Erzähl mir eine Geschichte

Erzähl mir eine Geschichte

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ursprünglich waren Märchen nicht für Kinder gedacht, sondern Erzählungen für Erwachsene. Beim Festival "Contes sans frontières" gibt es Märchen für alle Altersgruppen.

Schneewittchen und Aschenputtel, Aladdin und Ali Baba: Bei vielen wecken diese Namen Erinnerungen. Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht in seiner Kindheit ein Märchen gelesen oder wenigstens die Walt-Disney-Version gesehen hat.

Das Programm

Festival Contes sans frontières
vom Donnerstag, 20., bis Sonntag, 24. November

Do., 20. November, 20.00 Uhr
Di lackeleg Uelzechtnixen & Dee schwaarze Ritter vun Esch/Sauer, mit Josée Bourg und Lisa Berg (Violoncello), LU, ab 12 Jahre, 60 Min.

Fr., 21. November, 20.00 Uhr
The Song of The Selkie, mit Katrice Horsley , EN, alle
Altersgruppen, 75 Min.,
www.katalysttales.co.uk

Sa., 22. November, 14.00 Uhr
Workshop mit Katrice Horsley (UK) Storytelling
Laureate, EN, alle Altersgruppen, 180 Min.,
www.katalysttales.co.uk

Sa., 22. November, 20.00 Uhr
Syngué Sabour – „Pierre de patience“ mit Liliane Addé und Catherine Marques,
nach dem Roman von Atiq Rahimi, FR, alle Altersgruppen, 60 min.
www.icietmaintenant.lu

Sa., 22. Nov., 21.30 Uhr
Contes coquins d’Algérie, mit Fahem Abes, FR, ab 16 Jahren, 65 Min.
www.fahemabes.com

So., 23. Nov., 11.00 Uhr
Den Dëlpeshans, mit David Benito Garcia und Natascha Gaudet (Harfe) / LU, ab 5 Jahren, 60 Min.
www.schnawwl.de

So, 23. Nov., 11.30 Uhr
Apéro-contes, mit Karin Tscholl, Fahem Abes und dem Laurent Pierre Quintet, DE & FR, alle Altersgruppen, 90 Min., www.frauwolle.at,
www.fahemabes.com

So., 23. Nov., 17.00 Uhr
Weiberlug und Männertrug mit Karin Tscholl , DE, alle Altersgruppen, 90 Min.
www.frauwolle.at

Infos & Tickets
www.neimenster.lu
+352 26 20 52-444,
billetterie@neimenster.lu

Die wenigsten dürften allerdings das Glück gehabt haben, dass ihm oder ihr ein Märchen vorgelesen wurde oder, besser noch, erzählt wurde. Lange vor dem Internet, als es noch nicht in jedem Haushalt einen Fernseher gab, war es gang und gäbe, dass die Erwachsenen den Kindern Märchen erzählten. Eine Tradition, die trotz Internet noch nicht ausgestorben ist.

Lange wurde behauptet, Märchen rechtfertigten Gewalt. Liest man z.B. die Märchensammlung der Gebrüder Grimm, so erkennt man leicht, warum sie nicht in erster Linie für Kinder gedacht waren: Es wird gefoltert und auf grausamste Weise getötet. Die Hexe, die Hänsel und Gretel festhält, wird von Letzterer ins Feuer gestoßen, wo sie bei lebendigem Leibe verbrennt. Rabbi Nachman von Bratzlaw wird die Aussage zugesprochen „Märchen sind nicht dazu da, Kindern beim Einschlafen zu helfen, sondern um die Eltern zu wecken“.

Rehabilitation

Eine Rehabilitation erfuhr das Märchen durch den Psychoanalytiker Bruno Bettelheim. „Kinder brauchen Märchen“, behauptete er in seinem Kultbuch „The Uses of Enchantment“. Er zeigte, wie Märchen zum Verständnis des kindlichen Seelenlebens beitragen können. Märchen würden Kindern die Möglichkeit geben, innere Konflikte mittels ihrer Fantasie auszuleben.

Bezüglich der Grausamkeiten meint die Märchenerzählerin Josée Bourg, Kinder wüssten recht gut mit diesen umzugehen. Sie ist der Auffassung, dass sich Kinder sehr leicht mit einer Geschichte identifizieren. In den Märchen seien Gut und Böse ja klar voneinander getrennt. Werde der oder die Böse am Ende gestraft, dann könnten sich Kinder dadurch gut abreagieren. Sie erlebe es selten, dass Kinder nachfragten, wenn sie eine Geschichte erzähle. Märchen, sagt Bourg, wendeten sich zudem „direkt an den Bauch, an die Gefühle“, und nicht an den Verstand. Deshalb gingen Kinder leichter mit Märchen um als Erwachsene.

Seit rund 15 Jahren beschäftigt sich Josée Bourg sowohl als Autorin als auch als Erzählerin mit Märchen. Ihre Geschichten erzählt sie auf Luxemburgisch. Falls Kinder im Publikum seien, die kein Luxemburgisch verstünden, greife sie oft auf Bilder zurück. Das sei aber eher kontraproduktiv, denn Märchen sollten ja eigentlich die Fantasie beflügeln und beim Zuhörer eigene Bilder im Kopf hervorrufen.

„Märchen ohne Grenzen“

Das am Donnertagabend (20.11.14) beginnende Märchenfestival eröffnet Josée Bourg mit den Erzählungen „Di lackeleg Uelzechtnixen“ und „Dee schwaarze Ritter vun Esch/Sauer“. Zu der Rittergeschichte habe sie ein Felsen in Esch/Sauer, „Der schlafende Ritter“, inspiriert. Es geht um einen Ritter, dessen Sadismus ihm und seiner Frau zum Verhängnis wird. Normalerweise erzähle sie ihre Geschichte bei Kerzenschein, so Bourg. Im „Neimënster“ werde das aber wohl kaum der Fall sein. Allerdings erzähle sie ihre Geschichten nicht so, wie das in der orientalischen Tradition der Fall sei: Bei ihr komme auch immer Musik zum Einsatz, und die Märchen oder Legenden würden sehr ausdrucksstark vorgetragen.

Einen Schritt weiter geht Renée Estgen von der „Erwuesse-Bildung“. Sie bietet im Rahmen der dort angebotenen Kurse manchmal Workshops für Erwachsene, aber auch ältere Kinder und Jugendliche an, in denen Märchen gedeutet werden. In einem davon, über „Des Kaisers neue Kleider“, ging es um Sein und Schein in unserer heutigen Welt.

Verschiedene Sprachen

„Märchen ohne Grenzen“ nehme die Zuhörer mit von den Alzettenixen bis zu den japanischen Gespenstern, verspricht das offizielle Programm. Es werde vom Stein der Geduld Syngué Sabour erzählt, und man könne den frechen Geschichten aus Algerien zuhören sowie Märchen aus Österreich über die kleinen Lügen zwischen Männern und Frauen, von Menschenfressern und Hexen.

Präsentiert werden Märchen in verschiedenen Sprachen. Neben den luxemburgischen Erzählerinnen Josée Bourg und Betsy Dentzer treten auf: die preisgekrönte Märchenerzählerin Katrice Horsley aus England, der belgische Geschichtenerzähler mit kabylischen Wurzeln Fahem Abes, die französischen Erzählerinnen Liliane Addé und Catherine Marques, der luxemburgische Schauspieler und Erzähler David Benito Garcia sowie die österreichische Geschichtenerzählerin Karin Tscholl.