Wo ist Macron? Frankreich sucht seinen Präsidenten

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Zwei Tage lang suchte die gesamte französische Presse den Präsidenten des Landes. Er war – so Informationen aus dem Präsidentenpalast – in den Urlaub gefahren und niemand wusste wohin. Der Urlaub des Präsidenten ist in Frankreich ein hochpolitisches Thema – für die politischen Journalisten, die die tote Zeit der zwei Wochen Regierungsferien damit überbrücken, den Präsidenten in seinem Ferienort zu verfolgen.

Emmanuel Macron und seine Frau aber waren von der Bildfläche verschwunden. Zeit für sich zu haben, dieses Privileg wollten sie in Anspruch nehmen. In Frankreich führte das dazu, dass die drei Nachrichtensender ihre Sendezeit mit der Spekulation füllten, wo er denn sei und was sie wohl machten.

Landhaus in Versailles oder ab in den Süden?

Frankreichs Staatspräsidenten haben zwei Möglichkeiten, ihre Ferien „staatlich“ zu verbringen. In Versailles steht ihnen ein bequemes, abgeschirmtes Landhaus zur Verfügung, in das sie sich für private Stunden zurückziehen können. Oder sie fahren in den Süden, in das Fort Brégancon, das einen privaten Teil für die Staatsoberhäupter besitzt. Präsidenten wie Pompidou oder Chirac weilten dort im Sommer und gaben Touristen Autogramme.

Die Ferien des Staatspräsidenten sind auch deswegen hochpolitisch, weil sie unter Staatspräsident Sarkozy Anlass zu Skandalen waren. Der ließ sich von einem Milliardär auf eine Hochsee-Yacht einladen oder verbrachte Ferien in den USA – erneut auf Einladung – in einer Villa die 20.000 Dollar Miete pro Woche kostete. Sarkozy wurde den Imageschaden dieser Urlaube nie los.

Hollande kaufte auf dem Markt ein

Der „normale“ Präsident Francois Hollande verbrachte seine Ferien in der Corrèze, kaufte auf dem Markt ein, wie normale Bürger. Nur ist ein französischer Staatspräsident eben kein normaler Bürger. Er ist der „Chef“ von Frankreich mit einer Machtfülle, die fast so groß ist, wie die des US-Präsidenten. Sarkozy und Hollande schädigten beide das Bild des Staatspräsidenten in der Öffentlichkeit.

Macron macht alles anders. Er hält Distanz zur Presse, die zu Zeiten seines Vorgängers unbegrenzten Zugang zum Staatspräsidenten hatte. Das stört die Journalisten, die in Frankreich meinen, unbegrenzte Rechte zu haben und sich wie im Falle der satirischen Zeitschrift „Le Canard Enschaîiné“ als die Enthüllungspostille der Nation empfinden oder wie im Falle des Internet Dienstes „Mediapart“ als Enthüller und Richter gleichzeitig verstehen. Macron hat diese Rollen bereits während seines Wahlkampfes angekündigt, dass er als Präsident restriktiv mit der Presse umgeht.

Medien suchen über mehrere Tage

Das stört. Macron antwortet im Ausland nicht mehr auf Fragen, die innerfranzösische Probleme angehen. Er antwortet auch bei „Ausflügen“ in die Wirtschaftswelt oder soziale Welt nur auf die Fragen, die mit dem jeweiligen „Ausflug“ zu tun haben.

Und nun die verstörende Frage: Wo ist der Präsident? Im Urlaub, aber wo? Zwei Tage lang suchten ihn die Medien. Dann fanden ihn Spaziergänger in Marseille. Kein präsidialer Ferien-Skandal in diesem Jahr. Die Macrons residieren in der privaten Residenz des Präfekten. Sie machen Bildungsurlaub auf den Spuren des Schriftstellers Marcel Pagnol, der jenes menschliche Frankreich der Vergangenheit beschrieben hat, nach dem sich die Franzosen heutzutage sehnen. Man weiß ja von den Macrons, dass sie Literaten und Familienmenschen sind.

Fillon-Skandal zurück in der Presse

Residenz in Marseille: Hier stecken Macron und seine Frau. (Foto: AFP)

Nun, da der Präsident gefunden ist und entsprechend seiner Position einen völlig unspektakulären Urlaub verbringt, kann man sich wieder den vermeintlichen Ungereimtheiten zuwenden. Da gab es doch den großen Skandal um den Präsidentschaftskandidaten der Konservativen, Francois Fillon, der möglicherweise seine Familie auf Staatskosten fiktiv beschäftigt hat. Macron versprach, so etwas unmöglich zu machen.

Die Nationalversammlung diskutierte ein Gesetz 50 Stunden lang und als es zur Abstimmung ging, beklagten Minderheiten wie die Linksradikalen, die lautstark die Opposition bilden, dass man mehr Zeit zur Diskussion gebraucht hätte. Die Konservativen, deren Präsidentschaftskandidat das neue Gesetz ausgelöst hatte, bringen das Gesetz nun vor den Verfassungsrat, weil sie einigen Teilen nicht einverstanden sind.

Macron zieht Hollande-Haushalt voll durch

Und: in Frankreich ist nicht deutlich geworden, dass Macron den letzten Haushalt von Staatspräsident Hollande realisiert. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die die Budgets ihrer Vorgänger immer veränderten, zieht Macron den 2016 für 2017 beschlossenen Haushalt voll durch. Er will auch noch das Versprechen Hollandes einlösen, das Budget Defizit unter drei Prozent zu drücken. Ein Versprechen, das er zu seinem eigenen politischen Ziel gemacht hat.

Gleichzeitig sollen Reformgesetze in Angriff genommen werden. Daraus entstehen diese Äußerungen: „Man sieht gar nicht mehr, wo er hin will“, lauten die Vorwürfe. „Das ist alles so unbestimmt“. So aber wurde stets die Politik seines Vorgängers kritisiert. Und so fängt sich Macron nun dieselbe Kritik ein – mit der Folge, dass sein Beliebtheitsgrad stark abfällt.

„Wo ist der Präsident?“, ist die Frage nach seiner Präsenz und Beherrschung der politischen Szene. Ihm steht ein unruhiger Herbst bevor. Demonstrationen sind für den September angekündigt. Das ist der Zeitpunkt, zu dem Macron auch den ersten eigenen Haushalt vorlegen und für ihn kämpfen muss. Die Frage, wo er denn ist, sollte dann nicht mehr erlaubt sein.