Knastparty bei Moselwein: Uraufführung von „Nom Iesse gi mer an den Hobbykeller“ im TNL

Knastparty bei Moselwein: Uraufführung von „Nom Iesse gi mer an den Hobbykeller“ im TNL

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Die zehnte Theater-Kooperation zwischen Frank Hoffmann und Guy Rewenig, „Nom Iesse gi mer an den Hobbykeller“, ist eine bittere Satire auf die (Un-)Tiefen der luxemburgischen Gesellschaft: beklemmend, sprachlich berauschend und schauspielerisch überzeugend.

Von unserer Korrespondentin Anina Valle Thiele

INFO

„Nom Iesse gi mer an den Hobbykeller“, von Guy Rewenig, Uraufführung; Regie: Frank Hoffmann. Mit: Jean-Paul Maes (de Riichter) und Marc Baum (de Procureur). Premiere war am 22. Oktober um 20 Uhr im Théâtre national du Luxembourg. Vorstellungen im CAPE (Ettelbrück) am 29. und 30. November um 20 Uhr.

Es beginnt wie ein gemütlicher Herrenabend. Doch der Schein trügt. Ein mondänes Szenario im Foyer des TNL. Bei launiger Klaviermusik und Kerzenlicht sitzen zwei betuchte Männer an einem opulent gedeckten Tisch und schlürfen Wein: der Richter (Jean-Paul Maes) und der Staatsanwalt (Marc Baum) philosophieren über Weine.

Pinot gris oder Gewürztraminer? Elbling!

„Léiwer en éierlechen, klenge Wéngche vun der Musel, wéi en opgedonnerte Grand Premier Cru aus dem Hexagon“, sagt der Staatsanwalt nicht ohne Snobismus. – Zwei Männer in hohen juristischen Positionen plaudern erstmals in privater, heimeliger Atmosphäre, zum Beispiel über das Anwesen, auf dem sie zusammengekommen sind: „Eng prachtvoll Lag. Ee Kilometer am Ëmkrees keng aner Haiser. Wou fënnt een dat dann nach?“ Der Richter zuckt mit den Schultern. Das sei ganz einfach, wenn man Geld habe. Ein Wink mit dem Zaunpfahl und ein unverkennbarer Link zu Luxemburgs politisch aktueller „Gartenhäuschen-Affäre“. Das Gespräch dreht sich um die Urlaubsziele der Ehefrauen, die Herkunft ihrer Putzhilfen oder die Finten ihrer Muttersprache, Lëtzebuergesch. Der Staatsanwalt „Finnland seet mir näischt. Do versteet ee kee Fatz. Also, ech mengen d’Sprooch.“ Richter: „Hei ass et och net grad grandios – mat der Sprooch. Eng verréckt Sprooch hu mir hei. Vill ze kleesper. Stänneg feelen engem d’Wierder.“

Trocken entgegnet der Staatsanwalt, es werde sowieso viel zu viel palavert, in der Sprache, die nur so vor Anleihen und Entlehnungen aus dem Deutschen wimmelt. Wie sagt man eigentlich Prügelknabe auf Lëtzebuergesch? „Brigelknob?“ „Beetschbouf!“ Die starke Textgrundlage von Guy Rewenig basiert auf einer Kurzgeschichte aus dem Buch „Do wéinstens däi Sonnebrëll aus, wann s du mam Kapp duerch d’Mauer renns. Geschichten an Erzielungen“ (Editions Guy Binsfeld 2017). Die Produktion markiert den Höhepunkt einer zehnjährigen Zusammenarbeit zwischen dem TNL-Intendanten Fränk Hoffmann und dem Autor Guy Rewenig.

„Vakanz doheem“

Die zwei Juristen im Stück bevorzugen die „Vakanz doheem“: „Ech maache léiwer Vakanz hei am Eislek.“ Anekdoten austauschend, konkurrieren sie mit ihren sinnlich-exotischen Haushaltshilfen – die eine aus Portugal, die andere aus Serbien. Die „Putzfrau“ Joanna hat sie vor ihrem Urlaub nochmal fürstlich bekocht. Baccalao ist die Basis. Eine Putzfrau – das Wort klänge wohl abwertend –, die kocht! Wenn er von ihr erzählt, gerät der Richter ins Schwärmen: „D’Joanna ass eng fondamental positiv Natur – mir laache vill.“ Er fiebert den Putztagen regelrecht entgegen. Ein Highlight im routinierten Alltag.

Portugal und Serbien sind hier gleichermaßen Synonyme für Exotik. Kein Wunder, dass den beiden Herren irgendwann danach ist, den Sonnenuntergang anzuschauen.
Das alkoholgetränkte Palavern führt irgendwann in den Keller. Billard oder Tischtennis? Federball! Bis der Richter verkündet: „Nom Iesse gi mer an den Hobbykeller.“

Spielarten der Perversion

Gespannt zieht das Publikum in den eigentlichen Theatersaal, in dem es von zwei Seiten auf eine vergitterte Käfigkonstruktion blickt. Es gibt zahlreiche Spielarten der Perversion. Warum nicht eine Jail-Party? Der Nervenkitzel liege in der echten Erfahrung, einmal eingesperrt zu sein. – Ein Novum für einen Richter und einen Staatsanwalt! Da käme man endlich herunter von seinem hohen Ross.

Die Gäste? Achmed und Mustafa aus dem Mittelmeerraum. Sie saßen schon wegen kleinkrimineller Delikte im Knast. Sind es Tunesier, Marokkaner oder Ägypter? Ein Schulterzucken. Es könnten auch Libanesen sein; keiner weiß, ob sie nicht mit gefälschten Pässen eingereist sind … Guy Rewenig baut eine menschelnde Komponente ein, die etwas zu pädagogisch daherkommt. Stimmen ihre Namen? „Et ass am Fong net wichteg. Et geet jo ëm de Mënsch. Net ëm de Mënsch säin Numm. Nimm sinn nëmmen Dekoratioun.“

Jean Asselborn saß anlässlich der Premiere auf den Stufen neben den Zuschauerreihen und nickte. Die Käfigkonstruktion sei gewagt, wird er später einräumen.

In der Tat vermittelt die Bühne mit den Gitterkäfigen einen klaustrophoben Effekt. Doch die Konstruktion zieht die Zuschauer gleichermaßen in ihren Bann … Marc Baum und Jean-Paul Maes, deren schauspielerisches Niveau konstant stark bleibt und die zwischen den Käfigen auf und ab klettern, verstärken diesen Effekt. Irgendwann werden sie als Gefangene betatscht und befummelt und laufen in den Käfigen herum wie Tiger oder starren stumpfsinnig ins Leere.

Kein „Vorführeffekt“

Wohltuend ist, dass auch die Geflüchteten von den beiden luxemburgischen Schauspielern gespielt werden. So wird ein wahrer „Vorführeffekt“ vermieden. Rasch machen sich Verschwörungstheorien breit: „Si verstinn eis jo net; si schwätzen iwwer eis“ und es fallen Plattitüden … Der Staatsanwalt: „Et kéint jo sinn, datt den Alkoholkonsum si a gréisser Schwulitéite stierzt. Vläicht ass den Alkohol net kompatibel mat hirer Kultur.“
Am Ende wird sich mit Grappa zugeprostet: Ein Hauch von Pinot noir oder ist es doch Gewürztraminer? In dem alkoholgetränkten Geplänkel mimt Jean-Paul Maes überzeugend den Trunkenbold und lallt mit schwerer Zunge.

Rewenigs bissige Heimatparodie bietet einmal mehr Einblicke hinter die bürgerliche Fassade Luxemburgs. Der Text entlarvt den (vermeintlich) toleranten Diskurs einer Gesellschaft, die im Überfluss lebt, und stellt sie ironisch vor die Frage unseres Umgangs mit hier lebenden Minderheiten, ob nun PortugiesInnen, SerbInnen oder Geflüchtete aus dem Mittelmeerraum. Durch den Verfremdungseffekt wird klar: Der Fremde – das sind auch wir!

 

 

Von unserer Korrespondentin Anina Valle Thiele