Gewalt ist der Weg zur Lösung

Gewalt ist der Weg zur Lösung
ex Scott Davis) verrennt sich in der Idee, sie könnte ihre Probleme ohne Gewalt lösen

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„The First Purge“ ist nicht der Trash-Film, den man sich erwarten könnte. Auf der Strecke bleibt allenfalls die wissenschaftliche Ethik. (Spoilerwarnung)

Von unserem Korrespondeten Spoiler MacTrash

Die Prämisse des Films „The First Purge“ ist denkbar simpel. In den USA schafft es eine autoritäre rechte Partei, finanziert von der Waffenlobby, ins Weiße Haus. Ein stilisiertes eisernes Kreuz im Logo zeigt bereits, dass die Partei nicht ganz sauber ist. Besagte Partei entscheidet dann, auf Staten Island eine „Purge“ zu veranstalten.

Für zwölf Stunden werden alle Gesetze außer Kraft gesetzt und alle Verbrechen (auch Morde), die in dieser Zeit begangen werden, sollen folgenlos bleiben. Den Bewohnern der Inseln wird Geld geboten, wenn sie in dieser Zeit die Insel nicht verlassen und mehr Geld, wenn sich an der „Säuberung“ aktiv beteiligen. Initiatorin ist die Psychologin May Updale, die von der Regierungspartei NFFA unterstützt wird. Das Ganze wird der Weltbevölkerung als eine Art Katharsis-Event erklärt.

Bedenkt man die derzeitige politische Lage in den USA, ist der Plot bis dahin eigentlich noch ganz plausibel. Gewisse Parallelen zur Realität sind garantiert nicht unbeabsichtigt. Dass die Heldin des Films einen Angreifer als „pussy-grabbing motherfucker“ beschimpft, ist eine unmissverständliche Ansage an Donald Trump.

Die Psychologin ist das Problem

Die meisten Bewohner tun während der offiziell anberaumten Anomie denn auch das, was man sich hätte denken können: Sie feiern Partys und haben Sex in der Öffentlichkeit. Einige Ladenbesitzer bewachen ihren Laden mit der Schrotflinte unterm Arm. Der lokale Drogenbaron traut dem Braten nicht und verschanzt sich mit seinen Leuten in seinem Hauptquartier, um dort die Nacht auszuharren. Die Protagonistin und Ex des Drogenbarons, Nya, protestiert gegen die Purge und verbringt den Anfang der Nacht damit, Menschen in die Kirche zu bringen, da sie diese (aus nicht nachvollziehbaren Gründen) für besonders sicher hält. Unsere afroamerikanische, weibliche, junge Heldin steht also für die gewaltfreie Lösung, was sie während des Films auch mehrfach sagt. Dem gegenüber steht ihr Ex, der junge Drogenbaron, der zwar alles tut, um seine Freunde und Weggefährten zu schützen, jedoch erstens mit seinen Drogen die Menschen vergiftet und zweitens vor Gewalt nicht zurückschreckt.

Nun ist der Film aber auch wirklich kein Trash. Alles, von den Schauspielern über die Regie bis zum Schnitt, bewegt sich im grünen Bereich. Der Film hat einen durchgeknallten Psycho, der nach einem He-Man-Charakter benannt ist! Und den Ku-Klux-Klan! Und russische Söldner! Und Nazis!

Wo also liegt das Problem? Das Problem liegt bei May Updale, der Psychologin, die das Experiment entworfen hat. Wissenschaftliche Ethik und Integrität kennt Updale nicht. Immerhin: Sie plant qualitative Interviews vor und nach dem Experiment und äußert während des Films auch mindestens eine Hypothese, die sie aufgestellt hat. Das war aber auch alles Gute, das sich über ihre Arbeit sagen lässt.

Gewalt ist der Lösungsweg

In den realen USA regelt die Verwaltungsverordnung „45 CFR 46“ die wissenschaftlichen Ethikkommissionen. Demnach sind bei Studien, die Gelder vom Staat erhalten, die Risiken für die Teilnehmer gegen die möglichen Vorteile aufzuwiegen und zu minimieren. Wenn Kinder teilnehmen – und das tun sie in diesem Fall –, darf nur ein minimales Risiko eingegangen werden. May nimmt allerdings den Tod von Kindern billigend in Kauf. Nach dieser Verordnung hätte das Experiment „Purge“ also nie stattfinden dürfen! Dieses Experiment vorzuschlagen, hätte Updale bereits akademisch in arge Bedrängnis bringen müssen!

Das Schlimmste aber ist, dass sie sich ihre Experimente von einer faschistoiden Partei sponsern lässt, was sie zwar nicht ihre Karriere, aber doch wenigstens ihr Leben kostet. In einer Szene sagt Updale, sie interessiere sich für Wissenschaft, mit der Politik habe sie nichts am Hut. Dann findet sie heraus, dass die Partei sie instrumentalisiert hat und ihr Experiment manipuliert, indem sie weiße Rassisten und Söldner auf die mehrheitlich afro- und hispanoamerikanische Bevölkerung hetzt, die auf der Insel zurückgeblieben ist.
War das vorhersehbar? Absolut! Hat sie die Augen davor verschlossen, weil sie Geld für ihr dämliches Experiment haben wollte? Klaro! Aber wie ergeht es nun den Helden der Geschichte? Immerhin stammt der Film aus den USA. Die Heldin kommt mit ihrer Verstecken-Strategie nicht weit. Die meisten Menschen in der Kirche sterben bei einem Angriff von Rassisten. Die Heldin bewaffnet sich, tut sich mit ihrem Ex zusammen und tötet die Nazis. „Wie geht es nun weiter?“, fragt am Schluss jemand.

„Wir kämpfen weiter!“, antwortet jemand, als die Purge bereits vorbei ist. In Anbetracht dessen, dass im Film die Konfliktlinie zwischen Afroamerikanern, Hispanoamerikanern und weißen Rassisten verläuft – wie derzeit in den USA –, kann diese Kampfansage doch glatt politisch gedeutet werden.

Gewalt ist zwar keine Lösung, aber – wie so oft in amerikanischen Filmen – der Lösungsweg!