Wie weit fliegen Papierflugzeuge?

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Von unserer Korrespondentin Delia Pifarotti 

Vor ihrem Konzert in der Rockhal gewährte Alice Merton uns am Samstag ein sympathisches Gespräch. Die zierliche und offenherzige Musikerin erzählte uns von der Entstehung ihres Megahits „No Roots“,  von ihrer Kindheit, die bekanntlich von vielen Umzügen geprägt war, und von ihren aktuellen Plänen.

Tageblatt: Sie haben mit ihrem Manager Paul Grauwinkel ihr eigenes Label gegründet und sind mit „No Roots“ raketenartig durchgestartet. Wie kam es dazu?

Alice Merton: Ich wollte meine Musik nicht den Bedingungen von Major Labels anpassen. Sie sollte vor allem mir gefallen. Es war mir egal, was andere davon halten würden. Ich wollte die Freiheit haben, mich künstlerisch so ausdrücken zu können, wie ich wollte. Also haben wir „Paper Plane Records“ gegründet. Ja … Papierflugzeuge, die mag ich, denn man weiß nie, wie weit sie fliegen. Bisher hat ja alles super geklappt. Ein gutes Team zu haben, das einen umgibt, ist natürlich sehr wichtig.

Sie schreiben Ihre Lieder selbst. Könnten Sie auch die Texte einer anderen Person singen?

Nein, absolut nicht! Ich muss von autobiografischen Dingen singen. Ich bin ein ehrlicher Mensch und könnte die Geschichte eines anderen nicht ehrlich rüberbringen. Deshalb muss ich meine Songs selber schreiben. Ich will auch weiter reifen, der Zeit Zeit geben, damit ich Erlebtes musikalisch darstellen kann.

Inwiefern war das Komponieren von „No Roots“ wie eine Therapie für Sie?

Weil ich erst nach der Entstehung des Songs verstanden habe, wie viel ich Wurzeln vermisste, und mir der Tatsache so richtig bewusst wurde, dass ich keinen Platz auf der Erde als mein Zuhause betrachten konnte. Das ist bei mir immer so. Erst wenn ich über etwas geschrieben habe, werden mir meine Empfindungen bewusst. Hinzu kommt noch, dass ich mich durch dieses Lied vorstellen wollte, damit das Publikum Einblick in meine Lebensgeschichte haben konnte.

Haben Ihre Eltern keine Schuldgefühle bekommen, vor allem nachdem sie gemerkt haben, wie viel Sie unter den ständigen Umzügen gelitten haben?

Am Anfang haben sie sich schon ein bisschen schuldig gefühlt, aber sie wussten, dass ich ihnen am Ende dankbar sein würde für die vielen Erfahrungen, die ich machen konnte und die tollen Orte und Leute, die ich kennenlernen konnte. Ich glaube, dass sie immer die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Von daher bin ich ihnen auch nicht böse. Es war natürlich immer ein harter Moment, wenn meine Mutter in mein Zimmer kam, mir zwei Kisten brachte und sagte, dass in die eine Kiste Sachen zum Mitnehmen und in die andere Kiste Sachen zum Wegschmeißen kommen sollten!

Waren Ihre Eltern denn immer wegen ihrer Arbeit unterwegs?

Nein, nicht nur. Sie sind eben rastlos. Ich bin in Frankfurt geboren und habe in vielen Plätzen in Amerika, Kanada, England, Frankreich und Deutschland gewohnt. Und jetzt toure ich mit meiner Musik. Ich bin es also gewohnt, immer wegzuziehen. Das ist gar nicht schlimm und macht Spaß. Und Heimat ist einfach da, wo Leute sind, die ich mag!

Was haben Sie von den verschiedenen Städten und Ländern gefühlsmäßig mitgenommen?

Meistens Erlebnisse. In Kanada gab es einen Ort, der Springridgefarm hieß. Da sind wir jedes Jahr zum Erdbeerpflücken hingegangen. Im Herbst konnte man Kürbisse ernten. So etwas bleibt hängen. Oder in meiner Straße gab es jeden Sonntag Barbecues. Da wurden immer alle eingeladen und jedes Haus war mal dran. Das war schön. Von München kann ich sagen, dass die Stadt mich einfach beeindruckt hat. Ich liebe Opern, habe selber Gesang studiert und in München gibt es ein wunderschönes Opernhaus. Ich bin oft dorthin gegangen.

Was sind Ihre aktuellen Pläne?

Viele Konzerte spielen, rumreisen, professionelle Kontakte knüpfen, eine schöne Zeit haben und den Moment genießen. Ich bin unglaublich dankbar für alles, was mir gerade passiert, auch wenn es anstrengend ist und mir der nötige Schlaf fehlt. Mein Leben ist wie eine Achterbahn und so ist es auch mit meinen Gefühlen.