Kunstaktion in Esch: Gegen den Shitstorm

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Wie Kunst das Schlimmste oder vielleicht auch nur das Stinkigste verhindern kann

Am Samstag geht das Urban Art Festival – zumindest für dieses Jahr – zu Ende. Bei der Abschlussfeier in der Kulturfabrik wird auf die wochenlange Arbeit verschiedenster in- und ausländischer Künstler zurückgeschaut, die das Stadtbild verändert haben. Während sich die Großzahl der Street Artists Wänden in unterschiedlichen Ecken der Stadt gewidmet hat, sollte der Künstler Marc Pierrard mitten im Zentrum tätig werden. An einem beschissenen Ort. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Auf der „Brillplaz“ in Esch tummeln sich tagtäglich jede Menge Menschen. Obwohl man einen schönen Sommertag auf einer Terrasse in der Nähe des Theaters eigentlich genießen könnte, muss man stets auf der Hut sein und versuchen, keine Fehltritte zu wagen. Denn große wie kleine Füße riskieren hier, ihr Schuhwerk mit einer Pampe zu dekorieren, die weder gut riecht, noch dem Material zuträglich ist. Dies wird nur möglich, weil manche Herrchen ihre Liebsten Performances auf dem Steinboden hinlegen lassen, die nachhaltig stinken. Was dabei etwas erstaunen vermag, ist die Tatsache, dass sich dort eigentlich ein extra WC für die flauschigen Gesellen befindet. Dass diese nicht lesen können, sei ihnen verziehen, aber ihre Halter …

Genau in diesem Kontext sollte kunstvoll Abhilfe geleistet werden und da kommt Marc Pierrard ins Spiel. Er wird nämlich auf der „Brillplaz“ beim Hundeklo etwas anbringen, damit der Ort olfaktorisch wie auch visuell wieder schöner wird. Pierrard schafft quasi eine Beschäftigungsmaßnahme für die Besitzer, damit ihre possierlichen Tierchen so lange auf dem Klosett verharren können wie nötig: „Ich glaube, wenn man etwas dahin setzt, das ein kleines Zeichen setzt und interessant ist, dann kann das funktionieren“, nimmt der Künstler an.  „Deswegen hat es so viele Schichten; man kann es sich hundertmal anschauen und sieht jedes Mal etwas Neues“, erklärt Pierrard sein Werk.

Zwischen zwei Plexiglasplatten hat er viele Schichten an Fotos, Zeitungsausschnitten und Bildern usw. platziert. Bei der Auswahl konnten Anwohner helfen. Das Gesamtkunstwerk hat die Form eines Hundes, der sich seines Überflusses entledigt. Er soll nun also als Vorbild für seine lebenden Artgenossen fungieren. „Wenn du schon einen unter hunderten triffst, passiert schon was“, findet Pierrard. Damit meint er nicht nur die Hunde und Tierhalter, sondern auch Menschen, die sich vielleicht sonst nicht so mit Kunst auseinandersetzen,  „eben deswegen braucht Luxemburg das Open Space als Galerie“.

Marc Pierrard sieht auf eine langjährige Erfahrung als Künstler zurück. Er hat sowohl in Galerien als auch im öffentlichen Raum ausgestellt und weiß, wo vor allem bei Letzeterem die potenziellen Nebenwirkungen liegen. In Villerupt hatte er ein Projekt mit Schülern betreut, im Rahmen dessen auch Fernseher im öffentlichen Raum angebracht, aber relativ zügig zerstört wurden. Er bewertet dies nicht zwingend negativ: „Man darf nicht vergessen, dass auch dieses Eingreifen eine Reaktion auf die Kunst ist.“

Man könne diese je nach Fall sogar als Erweiterung der Kunst sehen und müsse ohnehin stets nach dem Ursprung eines Eingriffes fragen. „Es sagt etwas über die Gesellschaft aus, wenn jemand aggressiv mit Kunst umgeht, dann läuft irgendwo was falsch. Das kann die Erziehung sein oder auch die Schule. Es kann Aufschluss darüber geben, wie an diesen Orten Kunst vermittelt wird“, so Marc Pierrard.

Auch mit Propaganda hat sich Pierrard auf künstlerischer Ebene schon beschäftigt. Auf die Frage hin, ob bei diesem Projekt ein Risiko dafür bestehe, dass politische Akteure den Erfolg für sich veranschlagen könnten, befindet der Künstler: „Natürlich, aber das Risiko besteht immer. Das ist bei Sport und Musik ja genauso, irgendwann kann es mal dazu kommen, dass etwas für entfremdende Zwecke genutzt wird. Gewissermaßen machen wir ja alle Propaganda. Man kann sich ohne Zweifel mit diesem Projekt ein positives Image selbst verabreichen, aber es ist in eben diesem Fall ja aber auch ein Geben und Nehmen. Viel wichtiger ist,  dass man sich stets fragt, was dahintersteckt und nicht bei der ersten Interpretation stehen bleibt. Wenn Menschen das auch in anderen Lebensbereichen machen würden, wäre vieles anders.“