ luden dazu ein, aufgestaute Wut rauszuheadbangen und seine ganze Energie hineinzustecken.

Of Mice and Men nutzten ihre 30 Minuten Spielzeit dann auch voll aus und verzichteten auf jegliche Kommunikation. Die Musik steht bei ihnen in jeder Hinsicht im Vordergrund. Einzig der Wunsch eines Flashmobs, bei dem jeder kurz in die Hocke gehen sollte, wurde den Fans kommuniziert und dieser Bitte wurde bedingungslos Folge geleistet.

Wer ist der eigentliche Headliner?

Die Weichen für den Abend waren somit gelegt und die Metalwalze rollte und „knëppelte“ kontinuierlich weiter – mit dem Unterschied, dass es bei den Schweden von In Flames viel bebilderter und musikalisch melodischer weiterging. In Flames zählen seit Jahren zum festen Festival-Repertoire und belegen nicht ohne Grund die besten Timeslots. Es gibt nur wenige Bands, die das Subgenre des melodischen Death-Metal so geprägt haben wie sie. Die in den letzten Jahren fortschreitende Entwicklung weg von den Wurzeln hin zu moderneren Pfaden wurde nicht von jedem Fan gut angenommen – von Antipathie konnte aber auch bei den sechs Songs vom 2016 erschienenen Album „Battles“ („Before I fall“,“Drained“,“Here until forever“, „Save me“, „The Truth“ und „The End“) während des Konzerts keine Rede sein.

Während der rund 80-minütigen Spielzeit gab es für die Fans kaum Verschnaufpausen, sinnbildlich hierfür die Aussage des Frontmannes Anders Fridén: „Somebody told me that Luxembourg likes fast shit my freunds – so please start running.“ Mit 19 Songs bekam die Masse ein wahres headlinerwürdiges Set geboten. Hinzu kommt, dass In Flames immer noch wie die Band von nebenan wirkt und immer noch die Nähe zu den Fans sucht. Dieses Familiengefühl spürte man besonders stark, als Fridén eine kleine Rekapitulation der Musikerkarriere von In Flames formulierte: „How do you feel getting in the bus and traveling with us? You know, you start a band, drink a beer, play some songs and shortly after, you land in fucking Luxembourg. You know, it’s fucking boring to rehearse, but without you people, we wouldn’t be anywhere and believe me, Swedish people never lie …“ Und am Dienstagabend wurde klar, dass man eigentlich sehr gerne mit den fünf Herren aus Schweden auf eine Reise gehen würde …

Die letzten Rockstars?

Bevor man allerdings diese Reise hätte antreten können, war es um kurz vor 22 Uhr Zeit, mit Five Finger Death Punch den eigentlichen Headliner des Abends zu begrüßen. Die Dampfwalze setzte zum finalen Rundumschlag an. Five Finger Death Punch (ab jetzt FFDP) können wohl als die Metal-Shootingstars der letzten Jahre bezeichnet werden, füllen sie doch vor allem in den USA zusehends die größten Hallen und besetzen auf Festivals des Öfteren Headliner-Slots. Legendäre Bands wie Judas Priest oder Saxon eröffnen die Konzertabende für FFDP und nicht, wie man vermuten könnte, umgekehrt. Umso verwunderlicher ist das, da FFDP eine Hardrock/Alternative-Trashmetal-Band aus Las Vegas ist, die erst 2005 gegründet wurde und somit – im Vergleich zu In Flames oder oben genannten Judas Priest – doch vergleichbar neu ist. Nichtsdestotrotz haben sich FFDP in der letzten Dekade als potenzieller neuer Headliner manifestiert, der konstant schlüssige, dynamische und schnelllebige Alben abliefert.

Hinzu kommt, dass sich FFDP auch außerhalb des Musikgeschäfts engagieren und mit der „No one gets left behind“-Kampagne für Kriegsveteranen starkmachen, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Leider (oder Gott sei dank?) wurde dieses Bild in den letzten Jahren zusehends brüchiger, da der sehr charismatische Frontmann Iwan Moody mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte und oft Konzerte abbrechen oder absagen musste, da er körperlich einfach am Ende war. Wer jedoch dachte, er wäre auch einer dieser Rocker, die in dieser diabolischen Spirale gefangen bleiben, konnte sich am Dienstag davon überzeugen, dass das Gegenteil der Fall ist. Die stimmlichen sowie körperlichen Leistungen Moodys waren mehr als nur überzeugend. Etwaige Parallelen zu Billy Joe (Green Day) oder Keith Richards (Rolling Stones) wären in diesem Zusammenhang keinesfalls fehlerhaft und offenbaren vielleicht, warum FFDP als die letzten wahren zukünftigen Rockstars angesehen werden können.

Musikalisch wurde mit dem Hardrock-Metal-Quintiple „Lift me up“, „Never enough“, „Wash it all away“, „Got your six“ und „Ain’t my last dance“ in den ersten 30 Minuten schnell ersichtlich, in welche Richtung es gehen sollte. Mit dem anschließenden Cover von Bad Companys gleichnamigem Song „Bad Company“ wurde die Handbremse etwas angezogen und Tempo rausgenommen, was aber in keinster Weise die Stimmung runterzog. Wer etwas Zeit hat, sollte sich dieses Cover unbedingt anhören, und wer es nicht kennt,  sollte dies ebenfalls tun – denn es lohnt sich. Mit „Wrong side of heaven“ und „Remember everything“ wurde der Akustik-Part des Konzertes sehr kurz gehalten. Dieser zeichnete sich vor allem durch den tiefen und klaren Gesang Moodys aus, der nur von einer Akustik-Gitarre begleitet wurde und eine intensive Emotion auslöste. Mit dem Klassiker „Coming down“ wurde ein Song ausgewählt, der den Spagat zwischen angezogener Handbremse und sechstem Gang phänomenal einleitete und zum Finale ansetzte: Nach „Jekyll and Hyde“, „Under and over it“ und „The Bleeding“ war die Rockhal eindeutig plattgewalzt …

Offene Bühnenkonstruktion

Irgendetwas war allerdings am Dienstag anders – lange wusste man nicht, was. Die Metal-Community hatte sich eingefunden, die Musik stimmte, aber etwas war anders. Erst nachdem einige Fans Fotos mit ihren Smartphones geschossen hatten (was in keiner Weise positiv bewertet werden sollte), wurde klar, dass die Bühnenkonstruktion viel offener und tiefer ist. Die langen, schweren, störenden schwarzen Vorhänge wurden gänzlich abgehängt, man hatte von allen Seiten einen perfekten Blick auf die Bühne und konnte die Action von überall her mitverfolgen. Einige Konzertbesucher waren der Meinung, dass diese Bühnenkonstruktion nicht nur dem Visuellem, sondern auch der Akustik guttat. Dem kann man eigentlich nur beipflichten.

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass die Metal-Familie sich wieder einmal das Versprechen gegeben hatte, einen intensiven energiegeladenen Abend miteinander zu verbringen und dieses Ziel wurde erreicht. Und dem kleinen Jungen, der ein Rob-Zombie-Shirt trug, bleibt nur zu wünschen, dass er dieser Musikrichtung für immer treu bleibt …

 

Von Sascha Dahm