Klangwelten: Dunkelbunt – Von lieblichen Tönen und düsteren Klängen

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Diese Woche: Robert Plant, Belphegor, die Solistes européens Luxembourg und Barbara Hannigan.

Armer Jimmy Page

Von Gil Max

Jimmy Page kann einem leidtun. Seit Jahren versucht er, seinen alten Weggefährten zu einer Led-Zeppelin-Reunion zu bewegen, und was tut der? Schert sich einen feuchten Kehricht um die von der ganzen Welt gewünschte Wiedervereinigung und veröffentlicht ein geniales Soloalbum nach dem anderen.

„Ich muss immer das Alte mit dem Neuen verbinden“, erklärte Robert Plant zur Veröffentlichung von Carry Fire, seinem neuen, insgesamt elften Album unter eigenem Namen. Man muss sich nur das perkussive Eröffnungsstück „May Queen“ anhören, um zu verstehen, was er meint. Das Lied kombiniert auf raffinierte Art und Weise den luftigen Folk von „Led Zeppelin III“ mit Plants Liebe zur Weltmusik und ist natürlich auch eine augenzwinkernde Anspielung auf „Stairway To Heaven“.

Sensationelle Space Shifters

Die Folkvariante, die er auf seinem letzten Album mit seiner Begleitband, den Sensational Space Shifters, ins Leben gerufen hat, wird hier konsequent weiterentwickelt. Diese betörende Musik ist gleichermaßen in Plants Heimat, das heißt im englischen West Bromwich zu Hause, wie in Marrakesch oder Timbuktu.

Mit Ausnahme von „Bluebirds Over the Mountain“, einem obskuren Stück aus den 50ern, das der Meister zusammen mit Gastsängerin Chrissie Hynde souverän in die Gegenwart holt, sind alle Songs Eigenkompositionen. Der 69-Jährige, dessen Gesangsunterricht seiner eigenen Aussage zufolge immer nur darin bestand, „ein Paar sehr große Ohren zu besitzen“, veredelt sie mit seiner großartigen Stimme.

Wie sein nuancenreicher Gesang in voller Bandbreite immer noch durchklingt, ist in der Tat verblüffend. Im Gegensatz zu früher kommt er jedoch vor allem bei den ruhigeren Stücken voll zur Entfaltung. Die Space Shifters versehen ihrerseits diese wunderbaren Songs mit einem ebenso nuancenreichen Hybridsound, der einerseits tief in der Tradition verwurzelt ist, andererseits mit Drumloops elektronisch aufgemotzt wurde.

Keine Sorge, Jimmy: Im nächsten Jahr klappt es zum 50. Geburtstag doch noch mit der Led-Zep-Reunion; wetten?

 

Uerdnung am Chaos

Von Yves Greis

Melodesch. Granzeg. Brutal. Mat hirem Totenritual loossen d’Éisträicher Bouwe vu Belphegor ee Black-Metal-Donnerwieder op d’Ouere vun den Nolauschterer lass. Eng schwaarz-däischter Symphonie, déi souguer vun den Dämonen aus der Hell an den Himmel muss gelueft ginn.

Iwwer déi vill Joeren, wou et Belphegor scho gëtt, si se vill mei seriö ginn. Dat wëll awer op kengster Weis heeschen, datt si elo brav oder langweileg gi sinn. Och wann op dësem Album kee Lidd à la „Bluhtsturm Erotika“ ze fannen ass, dem legendäre Black-Metal-Gassenhauer vum 2006er Album „Pestapokalypse IV“.

Egyptesch Gottheet

„Totenritual“ bréngt et fäerdeg, béis a rotzeg ze sinn a gläichzäiteg propper produzéiert an technesch ob engem ganz héijen Niveau. Wikipedia féiert d’Band haut och ënner „Blackened Death Metal“, mee fänke mir déi Diskussioun léiwer net un.
Dat beschte Beispill dofir, wat Belphegor ob dëser Plack fäerdegbréngen, ass den Track „Apophis – Black Dragon“. An deem Lidd benotze Belphegor eng sëlleche verschidde Sproochen, vu Latäin iwwer Englesch bis Däitsch. Thematesch beweegt sech d’Lidd, wann och nëmmen duerch den Numm vun der besongener Gottheet, an der egyptescher Mythologie. „Apophis – schwarzer Drache des Khaos; Apophis – Verwüster und Zerstörer; Apophis – Drachenschlange der Finsternis“, heescht et am Lidd. Mee och musikalesch ass de Verglach mat der US-amerikanescher Technical-Death-Metal-Band Nile, déi hire komplette Repertoire op dem Pantheon vum alen Egypten opgebaut huet, duerchaus ubruecht. Belphegor benotze fir dëst Stéck déi Form vu „orientalescher“ Melodie, déi Nile geprägt hunn, an den Niveau an d’Vitess, mat deenen d’Museker hiert Handwierksgeschier malträtéieren, mussen de Verglach mat Nile net fäerten.

Déi zwou Bands kenne sech natierlech a si fréier schonn zesummen op Tournée gaang. Et wier nawell verständlech, wann een, deen „Apophis“ déi éischte Kéier héiert, géif mengen, en hätt et hei mat Nile ze dinn an net mat den Hären aus Éisträich. Soite: Mat dësem Album beweise Belphegor, datt de Black-Metal-Olymp net a Griicheland, mee matzen an den Alpe muss leien.

 

Hochexpressive Eroica

Von Alain Steffen

Nach dem OPL und einigen einheimischen Solisten präsentieren nun auch die „Solistes européens Luxembourg“ ihre erste CD unter Christoph König auf einem internationalen Label. Auf dieser CD des Labels Rubicon erlebt der Hörer ein typisches König-Programm.  Eigentlich handelt es sich um zwei Live-Mitschnitte aus der Philharmonie Luxemburg vom Januar 2011 und vom Februar 2012. Der Toningenieur Marco Battistella und seine Kollegen machenzwar inzwischen bessere Aufnahmen; insbesondere der Klang und vor allem die Struktur der 1. Symphonie von Etienne-Nicholas Méhul verlieren sich aber ein bisschen im großen Auditorium der Philharmonie.

Und wer den Dirigierstil von Christoph König kennt und schätzt, nämlich die Werke in möglichst klaren Linien und einer hörbaren und erkennbaren Struktur aufzuführen, wird hier wohl etwas enttäuscht sein. Die Wirkung von Méhuls Musik, die ohnehin nicht sonderlich stark ist, allerdings hervorragend von den SEL gespielt und von König dirigiert wird, verpufft und als Hörer bekommt man das Werk kaum zu fassen. Viel besser dagegen die 3. Symphonie „Eroica“ von Ludwig van Beethoven.

Dunkel und dramatisch

Die Wiedergabe klingt sehr räumlich, der Grundklang ist dunkel und dramatisch und König kann hier ein überzeugendes Konzept vorlegen. Wenn der Anfang des ersten Satzes vielleicht ein bisschen trocken gerät, so erlaubt dies den Interpreten und der Musik, sich bis zum Schluss kontinuierlich zu steigern. Atemberaubend und sehr emotional die „Marcia funebre“, die unter Königs Händen eine unwahrscheinliche Tiefe erreicht.

Die SEL spielen mit höchster Expressivität, begeistern dann in den folgenden Sätzen mit einer großen Virtuosität und Wendigkeit. So bleibt am Ende vor allem diese hervorragende „Eroica“ im Gedächtnis, die zeigt, dass König und seine SEL ein eingespieltes Team sind und vor allem, dass sie sich in Sachen Spieltechnik und Aussagekraft nicht vor den bekannteren Ensembles verstecken müssen. Ich persönlich ziehe diese Interpretation der SEL und Christoph Königs vielen anderen von Stardirigenten wie Rattle oder Thielemann wegen ihrer Ausgewogenheit und Musikalität vor.

 

The incredible Barbara Hannigan

Von Alain Steffen

Diese tolle CD sollte man sich nicht entgehen lassen. Es ist vor allem die Sängerin und Dirigentin Barbara Hannigan, die hier einfach nur fasziniert. Hören Sie sich nur Luciano Berios „Sequenza III“ an, ein außergewöhnliches Stück Musiktheater, das ohne instrumentale Begleitung dargeboten wird.

Ursprünglich für Mezzosopran geschrieben, hat die Sopranistin die Partie etwas höher gelegt und beeindruckt mit ihrem absolut reinen Gesang und ihrer hellen, anmutig klingenden Stimme. „Sequenza III“ ist für Berios Frau Cathy Berberian, eine virtuose Sängerin/Schauspielerin, geschrieben worden. Neben dem Singen integriert der Komponist hier weitere Ausdrucksmöglichkeiten wie beispielsweise Lachsalven, Zähneklappern oder Zungentriller gegen die Oberlippe sowie 44 Vortragsbezeichnungen, wie z.B. entfernt, verträumt, ekstatisch, äußerst intensiv oder verklingend. „Sequenza III“ ist also eine einmalige Herausforderung, ein Stück einzigartiges Musiktheater für eine Sängerin.

Auch die „Lulu“-Suite von Alban Berg wird mit Hannigan zu einem Leckerbissen. Stimmlich und deklamatorisch singt sie den Text mit einer kaum zu überbietenden Perfektion, daneben begeistert sie als Dirigentin und Interpretin, die sowohl das Sinnliche wie auch das Tragische und Dramatische in Bergs Musik bis ins letzte Detail auszuloten versteht.

Die Frau ist ein Ereignis

Hervorragend das niederländische Ludwig Orchestra, das auch in George Gershwins „Girl Crazy Suite“ mit präzisem Spiel, einem tollen Gefühl für Rhythmus und einer großen Präzision für sich einnimmt. Auch hier hat Barbara Hannigan die Musik fest im Griff und dirigiert und singt einen Gershwin, wie man es sich besser nicht vorstellen kann.

Diese Frau ist einfach ein Ereignis. Der Klang dieser CD ist zudem überragend. Ein absolutes Muss! Als DVD-Bonus gibt es noch den sehenswerten Film „Music Is Music“ von Mathieu Amalric über die Sängerin und Dirigentin Barbara Hannigan.