Drei Luxemburger Tanz-Therapeutinnen und ihr Wunsch nach Anerkennung

Drei Luxemburger Tanz-Therapeutinnen und ihr Wunsch nach Anerkennung

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Es ist eine noch relativ junge Methode der Patientenbehandlung, richtig erforscht wird sie erst seit etwa 20 Jahren. Die Wirkung der Tanztherapie ist jedoch unverkennbar und dies hat Interesse geweckt, auch in Luxemburg. Seit den 1940er Jahren gehört sie als psychotherapeutische Disziplin zu den künstlerischen Therapien und wird derzeit von neun Studienabsolventen im Land aktiv praktiziert. Nur bei der offiziellen Anerkennung des Berufsstandes hapert es (noch).

Von unserer Korrespondentin Laura Tomassini

Der Körper als Gefühlsspeicher, die Bewegung als Heilungsprozess – so sieht die Tanztherapie die Werkzeuge, mit denen sie arbeitet. Im Laufe ihres Master-Studiums an der SRH Hochschule Heidelberg haben Katalin Wagner, Nora Hengen und Claire Majerus viel über die menschliche Psyche gelernt, vor allem aber, wie sie sich erschließen lässt. „Zweck der Tanz- und Bewegungstherapie ist es, den zu behandelnden Personen die Möglichkeit zu bieten, ihr psychisches Erleben auszudrücken, ohne dies unbedingt in Worte fassen zu müssen“, erklärt Katalin.

Wo Krankheit oder innere Vorgänge den Geist belasten, kann Tanz Abhilfe leisten und so zu mehr Klarheit verhelfen. „Jede Erfahrung wird im Körper gespeichert, das nennen wir das Leibgedächtnis. Auch wenn der Kopf ein Ereignis nicht mehr bewusst aufrufen kann, der Körper erinnert sich immer an die Bewegungen“, so die 30-Jährige. Es geht also darum, Themen aus dem Inneren aufzugreifen und nach außen hin auszudrücken.

Geschehen kann dies entweder durch strukturierte Übungen oder aber anhand von freier Bewegung im Raum. Dabei stehen stets die individuellen Bedürfnisse der Patienten im Vordergrund. „Die Therapie ist sehr personenzentriert, eine Sitzung kann also einerseits sehr ruhig verlaufen. Es kann aber auch vorkommen, dass wir den Haka-Tanz aufführen oder uns zu afrikanischen Rhythmen bewegen“, erzählt Katalin.

Den Körper spüren

Eine „klassische“ Therapiestunde existiert demnach nicht, und das zu Recht, denn das Krankheitsbild der Patienten reicht von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz bis hin zu psychopathologischen Störungen wie Depressionen oder Psychosen. Zu verstehen ist die Tanztherapie allerdings immer als eine zusätzliche Methode, die andere Behandlungen ergänzt, jedoch nicht ersetzt. Entgegen vermehrter Annahmen hat die Therapie auch nicht zum Ziel, abschließend eine Choreografie vor Publikum vorzuführen, und Patienten müssen keine tänzerischen Voraussetzungen mitbringen.

„Die Ästhetik spielt bei uns keine Rolle: Was wir machen, soll nicht schön aussehen“, betont Nora. „Es geht darum, Dinge aus dem Inneren authentisch zu erleben. Und dabei wird keiner beurteilt“, ergänzt Claire. Während ihres Praktikums in einer deutschen Jugendpsychiatrie hat die 28-jährige Therapeutin mit magersüchtigen Patienten gearbeitet. „In einer Gruppe ging es beispielsweise darum, das eigene Körperbild zu analysieren. Das Thema einer Stunde war ‚Skelett‘. Als Erstes mussten alle ihre Knochen ertasten und spüren, um dann symbolisch zu verstehen, dass unser Skelett uns trägt, aber wir ebenfalls Dinge mit uns herumtragen“, erklärt Claire.

Effizienz der Tanztherapie ist geprüft und nachgewiesen

Wichtigstes Element einer jeden Sitzung ist hierbei die Reflexion, also das Nachdenken darüber, was in der Therapiestunde erarbeitet wurde. „Bei jedem Patienten spielen Emotionen mit. Die Aufgabe des Therapeuten ist es, diese einzufangen und dem Gegenüber zu helfen, Wörter dafür zu finden“, unterstreicht Katalin. Die Verbalisierung der Gefühle kann in Form eines gesprochenen Dialoges stattfinden oder aber symbolisch dargestellt werden, etwa mithilfe von Karten oder gemalten Bildern.

Erstattet werden die Kosten für eine Tanztherapie von der Krankenkasse (noch) nicht, und auch offiziell als Tanztherapeutinnen angestellt sind Katalin, Claire und Nora nicht, sondern als sogenannte „psychomotriciennes“. „Ich arbeite im ‚Centre hospitalier neuro-psychiatrique‘, teils im ‚Service de psychomotricité‘ und teils im dortigen Kunstatelier“, sagt Katalin. Claire hingegen arbeitet mit Kindern und Jugendlichen mit Autismus im Kompetenzzentrum „Centre pour enfants et jeunes présentant un trouble du spectre de l’autisme“, wo sie Vier- bis 18-Jährige in den unterschiedlichen Klassen betreut. Kollegin Nora hat in einem CIPA-Altersheim angefangen und wird nun in der Kinderklinik des „Centre hospitalier“ ihre Arbeit weiterführen – ebenfalls offiziell als „psychomotricienne“.

Dies soll sich in Zukunft allerdings ändern, wie Katalin verrät: „Es gibt in Luxemburg zwar keinen Bund der Tanztherapeuten wie beispielsweise in Deutschland, allerdings setzt sich die ‚Association luxembourgeoise des art-thérapeutes diplomés‘, kurz ALATD, stark für die Anerkennung des Berufes ein und hat auch während der Wahlen genaue Forderungen an die Politik gestellt.“ Die Effizienz der Tanztherapie ist mittlerweile in zahlreichen Studien geprüft und nachgewiesen worden. Was den Beruf für Katalin, Claire und Nora jedoch ausmacht, sind vielmehr die eigenen Erfahrungen.

Impulse zur Erinnerung

„Viele meiner Patienten können nicht mehr aufstehen, deshalb greife ich häufig auf sensorische Spiele zurück, bei denen sie ihren Körper wieder spüren können“, erzählt Nora. Mithilfe von Sitztänzen oder einfachen Übungen bewirkt die Bewegungstherapie bei so manchem Senior wahre Wunder.

So hat sich der Standard-Tanz Tango beispielsweise als erfolgreiche Methode zur Behandlung von Parkinson-Patienten bewährt. Auch Bewegungsspiele mit unterschiedlichem Material zeigen bei älteren Menschen oft schnell Wirkung.
„Viele brauchen nur einen kleinen Schubser, um sich an Dinge zu erinnern. Einmal saß in meiner Gruppe eine Dame, die ganz in sich gekehrt war und scheinbar nichts mehr mitbekam. Als ich ihr dann einen Ball auf die Knie gelegt habe, sind ihre Augen ganz groß geworden und sie hat ihn mir automatisch zurückgeworfen.

Das war eine der schönsten Szenen, die ich bislang in meiner Karriere erlebt habe“, erinnert sich die 27-Jährige. Den Wert der Tanz- und Bewegungstherapie als psychotherapeutische Behandlungsmethode erklärt Katalin folgendermaßen: „Man muss den Patienten die Lust an der Bewegung wiedergeben, damit sie verstehen, dass dies einfach schön sein kann und nicht nur anstrengend. Tanz und Musik waren schon immer da, es gibt sie seit ewig und sie stecken in jedem von uns drin.“