Wohnen geht in Luxemburg auch anders

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Gemeinschaftliche Wohnformen sind in Luxemburg noch eher die Ausnahme. Im Zuge der Wohnungsnot und horrender Immobilienpreise gewinnen sie aber auch hierzulande immer weiter an Bedeutung. Wir stellen zwei Initiativen aus dem Bereich des „neuen“ kollektiven Wohnens vor.

In vielen europäischen Ländern haben gemeinschaftliche Wohnformen eine lange Tradition. Sie entstanden im Zuge der Industrialisierung vor allem in Städten, als die Löhne niedrig und die Wohnungspreise hoch waren. In Luxemburg konnte sich gemeinschaftliches Wohnen aber bis heute nicht durchsetzen. Laut Daniel Lieser von der Wohnkooperative Adhoc hat das unter anderem damit zu tun, dass der Stahlkonzern Arbed insbesondere im urbanisierten Süden für seine Angestellten Häuser in den sogenannten Kolonien gebaut hat, die das Unternehmen seinen Arbeitern günstig zur Verfügung stellte. Innerhalb der Kolonien spielte auch der soziale Zusammenhalt eine wichtige Rolle.

Einen anderen Grund sieht Lieser in der 1919 gegründeten „Société nationale des habitations à bon marché“, die 1979 noch vom „Fonds du logement“ ergänzt wurde. Die beiden staatlichen Wohnungsbaugesellschaften hätten den Bedarf an erschwinglichem Wohnraum lange Zeit abgedeckt.

Immer mehr Bedarf

Im Zuge der Wohnungsknappheit und steigender Immobilienpreise haben gemeinschaftliche Wohnformen mittlerweile aber auch in Luxemburg Einzug gehalten. Ein weiterer Grund für diese Entwicklung ist die alternde Gesellschaft. Viele Menschen fühlten sich mit Beginn des Rentenalters noch zu fit, um ins Altersheim zu gehen, spürten aber die zunehmende Isolation, die das Älterwerden mit sich bringe, erläutert Emma Zimer von Nouma, die Wohngemeinschaften für Senioren begleitet. Deshalb sei der Bedarf an „neuen“ Wohnformen in den vergangenen Jahren auch in Luxemburg gestiegen.

Auch die langen Wartelisten bei den staatlichen Wohnbaugesellschaften und der Mangel an Wohnraum für Flüchtlinge haben die gemeinschaftlichen Wohnformen in den vergangenen Jahren verstärkt ins Gespräch gebracht. So haben alle im Parlament vertretenen Parteien die Förderung und/oder gesetzliche Regelung von Wohngemeinschaften in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Ein Stiefkind sind in Luxemburg aber vor allem noch die Wohnbaugenossenschaften. Sie werden bis heute nicht staatlich gefördert. Es existiert keine diesbezügliche Gesetzgebung und spezifische Vergünstigungen (zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer) oder finanzielle Zuschüsse für Kooperativen sind nicht vorgesehen.

Allen Widrigkeiten zum Trotz versucht die „Adhoc habitat participatif s.c.“, Wohnbaugenossenschaften in Luxemburg einzuführen. Erste zaghafte Erfolge konnte sie bereits verzeichnen. Am Samstag wird Adhoc ihre „neuen“ Projekte zusammen mit anderen Initiativen wie Nouma sàrl., Cohabit’Age, Oppent Haus oder Äerdschëff im Rahmen der ersten „Journée découverte des nouvelles formes d’habitats“ vorstellen.


Genossenschaft: Teilhaber und Mieter zugleich

Die Wohnbaugenossenschaft „Adhoc habitat participatif s.c.“ wurde im Mai 2016 gegründet. Bereits zwei Jahre zuvor hatte sich ein halbes Dutzend engagierter Bürger zusammengefunden, um die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens in Luxemburg zu propagieren. Unterstützung erhielt Adhoc unter anderem vom Programm „Mateneen“ der „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“.

Mittlerweile ist die Zahl der Mitglieder auf rund 25 angewachsen. Ein erstes konkretes Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit dem Fonds Kirchberg ist in Planung. Allerdings hänge das Projekt noch etwas in der Schwebe, weil die Rahmenbedingungen für Wohngenossenschaften sehr nachteilig gegenüber dem freien Wohnungsmarkt sind, erklärt Daniel Lieser, Gründungsmitglied der Kooperative. Doch auch andere Gemeinden hätten bereits Interesse bekundet. Unverbindliche Gespräche laufen mit der Stadt Esch/Alzette für die Umsetzung einer Wohnkooperative im neuen Viertel Nonnewisen. Der für Stadtplanung zuständige Schöffe Martin Kox („déi gréng“) sei der Idee nicht abgeneigt, wie er uns bestätigte. Der „Plan directeur“ für die „Nonnewisen“ sehe eine solche Alternative explizit vor. Entsprechende Pläne gebe es in der Stadt Esch schon seit Längerem, bestätigte Kox.

Funktionsweise

Bei der Wohnbaugenossenschaft erwerben die Mitglieder Anteile an der Genossenschaft. Die Kooperative finanziert das Wohnprojekt und setzt es um. Die Kooperative bleibt Besitzer des Hauses und der Genosse erhält ein Nutzungsrecht für seine Wohnung gegen einen Mietbetrag, den er der Genossenschaft für die laufenden Kosten zahlt. Er ist demnach Mitinhaber der Kooperative und Mieter zugleich. Bei den meisten Kooperativen stehen soziale Aspekte und das gemeinsame Miteinander im Vordergrund. So verfügen viele Häuser über Gärten, Küchen und andere Räume, die gemeinschaftlich genutzt werden. Bei Adhoc spielt auch generationsübergreifendes Wohnen eine wichtige Rolle.
Wohngenossenschaften werden meistens in Mehrfamilienhäusern eingerichtet. Es besteht aber auch die Möglichkeit, mehrere Einfamilienhäuser zu einem „Wohnumfeld“ zusammenzuschließen.

Geleitet wird die Kooperative von einem Verwaltungsrat, der von der Generalversammlung gewählt wird, die sich aus den Mitgliedern der Genossenschaft zusammensetzt. Die Nutzungsrechte werden in der Regel von der Generalversammlung für das jeweilige Wohnprojekt festgelegt. In manchen Kooperativen werden die Anteile vererbt, die Mitglieder können sie aber auch verkaufen. Doch anders als zum Beispiel bei Aktiengesellschaften gewinnen oder verlieren die Anteile nicht an Wert und eignen sich daher nicht zu Spekulationszwecken. Gesetzlich besteht aber die Möglichkeit, dass externe Investoren sich gegen eine geringe Rendite an der Genossenschaft beteiligen.


Seniorenwohnen: Selbstbestimmt altern

Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin Emma Zimer hat Nouma S. à r.l. vor zwei Jahren gegründet, um Wohngemeinschaften für Senioren zu fördern und zu begleiten. In diesen Seniorenwohngemeinschaften sollen die Bewohner ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen autonom gestalten können.

So sucht Nouma nach Gebäuden oder Grundstücken, wo Wohngemeinschaften sich ansiedeln können. Ein solches Projekt soll künftig in Zusammenarbeit mit einem privaten Bauträger in Lorentzweiler entstehen. „Die partizipative Planung ist für viele Bauträger Neuland. Das Ziel von Nouma ist es nicht, etwas Fertiges zu errichten, wo die Menschen nur einziehen. Es geht darum, die Bewohner bereits an der Planung des Gebäudes zu beteiligen und auch das Zusammenleben mit ihnen gemeinsam zu planen. So entstehen schon soziale Beziehungen, bevor sie dort wohnen“, erklärt Zimer. Sowohl Kauf- als auch Mietwohnungen sollen in Lorentzweiler verfügbar sein.

Netz von Beziehungen

Ein weiteres Projekt ist in Consdorf geplant, wo eine Hausbesitzerin ihre Immobilie für ein gemeinschaftliches Projekt zur Verfügung stellen will. Neben der Suche nach Immobilien und Grundstücken bietet Emma Zimer aber auch Begleitung an. Unter ihrem Impuls hat sich eine Gruppe von zwölf Senioren zusammengefunden, die sich „Beienhaus“ nennt. Ihre Mitglieder interessieren sich für gemeinschaftliches Wohnen, haben aber noch keine Erfahrung in diesem Bereich. Ihnen hilft Nouma, über das Altern oder die Pflege nachzudenken. Andererseits verfügt die Firma mittlerweile über ein Netz von Beziehungen zu Architekten, Investoren sowie Rechts- und Finanzberater, die die Umsetzung von gemeinschaftlichen Projekten begleiten können.

Die einzelnen Projekte können aber sehr unterschiedlich sein. So könnte auch der „Fonds du logement“ als Bauträger fungieren oder eine sogenannte Baugruppe gegründet werden, deren Mitglieder selbst als Bauherr aktiv werden. Bei Nouma geht es auch darum, aus dem klassischen Muster der Altenbetreuung auszubrechen. Deshalb möchte Emma Zimer nicht mit den einschlägigen Akteuren aus dem Pflegesektor zusammenarbeiten, sondern den Bewohnern selbst die Entscheidung überlassen, von wem sie ihr Essen beziehen oder welche Pflegedienste sie bei Bedarf in Anspruch nehmen.

Auch können die einzelnen Wohngemeinschaften unterschiedliche juristische Formen annehmen. Von einer klassischen Wohnanlage mit Eigentumswohnungen über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Vereinigung ohne Gewinnzweck bis hin zur Genossenschaft ist alles denkbar. Bislang kann Emma Zimer nicht von den Einnahmen ihrer Firma leben. Sie hofft aber, dass sich gemeinschaftliches Wohnen bald auch in Luxemburg durchsetzen wird.

Claude Oswald
22. September 2018 - 11.59

Die Idee mag gut klingen. Doch im Alltag wird sie daran scheitern, dass menschliche Beziehungen oft sehr fragil sind. Tritt der Streit offen źutage, ist der Spaß am gemeinsamen Wohnen schnell verflogen.

Lucy
21. September 2018 - 21.05

Wie bei den Amis. Zu dritt im Appartement wohnen und trotzdem auch noch 3 Jobs benötigen um über die Runden zu kommen.