Festivalsaison eröffnet

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Bereits zum fünften Mal findet am Pfingstwochenende das Musik- und Kulturfestival „Koll an Aktioun“ auf dem Gelände der alten Schiefermine in Obermartelingen statt. In Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Partnern fährt die „Kollibri asbl.“ mit einem Programm auf, das von Konzerten über Zirkus- und Straßenkunst bis hin zu Lesungen und Workshops reicht.  Aber was steht zwischen den Programmzeilen? Dies wollte das Tageblatt  von zwei Mitveranstaltern, Philippe Schockweiler und Marc Thein, wissen.

Tageblatt: Wie würden Sie den Kulturbegriff im Rahmen des „Koll an Aktioun“ definieren?
Philippe Schockweiler: Wir befinden uns in der besonderen Situation, dass das Festival auf einem Gelände stattfindet, das bereits ein wertvolles kulturelles Erbe beherbergt, das aber für einige Zeit in Vergessenheit geraten war. Dieser Umstand kann quasi symbolisch für den Gang mancher Dinge in Luxemburg stehen. Das Gelände hätte eigentlich in den 90ern niedergewalzt werden sollen, damit dort eine Gewerbezone entstehen kann. Wir dürfen nun aber der Örtlichkeit neues Leben einhauchen, auf dem schon Bestehenden aufbauend, um etwas Neues zu erschaffen.

Findet so durch Sie eine Aufwertung eines Ortes statt, der zuvor verkannt wurde?
P.S.: Die Aufwertung entsteht allen voran durch die asbl., die das Gelände verwaltet, also die „Frënn vun der Lee“, die eine sehr beeindruckende Arbeit leisten. Gemeinsam haben wir gemerkt, dass zwei Vereine einen solchen Ort verwandeln können.

Wie kann eine derartige Transformation sinnvoll gelingen?
P.S.: Es ist uns wichtig, es sachte anzugehen und nichts zu forcieren. Es ist nicht ausschlaggebend, ob dieses Jahr nun 4.000 oder 3.000 Gäste kommen, wir wollen einfach nur eine qualitativ hochwertige Veranstaltung anbieten und den Austausch zwischen lokalen und internationalen Künstlern fördern. Allem voran geht es darum, für das Publikum etwas zu schaffen, das es jedem ermöglicht, etwas für sich zu finden, ob nun Jung oder Alt.
Marc Thein: Das Festival soll zudem nicht nur auf diesem schönen Gelände stattfinden, sondern auch die Menschen drum herum mit einbinden. Das kann zum einen die Gemeinde Rambrouch sein und zum anderen einfach der nördliche Teil des Landes, der bisweilen noch nicht wirklich touristisch belebt ist. Vielleicht kann man die Menschen hier ja sogar dazu bringen, an Pfingsten ein bisschen Urlaub im eigenen Land zu machen.

Ein bisschen wie „Päischtcroisière“ zu Hause?
M.T.: Ja, aber gemütlicher. (lacht)
P.S.: Es ist eventuell eine gewagte Aussage, aber: Auch kultureller. Leider bedeutet ein familienfreundliches Festival für viele immer noch lediglich, dass es eine Kinder-Schmink-Ecke gibt. Gerade darin besteht aber das Problem, denn das reicht nicht. Man darf sich auch mal darum bemühen, wirklich etwas zu bieten. Es gibt beispielsweise zahlreiche Zirkus-Acts, die wirklich für Jung und Alt geeignet sind. Bei uns gehört das zur Philosophie dazu.

Wie schwierig ist es denn, Zugänglichkeit für ein breites Publikum zu schaffen?
M.T.: Ich glaube, es ist gar nicht so schwer. Letztlich zählt vor allem die gesunde Durchmischung der Generationen. Es geht unter anderem darum, Kindern mit Workshops, Magie und Zirkus Freude zu bereiten, aber den Eltern gleichzeitig ein entspanntes Wochenende auf der „Koll“ zu ermöglichen.
Dieses Jahr gibt es auf dem Campingplatz beispielsweise auch ein Package mit dem Namen „Cosy Family“, da kann man ein „Chalet“ mieten. In der Kombi mit der Eintrittskarte ist das dann günstiger. Außerdem ist der Eintritt für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre ohnehin frei.
P.S.: Ja, gerade die Preisgestaltung spielt eine erhebliche Rolle. Zehn Euro für zwei Tage Programm sind wirklich nicht viel. Als wir letztes Jahr erstmals überhaupt Eintritt erhoben, erhielten wir sage und schreibe eine böse Nachricht. Der Verfasser war ein treuer Besucher. Er hatte eine lange Nachricht geschrieben und erhielt dann auch eine lange Antwort im Gegenzug. Es kam zu einer verständnisvollen Klärung. Dass er den Kontakt gesucht hatte, halte ich für absolut gerechtfertigt.
M.T. Vor allem ist es wichtig, dass die Gäste verstehen, dass der Eintritt uns neue Türen geöffnet hat. Mit dem Geld, das hierdurch reinkommt, können wir ganz konkret Projekte auf dem Festival umsetzen.

Übernehmen ehrenamtliche Festivals Aufgaben auf kultureller Ebene, die eigentlich der Staat leisten müsste (u.a. Förderung nationaler Künstler, soziale Inklusion …), oder wird hier eher eine Bürgerpflicht erfüllt?
P.S.: Pflicht als Bürger ist vielleicht etwas hochgegriffen. Für uns ist diese Vorgehensweise normal. Wir sind ein schön zusammengewürfeltes Team, das einerseits aus technisch versierten Mitgliedern besteht, andererseits gehören Menschen dazu, die in der kulturellen Programmation tätig sind, und welche mit NGO-Background oder auch aus dem sozialen Bereich, so dass wir eine gute Mischung bilden von Leuten, die es fertigbringen, bestimmte Bedürfnisse innerhalb der Gesellschaft zu erkennen.
Natürlich wäre es schön, wenn es ein größeres derartiges Angebot in Luxemburg gäbe, jedoch habe ich ebenfalls den Eindruck, dass sich derzeit nicht gerade wenige Menschen allzu gerne mit ominösen Totschlagbegriffen wie beispielsweise „Nachhaltigkeit“ oder „Inklusion“ schmücken, aber es im Endeffekt trotzdem häufig nur bei der Broschüre, in der sich diese Begriffe befinden, bleibt. Wir setzen das wiederum seit fünf Jahren praktisch um und es werden uns glücklicherweise relativ wenig Steine in den Weg gelegt.

Welche positiven Entwicklungen konnten Sie über die vergangenen Jahre in Bezug auf den Grundgedanken des Festivals vernehmen?
P.S.: Hier ein interessantes Beispiel: Wir haben vor einiger Zeit angefangen, verstärkt auf das Food Packaging zu achten und Plastik vom Gelände verbannt. Nun kam nach drei Jahren die lokale Feuerwehr zu uns und zeigte uns, dass sie eine biologisch abbaubare Pommestüte gefunden hat und benutzen wird. Dies ist eine schöne kleine Geschichte, die zeigt, wie Menschen aus der Region und der Gemeinde alte Denkschemata durchbrechen können. Das wird möglich durch Gespräche und stete Wiederholung. Vor allem drängt man sich damit nicht auf, sondern geht sanft vor.
M.T.: Was mich wirklich motiviert hat, war, dass sich auch der Dreck, der nach dem Festival übrig blieb, stetig reduziert hat.

Die Anzahl nicht kommerzieller Festivals hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Ist es noch möglich, sich voneinander abzugrenzen? Besteht Konkurrenz? Wäre ein großes gemeinsames Festival eine Alternative?
P.S.: Wir sind zeitlich relativ gut voneinander abgegrenzt. Die Teams sind außerdem durchwachsen, von einem Festival zu dem anderen. Man hilft sich gegenseitig. Hätte man mich das mit dem großen Festival vergangenes Jahr gefragt, hätte ich sofort Ja gesagt, aber mittlerweile …
M.T: Luxemburg ist eigentlich zu klein für ein großes Festival. Wenn man von richtig großen Festivals sprechen möchte, dann geht es weder um das „Food“ noch um das „Rock-A-Field“, sondern um „Rocco del Schlacko“ oder „Rock am Ring“. Das sind Dimensionen, bei denen jedoch das Risiko des Verlusts der Individualität der einzelnen Menschen besteht, die etwas dazu beitragen wollen.
Die kleinen Festivals wie „Funky Donkey“, „Kolla“ oder „Last Summer Dance“ haben alle ihre kleinen einzigartigen Elemente. Es besteht ein breites Angebot. Das ist schöner, als wenn man alles auf einen Haufen schmeißen und etwas Großes daraus machen würde.

Kürzlich gab es einen öffentlichen Zwist zwischen zwei Luxemburger Venues, da zwei große Events im Sommer zeitgleich stattfinden werden. Besteht unter den kleineren Veranstaltern diesbezüglich mehr Teamwork?
P.S.: Also wir haben zumindest keine Pressemitteilung verfasst, als wir erfuhren, dass am Wochenende unseres Festivals Cigarettes After Sex in Luxemburg-Stadt und Milky Chance in Esch spielen. Dies ist eine Art von Öffentlichkeitsarbeit, die wir nicht machen und die uns auch nicht liegt. Wir fokussieren uns auf unser Programm, weil wir davon überzeugt sind.

Ist die Arbeit Ihres Teams messbar?
P.S.: Ich habe dieses Jahr eine sogenannte „Letter of Engagement“ für das „Koll“ verfasst. Damit rechnet man für gewöhnlich bei NGOs aus, wie viel Arbeit eine bestimmte Zahl an Ehrenamtlichen leisten. Es ergab sich, dass allein schon bei der „Kollibri asbl.“ (rund 35 Personen) im vergangenen Jahr 9.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit zusammenkamen. Das Verrückte dabei ist, dass man das alles immer wieder für diese paar magischen Momente an den zwei Festivaltagen tut.


Merkzettel

Wer einen der zahlreichen Gratisbusse erwischt, die u.a. von den Partner-Camping-Plätzen in Heiderscheid, Esch/Sauer oder Wiltz abfahren, der kann am 19. Mai ab 16.00 Uhr bis sonntags um 1.00 Uhr nachts zahlreiche Programmpunkte genießen. Nachdem aufmerksam einer Lesung gelauscht, mit Kennerblick der lokale Markt durchforstet und beim Museumsrundgang etwas Neues dazugelernt wurde, kann eine Weile mit dem Craft Beer im heimeligen Bopebistro verweilt oder am veganen Döner auf dem Kinderspielplatz geknabbert werden, bevor das nächste Konzert beginnt, für das man definitiv Kräfte sammeln sollte, damit man sich bei Bedarf die Seele aus dem Leib tanzen kann.

Top Acts aus Luxemburg

Seed to Tree, DillenDub feat. DAS Radial, Los Duenos,

Räpzodi, Maz, Josh Island,

The Nick Sober Experience

Internationale Musts:

Leoniden (DE), GO Go Berlin(DK), Findlay (GB), Compact Disk Dummies (BE), D/TROIT (DK), Ouzo Bazooka (ISR)

Mehr Infos auf

www.kollanaktioun.lu/