Black Label Society: Brachial-Rock mit Fingerspitzengefühl

Black Label Society: Brachial-Rock mit Fingerspitzengefühl

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Von Christian Schaack

Jeffrey Phillip Wielandt alias Zakk Wylde heißt der Kopf der 1998 gegründeten Heavy-Metal-Band Black Label Society. Seine musikalischen Einflüsse gehen von Jimmy Page, über Black Sabbath, Jimi Hendrix, Eddie Van Halen, Paco de Lucía bis zu Al Di Meola oder Randy Rhoads. Dies zeugt von einer großen musikalischen Bandbreite, die den Gitarristen, unter anderem dazu brachte, lange Jahre mit Ozzy Osbourne zusammenzuarbeiten oder bereits 1994 das hervorragende Southern-Rock-Album „Pride and Glory“ zu komponieren.

Als Gitarrist gilt Wylde weltweit als einer der besten, wobei ein von künstlichen Obertönen lebendes Spiel sein Markenzeichen darstellt. Daneben spielt er Piano und singt zudem in seiner Band alle Songs selbst. Nebenbei gehen Unmengen von Alben (14 für BLS, acht mit Ozzy, die „Book of Shadows“-Alben 1+2, „Pride and Glory“ sowie das 2016 Zakk-Sabbath-Live-Album) zumindest teilweise auf sein Songwriter-Konto. Ohne zu vergessen, dass dieser Musiker ein äußerst rastloser Tour-Liebhaber ist, eine Tatsache, die ihn schlussendlich wieder einmal „to the Bourg“ brachte.

Reine und pure Energie 

Zuerst wird das Publikum wirkungsvoll mit dem Led-Zeppelin-Song „Whole Lotta Love“ eingestimmt. Die Dramaturgie der Show startet freilich erst mit dem furiosen Song „Genocide Junkies“. Begleitet von Druckdampffontänen heulen sogleich die Instrumente eine Endzeitenergie in den Raum, stark verhexte Riffs gesellen sich hinzu und schon fliegen Wyldes Haare unaufhaltsam umher. Durch eine unmissverständliche Körpersprache zieht der muskulöse Leadgitarrist unvermeidlich alle Blicke auf sich. Mal gebärt er sich Jesus ähnlich gekreuzt, mal wird die Gitarre wie ein gewaltiges Objekt gestemmt, mal wird gemosht wie ein Besessener oder auch noch aggressive Berserker-Posen eingenommen.

Hier wird eine reine und pure Energie hemmungslos ausgelebt. Nach drei Songs erscheint Wylde bereits schweißgebadet und feuert nichtsdestotrotz  mit „Bleed for me“ und „Heart of Darkness“ noch zwei pechschwarze Nummern nach. Obwohl der Sound-Mix anfänglich die Stimme etwas benachteiligt, verbleiben des Weiteren düstere und schnelle Gitarren-Parts dominant. Trotz der intensiven Darbietung verbleibt die Klangqualität insgesamt ganz annehmbar. Und immer wieder setzt sich Wylde mächtig in Szene. Alle Musiker begleiten ihn mit echter Spielfreude, die fortwährend funkenweise auf die Zuschauer überspringt.

Entfesselt wild und ungezügelt rau

So zurrt die Gitarre neben einer bestialischen Licht- und Druckluftbegleitung den Übergang zum Song „Suicide Messiah“ hervor. Ein Southern Rock artiger Gesang zischt dahin, ehe eine horizontal hochgehaltene Gitarre eine Hommage an Hendrix andeutet. Entfesselt wild und ungezügelt rau wirkt die Darbietung, insbesondere weil alle Haare pausenlos heißblütig umherfliegen. Das Gleiche tun übrigens auch die Noten. Anschließend gebärt sich der wilde Wylde während des Solos Messias ähnlich und schon ist das Publikum ganz aus dem Häuschen. „Trampled Down Below“ raucht darauf hin dampfend mit synkopischen Drum-Beats los. Gerade weil der Meister sein Instrument in Kämpferpose foltert, heulen besonders beim Solo sehr intensive Notenspannungen auf.

Nun folgt mit „All That Once Shined“ eine eher melancholische Nummer. Mit einem langsamen, schwerfälligen Drive wird hier ein musikalischer Schwelbrand unterhalten. Die blitzschnellen Finger huschen beim Solo zerrend die Tonleiter rauf und runter. Die Songs sind durchwegs melodisch aufgebaut, ohne jedoch in ihren Live-Versionen allzu progressiv daherzukommen. Mit mehreren „Mother Fucking“ Passagen wird die erste Ansprache vorgenommen. So stellt das Alphatier seine Musiker John de Servio (Bass, Background Vocals), Dario Lorina (Rhythmus-Gitarre, Background Vocals) sowie Jeff Fabb (Drums) wie echte Familienmitglieder vor. Doch mit dem Titel „Room of Nightmares“ rollt schon die nächste Druckwelle an.

Luftballons im Publikum

Es folgen darauf hin eher melancholische Melodien, die auf der Bullseye-Gibson-Flying-V-Gitarre einfühlsam interpretiert werden. Jetzt sitzt der Hexer an seinem Synthie-Piano und lässt „Spoke in the Wheel“ berührend erklingen. Beim Song „In this River“ zeigt der Rocker weiterhin, dass er sehr wohl die Tasten beherrscht und auch tolle Arrangements mit viel Feeling begleiten kann. Mit surrendem Stimmenverzerrer erklingt nun „Fire it up“, ehe einige Luftballons durchs Publikum fliegen. Anhand von progressiven Passagen und einem blutigem Solo entwickelt sich das Ganze zu einem bluesig rauchenden Ohrenschmaus. Und da geht der Meister durchs Publikum! Mit Biss- und Aushaltevermögen liefert Wylde eine entfesselte Zirkusnummer ab. Wie im Rausch führt ihn diese Gitarrenwanderung mehrmals im Lokal, inklusive Balkon, hin und her. In einer Holzfällerhaltung gestaltet der Gute auf Teufel komm raus ein improvisiertes Solo, in dem er typische Hendrix-Gimmicks benutzt. Neben einigen feurigen Passagen verbleibt das Solo jedoch teilweise uninspiriert und repetitiv.

Was soll‘s, die Zuschauer sind nach 15 Minuten Songdauer total aus dem Häuschen und danken es den Musikern mit einer Standing Ovation. Mit „Stillborn“ endet nach insgesamt 105 Minuten dieser guttuende Energiesturm. Die Instrumente wurden dabei ständig schonungslos gestemmt, geschwungen, geslappt, gepeinigt, gegeißelt und gestampft. Dieser ehrliche Auftritt hatte nebenbei musikalisch viel Variation zu bieten. Sodass eigentlich eine tatsächlich fehlende Zugabe auch keinen wirklichen Mangel darstellt. Denn alle haben einen teuflisch berührenden Berserker der Extraklasse erlebt.