„Dans la cour des grands“

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Es wurde schon vor einem Jahr angekündigt, sodass die Biennale-Nostalgiker der Ca’ del Duca ausreichend Zeit hatten, sich auf ein neues Abenteuer einzustellen: Der luxemburgische Pavillon ist ins Zentrum der Biennale umgezogen. Am Donnerstag wurde das neue luxemburgische Ausstellungsgelände im Laufe der Vernissage der Ausstellung „The Architecture of the Common Ground“ eingeweiht – und gleichzeitig das Geheimnis um Konzept und Gestaltung des vom „Luxembourg Center for Architecture“ (LUCA) und der Universität kuratierten Pavillons gelüftet. Wir haben uns mit Andrea Rumpf vom LUCA unterhalten, liefern unsere Eindrücke von der Vernissage und die wichtigsten Fakten zur Neugestaltung der luxemburgischen Anwesenheit in Venedig.

Die Tage der Ca’ del Duca sind gezählt und Luxemburg spielt nun nicht nur metaphorisch in der „Cour des grands“: Als Staatssekretär Guy Arendt dies vor einem Jahr im Hof der Ca’ del Duca, in dem ein meterlanges Buffet vor kristallinen Sektgläsern nur so funkelte, verkündete, während das Personal zeitgleich Käsekrümel aus ausgehöhlten Parmigiani unter den Kunstaficionados verteilte, konnte man das Rascheln der umgedrehten Seite, die ein Kapitel besiegelt, fast hören – vielleicht waren es aber auch nur die Servietten, mit denen die gefütterten Mäuler abgewischt wurden.

Die neue Lage des luxemburgischen Pavillons hat im Prinzip nur Vorteile: Vorbei sind die Zeiten, zu denen sich der potenzielle Besucher durch das verwinkelte Labyrinth der venezianischen Gassen, in denen dandyhafte Aschenbach-Klone an Schulpflichtlektüren erinnern und beim Durchqueren welcher man immer wieder auf Tableaus von mittlerweile schon klischeehaftem Spritz-Konsum stößt, einen zaghaften Weg bahnt, um dann irgendwann fündig zu werden: Der neue Pavillon befindet sich in der „Sale d’Armi“ im Arsenale, der mit den Giardini, wie Guy Arendt es in seiner gestrigen Rede nochmal unterstrich, zum Zentrum der Biennale gehört.

Nostalgiker werden zwar den Charme dieser individuellen Pavillons, die einen beim ziellosen Durchwandern der Stadt immer wieder überraschen und anziehen, vermissen, das Resultat – eine stärkere Sichtbarkeit und eine erhöhte Besucheranzahl – kann aber sicherlich darüber hinwegtrösten. Bleibt nur abzuwarten, ob die zentrale Lage nicht daran schuld sein wird, dass der luxemburgische Pavillon in der Vielzahl des Angebotes untergeht.

Utopische Räume

Neben der Entdeckung des neuen Pavillons – Andrea Rumpf redet metaphorisch von einer Art „Beförderung“ – löste die Vernissage aber auch das Geheimnis um die Ausstellung „The Architecture of the Common Ground“, die vom LUCA zusammen mit ihrem Wunschpartner, dem (noch relativ neuen) Architekturmaster der „Université du Luxembourg“ kuratiert wurde.

Angesichts der Problematiken, vor denen heute viele Großstädte stehen – die Privatisierung des Bodens, die steigenden Wohnungspreise, die Marktlogik, die der Architektur und Stadtplanung via politischer Entscheidungen oft den pragmatisch-utilitaristischen Ton der maximalen Dichte und Belagerung diktiert – wirkt das Thema „The Architecture of the Common Ground“ speziell im Hinblick auf die Situation in Luxemburg, wo in relativ kurzer Zeit die Grundstückpreise in die Höhe geschossen sind und die Idee des Besitztums als Statussymbol in den bürgerlichen Köpfen fast pathologisch verankert ist, wahnsinnig aktuell und spannend. Denn der Pavillon fundiert auf der Feststellung, dass in Luxemburg nur noch acht Prozent des bebaubaren Territoriums nicht privatisiert sind.

„Unser Umgang mit Grund und Boden beeinflusst maßgeblich Architektur und Stadtentwicklung“, erklärt Kuratorin Andrea Rumpf. „Im letzten Jahrzehnt hat dessen Privatisierung sowie die Spekulation vor allem mit städtischem Boden dramatisch zugenommen. Viele europäische Städte, die wie Luxemburg einem hohen Entwicklungsdruck unterliegen, verfügen selbst über so gut wie keinen baufähigen Bodenvorrat mehr. Wenngleich diese Problematik primär der Politik obliegt, setzen sich viele Architekten auch gestalterisch mit ihr auseinander.“

Im Laufe ihrer Vorstellung der Biennale erwähnten die beiden Kuratorinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara, dass das Konzept „Free Space“ für sie u.a. bedeute, „zusätzliche und unerwartete Großzügigkeit in jedem einzelnen Projekt – dies sogar unter den privatesten, exklusivsten, kommerziell restriktivsten Bedingungen“ zu feiern. Eine Aussage, die fast maßgeschneidert auf die luxemburgische Ausstellung ist.

Wie wir leben wollen

Der Pavillon, so Kurator Florian Hertweck, thematisiert die Bodenfrage, betrachtet die exzessive Privatisierung als einer der Hauptgründe vieler aktueller Probleme – die kontinuierliche Verschmutzung, der Wohnungsmangel – und pendelt zwischen zwei Extremen: dem der totalen Privatisierung und dem der Betrachtung des Bodens als Gemeingut. Stellt sich die politische Frage, wie wir leben wollen – und die soziologische Frage, wie wir unter den uns gegebenen Bedingungen leben können. Der Pavillon, so Hertweck, soll ein „Aufruf zur öffentlichen Diskussion“ darstellen.

Was dies konkret bedeutet? Im luxemburgischen Pavillon, der sowohl kritisch als ästhetisch ausgelegt ist, werden nie durchgeführte Projekte aus der Architekturgeschichte ausgestellt, die genau die von den Biennale-Kuratorinnen hervorgehobene Großzügigkeit innerhalb privater Gebäude aufzeigen.

Die ausgestellten Werke stehen für die architektonisch radikalste Art, das Thema der Bodenfrage zu verbildlichen: „Der Pavillon Luxemburg thematisiert Gebäude, die den Grund physisch und symbolisch frei lassen“, erklärt Andrea Rumpf. Neben Werken von Le Corbusier, Paul Rudolph, Aldo Rossi, Egon Eiermann oder Nathan Osterman wurden zwei Projekte eigens von der Universität entwickelt. „Wichtiger als die Projekte selbst, ist der freie Raum zwischen den Objekten und dem Boden“, erklärt Hertweck.

„Verschiedene Projekte aus der Ideengeschichte treten in Dialog zu heutigen Experimenten, die den Anspruch teilen, den Boden öffentlichen Nutzungen zugänglich zu machen“, erläutert Andrea Rumpf weiter. „Damit widersetzen sie sich der vermeintlichen Logik, wonach in Städten die fast durchgängige Privatisierung des Bodens zu abgeschotteten Enklaven führt und Öffentlichkeit zurückgedrängt wird. Unsere Ausstellung ist ein Aufruf, den unvermehrbaren und unabdingbaren Boden als gemeinschaftliches Gut zu begreifen, wie Luft und Wasser. Nur dann vermögen wir unsere Städte sozial und ökologisch nachhaltig weiterzuentwickeln.“

Knapp vor der offiziellen Einweihung redete man bereits von ca. 1.000 Besuchern, und Andrea Rumpf gab zu verstehen, dass nicht nur die luxemburgische, sondern auch die internationale Presse bereits über den Pavillon berichte. Das angesprochene Thema ist auf jeden Fall politisch und soziologisch brisant genug, um für Diskussionsstoff zu sorgen.