SOHN: Klinische Hipster mit Herz

SOHN: Klinische Hipster mit Herz

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Zu Beginn des Konzerts konnte man durchaus skeptisch sein angesichts dieser scheinbar etwas aseptischen, klinischen Hipster, die irgendwie klingen, als hätte man die DNA verschiedener angesagter Acts gekreuzt, um zwar tolle, aber wenig innovative Musik zu schaffen. So klingen Sohn mal wie City and Colour, die elektronische Klänge für sich entdeckt hätten – was hauptsächlich an der wirklich wunderbaren Stimme von Christopher Taylor liegt, die live beeindruckend tonsicher bis in die Falsettos ist und besonders auf „Fool“ an Dallas Green erinnert (obwohl dessen damalige Hauptband Alexisonfire definitiv mehr Ecken und Kanten hatte.) Dann erinnern Sohn wiederum an eine glattere Version von Yeasayer zur Zeit von deren Album „Fragrant World“ (siehe „Oscillate“). An eine etwas weniger pathetische Variante von RY X. Einen poppigeren Bon Iver. All diese Vergleiche ehren die Band, da sie ein hochkarätiges Referenzraster zeichnen, inmitten dessen sich Sohn bewegen. Trotzdem klingen Sohn manchmal, als hätte man den für Künstler seit der Entdeckung der Psychoanalyse doch so wichtigen Vatermord nie begangen.

Während der Live-Show tut dies dem Genuss einer unter dem Strich ausgeklügelten Setlist aber keinen Abbruch, was unter anderem an der Spielfreude der Band liegen dürfte, die vor einem zwar spärlich gefüllten Atelier, aber einem doch sehr enthusiastischen Publikum spielte. Spätestens bei „Oscillate“ (an dritter Stelle) hat einen die Mischung aus organischem Falsetto und melancholischen Synthies gepackt. Die Live-Drums (meist elektronisch) geben den Songs zusätzliche rhythmische Tiefe, die Synthies beginnen oftmals mit minimalistischem Elektro aus dem Club und intensivieren sich dann zu dichteren, flächigeren Sounds (auf dem schönen „Lights“). Auf „Lessons“ klingen die Arpeggi fast schon nach Nils Frahm. Bleibt der Mittelteil der Setlist von einer etwas zu seichten Ballade markiert, kommt das Trio gegen Ende richtig in Fahrt, ab „Hard Liquor“ kommen nur noch Hits, was das Publikum dankend begrüßt – und die Band dazu verleiten wird, zweimal für Zugaben zurückzukehren, um dann mit „Artifice“, „Conrad“ und „Nil“ nochmal ihre Stärken zu zeigen.

Auffallend ist, wie angenehm die Tracks ineinandergreifen: Sohn spielen 16 Songs in ungefähr 70 Minuten. Das zeugt eigentlich von einem kompakten Set. Dass die Musiker durch die Setlist gerannt seien, kann man trotz dem verlockenden Wortspiel (das zweite Album der Band heißt „Rennen“) allerdings nicht behaupten. Die mittlerweile dank Neuzusatz auf den Drums zum Trio gewachsene Band hat sich durch die Kompaktheit nur vergewissert, dass keine Langeweile aufkommen konnte. Ein durchaus intelligentes Verfahren, muss sich die Band doch bewusst sein, dass ihre Songs sich trotz mitreißendem Songwriting doch manchmal etwas ähneln. Was wohl an einer stilistischen Schablone lieft, welche die Band von Song zu Song etwas zu sorgfältig ausstanzt. Deswegen sind es gerade die Momente des Konzerts, in denen die Synthies sich zu mehr Intensität, mehr Dichte zuspitzen (am Ende von „Bloodflows“ und dem schönen „Lights“), die den Bandsound dann von der klassischen Dichotomie zwischen emotionsgeladener Stimme und aseptischen Synthies ableiten und ein kathartisches Momentum anpeilen – das dann aber abrupt zu Ende gebracht wird.