Wer finanziert Interpol? Polizei-Organisation stößt auf Kritik aus Luxemburg

Wer finanziert Interpol? Polizei-Organisation stößt auf Kritik aus Luxemburg

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Die Fifa, Philip Morris, die Pharmaindustrie und zuletzt das IOC: Die Polizeiorganisation Interpol schließt seit Jahren fragwürdige Millionenabkommen mit privaten Geldgebern und autoritären Staaten. Intern warnte der Luxemburger Polizeichef schon vor Jahren vor Interessenkonflikten.

Von Robert Schmidt und Mathieu Martiniere

Die internationale Polizeiorganisation Interpol steht massiv unter Beschuss. In einer am Dienstagabend ausgestrahlten Fernsehdokumentation „Interpol: Wer kontrolliert die Weltpolizei?“ (ARTE Deutschland, 20.15 Uhr, online schon hier) wird insbesondere die Finanzierung beleuchtet. Nicht nur NGO-Vertreter, sondern sogar Interpols ehemaliger Generalsekretär Raymond Kendall (1985-2001) kritisieren in der Dokumentation Millionen-Verträge mit Unternehmen und Sportverbänden scharf.

Wie nun bekannt wird, hatten mehrere hochrangige Polizisten intern schon früher deutliche Widerworte geäußert. „Die Unterzeichner stellen sich gegen Spenden im Allgemeinen und gegen das Abkommen mit der Fifa im Speziellen. (…) Eine ähnliche Kontroverse könnte auch (…) im Zusammenhang mit einer Großspende von Philip Morris erwachsen“: Bereits 2012 richteten sich neun hochrangige Polizeivertreter – darunter der damalige Luxemburger Polizeichef Romain Nettgen – mit diesen Worten an den damaligen Interpol-Generalsekretär Ronald Noble. Laut dem im ARTE-Film erstmals vorgestellten Brandbrief, der auch dem Tageblatt vorliegt, finden die europäischen Polizeivertreter deutliche Worte: „Interpols Ruf und Verlässlichkeit sind essenziell für alle Mitgliedsstaaten.“ Und weiter: „Wir glauben fest daran, dass die Aktivitäten im Bereich von Public-Private-Partnerships stets mit den Prinzipien, Zielen und Aktivitäten Interpols in Einklang stehen sollen.“

192 Mitglieder

Die Polizeiorganisation Interpol wird von 192 Mitgliedsländern getragen. Nach den Vereinten Nationen ist sie die größte zwischenstaatliche Vereinigung der Welt. Sie dient den nationalen Kriminalpolizeibehörden dazu, sich über Staatengrenzen hinweg zu vernetzen und zusammenzuarbeiten. Die Organisation mit Sitz im französischen Lyon schult überdies Polizisten und Zollbeamte aus aller Welt. Unter ihrem zwischen 2000 und 2014 amtierenden Generalsekretär Ronald Noble, einem Amerikaner, hat sich Interpol rasant fortentwickelt, seine Aufgaben ausgeweitet.

Die Erfolge sind allgemein anerkannt. Was viele hingegen nicht wissen, ist dass die zuvor fast nur aus Mitgliedsbeiträgen finanzierte Organisation unter der Führung ihres umtriebigen Chefs gleich mehrere große Deals abgeschlossen hat: Von der Fifa sollte die Organisation 20 Millionen Euro, verteilt auf zehn Jahre, erhalten, vom Tabakkonzern Philip Morris zehn Millionen Euro, verteilt auf fünf Jahre und von der Pharmaindustrie weitere 4,5 Millionen Euro, verteilt auf drei Jahre. 2014 beschlossen die Mitgliedsstaaten, ihr Budget künftig sogar bis zu 50 Prozent durch Einnahmen aus der Wirtschaft zu öffnen.

Mehr Transparenz mit dem neuen Chef

Der Deutsche Jürgen Stock, der seitdem an der Spitze Interpols steht, führte eine externe Ethik-Kommission, einen sogenannten „Due-Dilligence-Officer“ und mehr Transparenz ein. Mit den Finanzdeals passierte zunächst allerdings wenig. Erst als sich Interpol im Frühsommer 2015 in der pikanten Situation wiederfand, mehrere Fahndungsgesuche gegen Fifa-Funktionäre auszustellen, wurde der Deal mit dem Fußballverband aufgekündigt. Andere Vereinbarungen – wie im Fall von Philip Morris und der Pharmaindustrie – liefen einfach aus.

Doch auch unter Stock gibt es nach wie vor fragwürdige Deals. Seit 2015 gibt es ein eineinhalb Millionen Euro schweres, auf drei Jahre angelegtes Abkommen mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) mit dem Ziel „die Sicherheit und die Integrität im Sport zu erhöhen“, vor allem im Bereich des Dopings, der Spielmanipulation und der Korruption. Pikant dabei: Das IOC hat selbst eine lange Geschichte der Korruption. Erst im Dezember 2015 leitete die Schweizer Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen möglicher Bestechung im Zusammenhang mit der Vergabe der Olympischen Spiele in Rio 2016 und Tokyo 2020 ein. Anfang des Jahres berichtete die ARD-Doku „Geheimsache Doping – Das Olympiakomplott“ zudem über die fragwürdige Rolle des IOC im Skandal um das russische Staatsdoping. Die Zuwendung mit dem IOC sei vollständig in Einklang mit den Due-Dilligence-Richtlinien der Organisation, erklärt dagegen Interpol auf Anfrage des Tageblatts. Man arbeite deshalb auch künftig weiter mit dem IOC zusammen. Und nicht nur mit dem OIC, sondern auch mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), mit der ebenfalls ein derartiges Abkommen besteht.

Arabische Spenden laufen über separate Stiftung

In der Kritik steht ebenfalls die bisher nahezu unbekannte, 2013 eingerichtete Interpol-Stiftung mit Sitz in Genf. Laut Handelsregister setzt sich die „Interpol-Stiftung für eine sichere Welt“ für den „Ausbau der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung“ ein. Das Ziel „Verbrechen ausmerzen“ indem „auf das Thema Sicherheit aufmerksam gemacht wird und Organisationen unterstützt werden, die Verbrechen bekämpfen“.

Wie nun bekannt wird, wurde über die Stiftung eine, auf fünf Jahre verteilte, 50-Millionen-Spende der Vereinigten Arabischen Emirate abgewickelt, die im Rahmen der Finanzierungsrichtlinien nicht als direkte Zuwendung an Interpol akzeptiert worden wäre. Interpols Richtlinien sehen eine Begrenzung solcher außerplanmäßigen Zuwendungen vor, um den Einfluss einzelner Mitgliedsstaaten zu begrenzen. Verständlich: Bei einem Gesamtbudget von seinerzeit 113 Millionen Euro fiel die erste Tranche von zehn Millionen aus den Emiraten nämlich durchaus ins Gewicht, katapultierte sie doch den für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen bekannten Staat an die Spitze aller zahlenden Mitgliedsstaaten.

Gibt es eine Einflussnahme über Großspenden?

Bedenken über eine Einflussnahme durch solche Großspenden erscheinen angebracht. Die Vereinigten Arabischen Emirate konnten ihre Rolle im Interpol-Netzwerk seit der Spende deutlich stärken. Die nächste Interpol-Generalversammlung wird in den Emiraten stattfinden: Die Polizisten treffen sich im November in Dubai. Ein Zufall? Fakt ist jedenfalls auch: Scheich Mansour, Vize-Premier der Emirate, hat mittlerweile als Vorstandsmitglied der Interpol-Stiftung sogar ein Zeichnungsrecht. Ein mit der Stiftung verbundenes Interpol-„Weltbüro“ sei in Abu Dhabi eröffnet worden, berichtete die staatliche Presseagentur WAM bereits im Mai 2016 – in dem Zeitraum, in dem auch das Abkommen mit der Stiftung eingefädelt worden war. Interpol erklärt dazu, dass die Organisation in Abu Dhabi nur einen Ableger betreibe, dabei handele es sich um das nationale Zentralbüro.

Doch auch mit der Pharmaindustrie gab es unter Stock ein neues Abkommen im Kampf gegen Pharmaverbrechen. Kürzlich schloss Interpol einen neuen, 300.000 Euro schweren Vertrag mit dem „IRACM“, dem „Internationalen Institut zur Forschung gegen Medikamentefälschung“. Dabei handelt es sich sich nicht, wie die Webseite glauben lassen möchte, um einen unabhängigen Akteur im Kampf gegen schädliche Arzneimittel. Das Zentrum mit Sitz in Paris wird fast ausschließlich vom Pharmakonzern Sanofi getragen.

„Wir erachten es als heikel, wenn Interpol von privaten Organisationen mitfinanziert wird“, unterstreicht Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz. Dadurch könnten Interessenkonflikte entstehen und die Unabhängigkeit von Interpol in Frage stehen. So bestehe insbesondere die Gefahr, dass Private Einfluss nehmen auf die Tätigkeit von Interpol. Mit dieser Einschätzung steht Hilti ganz eindeutig nicht alleine da.

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21. März 2018 - 16.14

Interpol: gegründet von einem Grossteil Kriminalbeamter in Sachen Aufklärung und Kriminaltechnik; also meist Sachbearbeiter von Spuren, Fotos, Fingerabdrücken usw. als Oberster Chef gewählt: die jeweilige Oberstaatsanwaltschaft des Mitgliedslandes Tja, dann sind wohl eine Reihe Dirigenten in dieser UN-EIGENNüTZIGEN Vereinigung zu lange am Hebel und auf Geschäftstüchtigkeit gebürstet. Kennt man ja auch aus anderen ASBL, auch ONG's oder NGO's, genannt. (Eine Organisation Non Gouvernementale ist auch mein Kegel/Sparverein. Also beileibe kein Qualitätslabel.)

Robert Polfer
20. März 2018 - 20.59

Ist den wirklich Alles korrupt , verdreht und ekelhaft . Unglaublich

Mephisto
20. März 2018 - 12.24

Wer die FIFA und Philipp Morris als Sponsor hat braucht sich um seinen Ruf nicht mehr zu sorgen. Warum nicht gleich den Hauptsitz nach Neapel oder Palermo verlegen ?