Bücherverbrennungen in Schweden

Bücherverbrennungen in Schweden
Inger Nilsson als Pippi Langstrumpf mit dem Affen Herrn Nilsson. (Foto: AFP)

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Janne Josefsson ist mit investigativem Journalismus für das öffentlich-rechtliche Fernsehen SVT zu einem der gefürchteten Journalisten in Schweden geworden. Er ist heute eine Institution. Dementsprechend hoch schlugen die Wellen, als er in einem eher gemütlich angelegten Sommerprogramm für Prominente im Radio Schweden Anschuldigungen an die südwestlich von Stockholm gelegene Gemeinde Botkyrka richtete.

Die Gemeinde lasse uralte Ausgaben von Astrid Lindgrens Pippi-Langstrumpf-Reihe in ihren Bibliotheken aus ideologischen Gründen entsorgen und verbrennen, polterte der eher linksorientierte Journalist.

Der „Negerkönig“ wird verbrannt

Tatsächlich hat die Gemeinde eine neue interkulturelle Richtlinie eingeführt, in der möglicherweise Rassistisches aus dem Kulturbereich ausgemerzt werden soll. „Wusstet ihr, dass man heute Bücher in Schweden verbrennt?“, leitete Josefsson seine Anschuldigung ein. Es geht unter anderem um die seit 1948 veröffentlichte Ausgaben von „Pippi in Taka-Tuka-Land“. Darin beschreibt Astrid Lindgren Pippis Vater Efraim Langstrump, wie er im Schwedischen heißt, etwa als „Negerkönig“. „Wenn man Bücher aus ideologischen Gründen verbrennt, sagt etwas in mir ,Moment mal, sollen die wirklich verschwinden?‘. Sollten wir sie nicht erhalten, so dass ich meinen Kindern erzählen kann, wie man sich damals ausgedrückt hat?“, sagt Josefsson.

Platz für Neues

Die Gemeinde Botkyrka war auf den folgenden Medienansturm kaum vorbereitet und verteidigt sich nun ungeschickt. Alte Bücher müssten stets entsorgt werden, um Platz für neue zu schaffen, so die Gemeinde. So sei es auch mit einigen Pippi-Büchern geschehen. Das habe nichts mit Ideologie zu tun. Man habe die alten Pippi-Bücher aber durch neue Ausgaben ersetzt.

Gleichzeitig gibt die Gemeinde zu, dass grundsätzlich auch Bücher entsorgt würden, in denen „veraltete Ausdrücke, die als rassistisch aufgefasst werden können, vorkommen“.

Neuauflagen politisch korrekt

Der Verlag Astrid Lindgrens, hat in seinen Neuausgaben seit 2015 die Wortwendungen, in denen Worte wie Neger vorkommen, durch weniger Verfängliches ersetzt. Die stehen nun auch in den Bibliotheken von Botkyrka statt der uralten Exemplare.

Janne Josefsson

„Die Gemeinde versucht das abzutun, in dem sie sagt, ,so machen wir das mit allen Büchern, die aussortiert werden‘. Aber hier tut man es aus ideologischen Gründen, weil Botkyrka interkulturelle Richtlinien eingeführt hat“, sagt Josefsson.

Vergleich mit Nazis

„Die Nazis haben marxistische Literatur verbrannt, weil sie sie unbequem fanden. Hier tut man es aus anderen Gründen“, sagt er. Man könne doch nicht die gesamte alte Weltliteratur, in der solche Begriffe vorkommen, entsorgen oder inhaltlich nachträglich nach gegenwärtig herrschenden Richtlinien abändern. Stattdessen müsse kritisch diskutiert werden, wie und warum bestimmte Sichtweisen und Ausdrücke im Kontext der jeweiligen Zeit entstanden sind, beruft er sich auf den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang seiner Kritik.

Lindgren gegen Rassismus

Astrid Lindgren (1907 – 2002) (Foto: dpa)

Viele Schweden halten den Streit dennoch, zumindest im Fall Pippi, für etwas absurd. Es sei doch gut, dass die Kinder nicht mehr die alten rassistischen Ausdrücke lesen müssten. Und was hätte Astrid Lindgren gesagt? „Heutzutage hätte ich Pippis Papa nie zu einem Negerkönig gemacht“, hatte Lindgren schon in einem schwedischen Interview von 1970 gesagt. Und in einem privaten Brief von 1957 schreibt sie: „Ich missbillige jegliche Einteilung von Menschen in Nationen und Rassen.“

André Anwar, Stockholm

Mike
15. August 2017 - 20.21

Sie hätten das Buch mal lesen sollen. Denn wer den Text versteht, wird feststellen, daß es sich um ein sachliches Buch handelt.

KTG__
28. Juli 2017 - 13.44

Sie sind nicht Unsinn. Einfach nochmals lesen...

Crisco
28. Juli 2017 - 6.46

Diese nachgelieferten "sehr genauen Erklärungen" sind Unsinn, nicht mehr und nicht weniger. Bei irgendeinem Rosamunde-Pilcher-Schinken wäre das nämlich nie passiert. Man muss Sieferle und sein Buch weder kennen noch mögen, um den Braten zu riechen.

Jeannosch
27. Juli 2017 - 17.13

Wer anhand interkultureller Richtlinien, Bücher umschreiben will ,vergreift sich an der geistigen Freiheit, Besitzes und setzt sich gleich mit jenen die Bücher verbrannten oder zensurierten.Lasst Original ,Original sein und füge im Anhang Erklärungen hinzu.

Marc
27. Juli 2017 - 10.01

Politesch korrekt ass neischt aaneres ewei versichten Massenverblödung vun uewen eroof.

KTG__
27. Juli 2017 - 8.12

Bitte nicht Äpfel und Birnen vermischen. Der Spiegel hat sehr genau erklärt, wieso dieses Machwerk zu Recht seinen Platz verloren hat, und übrigens auch die Funktionsweise seiner Liste erklärt, und diese hat eben nicht nur mit Verkaufszahlen zu tun. Einfach mal nachlesen...

Schuller piir
27. Juli 2017 - 1.31

Bücherverbrennung, das weckt Associationen und hat, geschichtlich gesehen,meinen üblen Nachgeschmack!

Holger J. Prang
26. Juli 2017 - 22.59

In der deutschen Zeitschrift "Der Spiegel" stand das Buch "Finis Germania" auf Platz 6 der Bestsellerliste. Plötzlich war es gänzlich verschwunden. Gelöscht. Es hieß später, es sei "politisch nicht korrekt". Was allerdings dazu führte, dass dieses Buch nun bei Amazon auf Platz 1 aller gekauften Bücher steht. Schweden ist offensichtlich schon einen Schritt weiter. Die Diktatur der politisch Korrekten will die Menschen erziehen, was sie zu denken, zu schreiben und zu sagen haben.