Ende des kalten Krieges

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Dass Luxemburg ein Problem mit seinem kulturellen Kalender hat, ist keineswegs neu, sagt Jeff Schinker.

Sie muss das Atelier wohl fies gepiekst haben, die Ankündigung, dass die Rockhal ein Sting-Konzert an genau dem Tag plant, an dem die zweite Auflage des Siren’s-Call-Festivals stattfindet. Man habe doch bisher, so Laurent Loschetter, immer versucht, sich brüderlich den (kalorielastigen) Kuchen der hiesigen musikliebhabenden Kundschaft zu teilen. Zwischen Konzertorganisatoren gebe es einen ungeschriebenen Pakt, eine Blutsbrüderschaft, ein gemeinsames Planen.

Mit seinen erbosten Aussagen gesteht Laurent Loschetter im Grunde genommen, dass es nicht die eigentlichen Musikfans sind, um die das Atelier nun bangt. Wahren Musikfans dürfte die Wahl leichtfallen. Ein Eels-Fan oder ein MGMT-Fan ist meist kein Sting-Fan: Zwischen diesen Künstlern ziehen sich eine Generationskluft und klangliche Präferenzen. Und in den seltenen Fällen, dass man sowohl Sting als auch Eels mag, wird der Fan sich dann nach persönlichen Vorlieben (oder anderen Kriterien wie z.B. den persönlichen Konzerterfahrungen – man hat Eels oder Sting schon gesehen oder/und weiß um die Qualitätsunterschiede in den Live-Auftritten der Künstler) entscheiden müssen, wo er nun hingeht.

Nein, in der ganzen Debatte kristallisiert sich heraus, dass es in Luxemburg wohl ein (relativ großes) potenzielles Zielpublikum gibt, das an den eigentlichen Headlinern oder Musikern uninteressiert ist, weil es einfach nur für eine austauschbare sommerliche Konzerterfahrung zahlt, ganz gleich, wer jetzt da auftritt und singt: Es handelt sich hierbei um, suivez mon regard, die Scharen von Leuten, die während der Konzerte am Tresen ihren Sekt schlürfen oder an ihren Bierbechern kauen. Vor einem Jahr beim Bastille-Konzert wurde dem fassungslosen Verfasser dieser Zeilen von einem Konzertgänger erklärt, man habe eben mal wieder auf ein Konzert gehen wollen – man kenne die Band eigentlich gar nicht.

Unverständliche Entrüstung

Um ebendiese potenzielle Klientel, die in den letzten Wintermonaten durch unsinnige, musikfremde Events von der Rockhal abgespeist wurde, streitet man sich nun. Etwas unverständlich erscheint zudem die Entrüstung des Ateliers: Letzteres gilt seit jeher als Adept einer liberalen, freien Marktwirtschaft. Und den Neoliberalismus bestimmen nun mal Prämissen wie Kompetitivität, Konkurrenzdenken und Vielfalt des Angebots. Dass man das Argument der staatlichen Gelder, welche die Rockhal bezieht, wieder mal spielen lässt, erscheint wenig überzeugend: Man möchte einerseits das Bild der rebellischen, unabhängigen Selfmade-Firma vermitteln, kommt aber mit den Konsequenzen dieses Images wohl nicht klar.

Dass Luxemburg ein Problem mit seinem kulturellen Kalender hat, ist keineswegs neu: Als Kulturredakteur häufen sich die Tage, an denen man sich gerne ontologisch vierteilen möchte, um nichts zu verpassen. Das liegt einerseits daran, dass der Kulturkalender sich brav den Schulferien anpasst, so dass sich die Events in einem Rhythmus von Hochaktivität und totaler Flaute abwechseln, andererseits hat sich das Angebot im luxemburgischen Kultursektor spätestens seit 2007 ins Unermessliche gesteigert. Viele Kulturhäuser planen zudem etwas solipsistisch aneinander vorbei.

Übrigens: Am Wochenende des „Siren’s Call“ finden auch die „Assises culturelles“ und die Eröffnung der Ausstellung über Thierry Van Werveke im CNA statt. Paul Lesch und Yves Steichen haben wegen der „Assises“ und des „Siren’s Call“ den Eröffnungstermin mehrmals verschoben – sich bisher allerdings öffentlich nicht über diese Missstände beschwert.